(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/10, 10) < home RiV >

Die „Gretchenfrage“ des KFN

- Necla Kelec und Kirsten Heisig -

1.

„Im Februar dieses Jahres (erg. 2010), nach einem Gespräch über die Islamkonferenz mit dem Innenminister Lothar de Maizière, traf ich Christian Pfeiffer, den Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen (KFN)[1]. Er sagte, wir müssten unbedingt mit­einander reden …‚Das wird Sie interessieren‘, meinte er noch und klopfte auf seine Aktentasche … Und erst jetzt, da die Fußball-WM, die Präsidentschaftsdebatte und die Sparpläne der Regierung alle Aufmerksamkeit zu absorbieren scheinen, wird der brisante Inhalt der Pfeiffer’schen Aktentasche öffentlich. Liest man diesen gemeinsamen Forschungsbericht des Bundesinnenministeriums und des KFN über „Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt“, ist unschwer zu erkennen, warum. Die Eröffnung der zweiten Islamkonferenz im Mai wäre wohl, hätten alle Teilnehmer die Ergebnisse gekannt, nicht so moderat über die Bühne gegangen“[2].

Der Bericht berührt offenbar genau jenes Problem, auf das Necla Kelec ihr deutsches Publikum seit vielen Jahren beharrlich aufmerksam zu machen sucht, wobei Pfeiffers Befunde ihr nun Argumentationshilfe zu bieten scheinen. Worum geht es?

2.

Necla Kelec wurde 1957 in Istanbul geboren, kam 1966 nach Deutschland und hat sich hier von ihrem erst in Deutschland streng islamisch gewordenen Elternhaus emanzipiert, nahm die deutsche Staatsangehörigkeit an, studierte Volkswirtschaft, promovierte in Soziologie und war von 1999 bis 2004 Lehrbeauftragte für Migrationssoziologie an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialpädagogik in Hamburg, wozu sie auf Grund leidvoller persönlicher Erfahrungen mit der islamischen Männergesellschaft besonders qualifiziert war. Sie wurde in Hamburg Beraterin der Justizbehörde in Fragen der Behandlung türkisch–muslimischer Strafgefangener[3] und ist eine längst bundesweit bekannte, ebenso geachtete wie auch heftig befehdete Schriftstellerin[4], die bis zur Stunde im Streit auf hundert „Foren“ ihren „Mann“ gestanden hat, die keinem Angriff ausweicht[5] und damit riskiert, auf gewisse Listen zu geraten, deren Notierungen tödlich sein können. Als der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble 2006 die erste „Islamkonferenz“ aus der Taufe hob, berief er sie dazu: als ein von Islamverbänden oder sonstigen Organisationen unabhängiges wissenschaftliches Mitglied[6].

Die junge Necla hatte Deutschland als persönliche Befreiung erlebt: als einen Staat, dessen Ordnung und Freiheitsrechte mit der archaischen Unterdrückung der islamischen Männertradition aufräumten. So wurde sie zu einer begeisterten Deutschen, einer wortmächtigen Streiterin für die freiheitliche, emanzipierende Leitkultur (die sie keineswegs in Anführungszeichen setzt!) des Landes und gegen die traditionelle Männergewalt der (von ihr eingehend studierten) islamischen Parallelgesellschaften. Natürlich erfuhr sie bald, dass ihre deutlichen Worte nicht nur - wie erwartbar - bei islamischen Verbänden (von denen sie als aufgeklärte, „verwestlichte“ Muslimin als Abtrünnige betrachtet wurde) übel aufstießen, sondern auch in die konfliktscheue und harmoniesüchtige „Dialogkultur“ Deutschlands nicht hinein passte, deren Protagonisten jeden als „islamophob“[7] oder rechtsextrem abstempeln, der nicht bereit ist, durch eine „kultursensible“, also beschönigende Sprache offensichtliche Probleme zu verschleiern, wie dies kürzlich die frischgebackene niedersächsische Integrationsministerin Aygül Özkan von den Medien ausdrücklich verlangt hatte[8].

Was hält die Deutschen, fragt Necla Kelec, davon ab, von jedem und an allen Orten - also auch in großstädtischen Migrantenquartieren! - die Respektierung ihrer Rechtsordnung zu verlangen und sie durchzusetzen? Die Angst, antwortet sie, als ausländerfeindlich angeprangert zu werden: als eine Gesellschaft, die schon wieder Fremde zwangsweise assimilieren, germanisieren oder ihnen die deutsche Leitkultur überstülpen will[9]. Was die Deutschen mit der Preisgabe ihres Rechtsstaats sich selbst antun, könne man vielleicht ja für ihre eigene Sache halten. Dass sie damit aber zugleich vor allem ihren Migrantinnen in Berlin und hier überall den Schutz vor deren Peinigern – dem oft gewalttätigen Clan der Männer - verweigern, könne damit nicht abgetan werden[10]. Und auch dem Interesse der Täter dienten die Deutschen nicht, wenn sie vor ihnen kuschten und, wie gar zu oft, ihre blanke Angst und Furcht vor ihnen als tieferes Verständnis für sie ausgäben[11].  

3.

Warum hätte nun der über 300 Seiten starke, mit Zahlen, Abbildungen, Tabellen und Kurven gespickte neue Forschungsbericht Christian Pfeiffers[12], wie Necla Kelec in der FAZ andeutet, die mühsam ausbalancierte Harmonie der zweiten Islamkonferenz stören können?

Zur Vorgeschichte: Das KNF hatte in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt 44.610 Schülerinnen und Schüler der vierten und neunten Jahrgangsstufe in einundsechzig repräsentativ ausgewählten Landkreisen befragt: primär nach passiven (Opfer) und aktiven (Täterschaft) Delinquenz-Erfahrungen, aber auch nach Umständen, welche die Täter/Opfer-Profile allenfalls am Rande zu berühren schienen. 

Angesichts des hohen Anteils von Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund war die Frage nach deren Täter/Opferrolle auch früher von besonderem Gewicht gewesen. Dazu hatten KFN-Berichte bereits vor Jahren gezeigt, dass gerade bei der Gewaltkriminalität männliche türkische Schüler als Täter weit überrepräsentiert, als Opfer aber deutlich unterrepräsentiert waren, während dieses Verhältnis bei deutschen Schülern genau umgekehrt lag: sie erleiden also viel mehr (zumal türkische) Gewalt, als dass sie selbst diesen Tätern gegenüber Gewalt üben. Als eine gewisse Erklärung stellen die Erhebungen fest, dass türkische Jungen zu Haus in weit höherem Maße als deutsche Schüler unter (insbesondere väterlicher) Gewalt zu leiden haben, was sie als Verhaltensmuster verinnerlichen und in der Schule ihrerseits Schwächeren gegenüber abreagieren[13].

Zum KFN-Bericht 2010:

Prof. Pfeiffer hatte die Schüler auch nach ihrer Religion und der Intensität ihrer Bindung an sie fragen lassen[14] und wertet die Antworten in der aktuellen Studie aus:

Eine allgemeine kriminologische Erfahrung besagt, dass religiöse Bindungen ihrer Tendenz nach kriminelle Neigungen dämpfen - je ausgeprägter die Bindungen sind, umso nachhaltiger. So auch der aktuelle Berichtsbefund[15], der zunächst auch für Migranten gilt: „Jugendliche Migranten, die einer christlichen Kirche angehören, sind umso seltener als Gewalttäter in Erscheinung getreten, je stärker ihre religiöse Bindung ausfällt ...“[16]. Freilich: nur zunächst, also nicht ohne Einschränkung, denn „für islamische Jugendliche zeigt sich … ein zu den christlichen und ‚anderen‘ Jugendlichen entgegengesetzter Effekt: Mit stärkerer religiöser Bindung steigt die Gewaltbereitschaft tendenziell an … Je stärker sich islamische Migranten an ihren Glauben gebunden fühlen, umso mehr stimmen sie den Männlichkeitsnormen zu und umso häufiger spielen sie Gewaltspiele“[17]. „Glaubensbindung“ im Sinne der Untersuchung ist also nicht von geistig-spiritueller, gar religiös-spekulativer Qualität (um Goethes zarte Gretchenfrage: „nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“ geht es also doch nicht!); die Frage zielt vielmehr auf die Intensität ab, mit der Jugendliche die im Milieu herrschenden familiären - und sozialen Normen (die keineswegs „der Islam“ sind, wenngleich sie sozio-kulturell auf ihm fußen) als Motive übernehmen, ausleben und exekutieren. Männliche Dominanz, Frauenverachtung, „Ehre“ und ein Kult der Gewalt sind dabei zentral, Hierzu sprechen die Abbildungen, Tabellen und Zahlen des Berichts ihre deutliche Sprache. Pfeiffers nüchterne, von ihm selbst ausgesprochen zurückhaltend interpretierte Statistik drückt nichts anderes aus, als was Necla Kelec immer schon gepredigt hat: Dass die jungen männlichen Gewalttäter tun, was in ihrem Verständnis und nach ihrer eigenen Milieuerfahrung islamische Traditionen und Normen gebieten oder ihnen jedenfalls erlauben[18].

Das müsste eine Islamkonferenz in der Tat aufgreifen, die ihrem einst verkündeten Ziel gerecht werden will, „eine bessere religions- und gesellschaftspolitische Integration der muslimischen Bevölkerung und ein gutes Miteinander aller Menschen in Deutschland, gleich welchen Glaubens, zu erreichen“.[19]

4.

Hier drängt es mich zu einem Wort des Gedenkens an die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig[20], die sich beruflich und außerdienstlich (der Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowsky: „tagsüber war sie Jugendrichterin, abends Sozialarbeiterin“) mit den gleichen Problemen herum geschlagen hatte wie Necla Kelec mit der Leidenschaft einer Betroffenen und wie Christian Pfeiffer aus der Distanz des Wissenschaftlers. Sie hatte kurz vor ihrem Tode das Manuskript einer „ungewöhnlichen Streitschrift“ abgeschlossen[21].

Streitschrift deshalb, weil sie um nichts herumredet, sondern dem Leser schonungslos realistische Schilderungen zumutet: etwa über die Brutalität, mit der männliche junge (zunehmend oft im Rechtssinne noch kindliche, also nicht strafmündige) libanesische oder türkische Täter mit ihren meist deutschen, oft weiblichen Opfern umspringen. Es ist zu viel, was man hierzu und auch sonst zitieren müsste: man sollte es selbst lesen![22] Ihre Praxis bestätigt alles, was Necla Kelec seit Jahren über die verhängnisvolle Auswirkung einer gruppenhaften Gewaltkultur schreibt, die in geschlossenen islamischen Migrantenquartieren aufgekommen ist und dort geradezu gezüchtet wird[23]. Und ihr Urteil über die Feigheit (oder wohl besser: die begründete Furcht) deutscher Behörden und Ämter fällt sogar noch deutlicher aus als bei der Soziologin[24]. Eine von Christian Pfeiffers Thesen kann sie auf Grund eigener Berliner Erfahrungen durchaus nicht bestätigen: dass ein Grund für die Überrepräsentanz gewisser Migrantengruppen sowohl in der Kriminalstatistik als auch in den KFN-Tabellen auch daran liege, dass deren „Delinquenz“ von Deutschen häufiger angezeigt werde als umgekehrt. Die Praxis zeige indessen, dass deutsche Opfer, statt zur Polizei zu laufen, schlicht resignierten und sich keinesfalls der Gefahr neuer Bedrohungen, Verletzungen und Entwürdigungen aussetzen wollten, die aus Anzeigen allzu oft als einziges Resultat folgten (S. 140 f.)[25]. Den oben erwähnten neuesten Bericht des KFN hat Kirsten Heisig vor ihrem Tode nicht mehr lesen können, hatte Prof. Pfeiffer davon aber schon in den Medien berichten hören und dabei einen irritierenden Widerspruch zu Früherem gefunden, darin liegend, dass er nun auch selbst feststelle, „dass strenggläubige muslimische Jugendliche gewaltbereiter sind als ihre christlichen Altersgenossen“. Davon sei bei ihm zuvor nie die Rede gewesen (S. 145).

5.

Glaubt man Zeitungsberichten, dann war die Jugendrichterin seit geraumer Zeit in Berlin zum „Medienstar“ aufgestiegen. Das wäre nicht verwunderlich gewesen, sprach sie doch ungeniert Wahrheiten aus, die dort zwar nahezu jeder dem Grunde nach und oft auch im einzelnen kannte, über die öffentlich aber nicht geredet wurde, so dass die Leute sie erst an den viel gescholtenen Stammtischen freimütig traktierten. Aber auch die Medien reizt gelegentlicher Tabubruch, bringt er doch Farbe in ihr Einerlei - und Einschaltquoten! Dergleichen wäre im Januar 2008 fast schon einmal passiert, als der Ber­liner Oberstaatsanwalt Roman Reusch für Plasbergs Fernsehrunde „hart aber fair“ angemeldet war. Reusch leitete die Spezialabteilung 47 der StA Berlin, die sich um jugendliche Intensivtäter kümmerte. Der Mann hatte seine Erfahrungen parat und Statistiken im Kopfe (80% der Berliner Serientäter nicht-deutsch usw.), alles sachlich unanfechtbar – aber Verbreitung unerwünscht. Also verbot ihm die Behörde den (bereits angekündigten) Auftritt bei Plasberg; Presse und Bevölkerung sprachen vom „Maulkorb“, die Intensivtäterabteilung wurde aufgelöst[26]. Eine Richterin jedoch, zumal die stadtbekannte Kirsten Heisig an die Leine zu legen, wäre – unterstellt, sie hätten es gewollt - den Behörden schwerer gefallen, vielleicht sogar unmöglich gewesen. Ihr Tod ist dem Test zuvor gekommen.

Das letztes Gespräch mit der Jugendrichterin hat, knapp zwei Wochen vor ihrem überraschenden Tod, niemand anders als Necla Kelec geführt - für ein Portrait der unerschrockenen, von ihr bewunderten Weggefährtin im politischen Magazin für Frauen EMMA[27].

Kirsten Heisig hatte den Text noch gegengelesen; die Redaktion hat ihn dann, sobald die traurige Kunde ihres Todes zu ihr gedrungen war, noch vor Erscheinen des Blattes am 7. Juli vorweg online verbreitet.

Günter Bertram


 

[1] Zum 1. KFN-Forschungsbericht „Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt – Erster Forschungsbericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des BMI und des KFN“, Hannover 2009: vgl. MHR 2/ 2009, S. 22-25; vgl. zu früheren KFN–Berichten MHR 4/1998, 11 (13-15).

[2] N. Kelek „Gewaltbereitschaft als Kultur“, FAZ v. 14.06.10.

[3] Literarischer Niederschlag dessen: Die verlorenen Söhne - Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes, Köln 2006. Vgl. dort S. 21 f. zur Entstehung des Buchs aufgrund Hamburger Erfahrungen: „Meine Methode“.

[4] Vgl. neben dem o.g. Buch „Die fremde Braut - Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland, Köln 2005, das auch ihren persönlichen Lebensweg eindrucksvoll erzählt: als Befreiung aus den Fesseln, Zwängen und Entwürdigungen der islamisch-türkischer Tradition, ein Werk, durch das „Zwangsheirat“ als Thema auch auf die deutsche rechtspolitische Tagesordnung befördert worden ist. Dieselbe: Himmelsreise - Mein Streit mit den Wächtern des Islam, Köln 2010. Der Titel ironisiert die Reise der muslimischen Frau in den Männerhimmel, den der Prophet seinen Jüngern (etwa in der Koran-Sure 55, Verse. 46 – 78) verheißt.

[5] So wurde sie in der ZEIT vom 02.02.2006 von 60 (!) sozialwissenschaftlich orientierten „Migrationsforschern“, denen die prominente Stellung dieser Frau im einschlägigen Diskurs ein Dorn im Auge war, heftig angegriffen, was die Attackierte ihnen alsbald zurückzahlte, wobei sie energische Unterstützung (abgesehen von furchtlosen Kolleginnen mit gleichem „Migrationshintergrund“ wie Seyran Ates, Lale Akgün) auch von Alice Schwarzer, Ralph Giordano und von vielen anderen erhielt.

[6] Zu den Unzulänglichkeiten der „Islamkonferenz“ vgl. Necla Kelec 2010 (oben Fn. 4) „Die Islamverbände - Zwischen Demokratie und Scharia“, insb.„Experiment Islam Konferenz“, S. 229 ff. (237-240).

[7] So hat sich der Bielefelder „Konfliktforscher“ Heitmeyer der „Islamophobie“ als neuem Studienbereich verschrieben, vgl. Necla Kelec aaO. (Fn. 4, „Himmelsreise“, S. 12).

[8] Die Sache als solche ist inzwischen wieder vom Tisch (vgl. etwa „Mediencharta nur ein Entwurf“, FAZ v. 24.07. 2010; auch „Unsensibel“, FAZ vom 26.07.2010). Doch die Begründung des niedersächsischen Deutschen Journalistenverbands spricht Bände: Die Charta sei „absolut überflüssig“, weil die Presse sich ohnehin an deren Grundsätze halte. Im Klartext: Die schon geübte Selbstzensur mache eine Fremdzensur doch entbehrlich! Am 21.07.2010 strahlte die ARD den Film „Kampf im Klassenzimmer“ aus: „ein Film über eine Schule (in Essen - Karnapp), an der Deut­sche nur noch eine Minderheit sind und Lehrer resignieren …“ (dazu auch Regina Mönch in FAZ vom 21.07.2010: „Auf verlorenem Posten“: deutsche Schüler als niedere Kaste, verachtet, unterworfen, immer wieder entwürdigt von der muslimischen Mehrheit, beschimpft als Nazis, Streber, Schlampen). Das zu senden, war natürlich unsensibel; allerdings verschob der Sender, nach gewissen Interventionen, die Ausstrahlung des Films bis tief in die Nacht, Beginn 23.45 Uhr, wenn die allgemeine Aufmerksamkeit als erlahmt gelten kann: darin lag dann wohl die ausgleichende „Sensibilität“! Hendryk Broder im Berliner Tagesspiegel vom 12.07. 2010 zur Sensibilitätskultur: „In Berlin musste am Sonnabend ein Freibad geräumt werden, nachdem ‚konkurrierende Familienclans mit Migrationshintergrund‘ eine Massenschlägerei am Beckenrand lostraten Das Ereignis wirft einige Fragen auf. Zum einen: Was sind „konkurrierende Familienclans mit Migrationshintergrund“? Handelt es sich um Ostfriesen und Oberbayern, die nach Berlin gezogen sind? Oder Tschechen und Slowaken, die sich nicht darauf einigen können, ob man „Chleb“ oder „Chlieb“ sagen soll, wenn von „Brot“ die Rede ist? Wird dem Leser da nicht eine relevante Information vorenthalten?“

[9] wie z.B. vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in seiner Kölner Rede vom Februar 2008 vor einer viel tausendköpfigen Menge seiner Landsleute in herausfordernder Herrscherpose (in Anwesenheit einer schweigenden Bundeskanzlerin) proklamiert; vgl. zur deutschen Betulichkeit Necla Kelec „Eine schleierhafte Debatte oder falsch verstandene Toleranz“, in: Die Fremde Braut (Fn. 4), S. 239 ff.

[10] „Während viele von ihnen (den 68ern) auf der einen Seite die Diskriminierung von Frauen in Beruf, Gesellschaft und Familie aufs Schärfste geißeln, scheinen dieselben Leute gegenüber dem Islam mit Blindheit geschlagen zu sein. Da wird Verständnis für kulturelle Eigenheiten aufge­bracht, wenn Mädchen von Teilen des Schulunterrichts ferngehalten werden, da wird nicht eingegriffen, wenn Sechsjährige das Kopftuch tragen müssen oder Frauen wie Sklavinnen verschachert werden“; N. Kelec, Die fremde Braut (Fn.4), S. 254. Jutta Limbach bei den Landauer Gesprächen 1995: Religionsfreiheit bedeute auch, die Normen anderer zu tolerieren (aaO. S. 253). Welche „Normen“: Gilt die Scharia oder die deutsche Verfassung? Ganz im Sinne Kelecs, dass der Staat zur entschlossenen Durchsetzung seines Rechts verpflichtet sei: Josef Isensee, Integration mit Migrationshintergrund - Verfassungsrechtliche Daten in JZ 2010, 317 ff.

[11] Ausführlich darüber die Autorin aaO. (Fn. 3) in „Die verlorenen Söhne“.

[12] „Kinder und Jugendliche in Deutschland: Gewalterfahrungen, Integration, Medienkonsum - Zweiter Bericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des BMI und des KFN“, Hannover 2010, 324 Seiten. In ihm werden erstmals Antworten ausgewertet, die das KFN für seinen ersten Bericht 2009 (vgl. oben Fn. 1) bereits erfragt hatte.

[13] Vgl. die kurze Zusammenfassung entsprechender Befunde in MHR 4/1998, 13-15.

[14] Vgl. KFN aaO. (Fn. 11) S. 83 ff: „Religion, Integration und abweichendes Verhalten bei Jugendlichen“ . Als Religionen abgefragt: röm.-kath., ev., ev.-freikirchlich, orthodox, islamisch (mit den Differenzierungen: shiitisch, sunnitisch, alevitisch, andere), jüdisch, buddhistisch und andere; als Neigung vorgegeben: nicht religiös, etwas religiös, sehr religiös.

[15] KFN aaO. (Fn. 11). S. 105 ff: Ziff. 4.3. „Religion und delinquentes Verhalten Jugendlicher“. Zwischenergebnis (S. 114): „Damit lässt sich in Bezug auf die deutschen Jugendlichen schließen, dass Religion einen Schutzfaktor gegen Gewalt und andere Formen der Delinquenz darstellt.“

[16] aaO. S. 115

[17] Vgl. aaO. S. 118- 128.

[18] Die eingängige und politisch nicht unerwünschte Formel, wir seien nun eben mal eine „winner–looser–Gesellschaft“, mit der Pfeiffer sich gelegentlich in den Medien vernehmen ließ, war schon früher und erweist sich nun erst recht als eine dürftige Allerweltserklärung.

[19] Viele gut gemeinte Schriften und Traktate, denen der „Dialog mit dem Islam“ am Herzen liegt, blenden Realitäten der o.g. Art fast ganz aus, so z.B. die Schrift der EKD „Was jeder vom Islam wissen muss“, Gütersloh 1990. Entsprechend abgehoben verlaufen ungezählte „Dialoge“ in Akademien, auf Tagungen usw. Kritisch zum gläubigen „Von- Innen-Verstehen“ des Islams auf Kosten empirischer sozialer Wahrnehmung z.B. Necla Kelec, Himmelsreise (Fn. 4), S. 12 ff: „Wie sprechen wir über den Islam?“

[20] Die 1961 geborene Juristin, seit 1993 Jugendrichterin in Berlin, ist am 03.07.2010 im Tegeler Forst tot aufgefunden worden: an einem Baum erhängt, knapp 500 Meter abseits ihres Autos. Gegen die behördliche Version, die Richterin habe selbst Hand an sich gelegt, werden Zweifel laut, über deren Stichhaltigkeit sich einstweilen wohl noch nichts sagen lässt.

[21] „Das Ende der Geduld“, Freiburg, Juli 2010, 205 Seiten; dazu Regina Mönch: „Rettet die verloren Kinder, bevor es zu spät ist – Die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig hat mit ihrem Buch ‚Das Ende der Geduld‘ eine Streitschrift verfasst, die uns aufrütteln muss“, FAZ 26.07.2010.

[22] Sachlich schreibt sie nichts anders als das, was man sich auch aus der Tagespresse zusammenstellen könnte, indem man deren schlimmsten Berichte sammelt. So lässt etwa die Bergedorfer Zeitung den hiesigen Jugend- und Familienrichter Olof Masch immer wieder zu Worte kommen, etwa am 26.03.2009: „Weniger Delikte, dafür viel brutaler – Amtsrichter Olof Masch sorgt sich vor allem um jugendliche Straftäter aus islamischen Ländern“. Wer aber sammelt denn schon?

[23] … dazu Necla Kelecs Hamburger Gefängnis-Interviews mit den „verlorenen Söhnen“, vgl. das gleichnamige Buch aaO. (Fn. 3).

[24] Ihr besonderes Augenmerk galt hochkriminellen arabischen Clans, die strafunmündige Kinder zum Drogenhandel und anderem vorzuschicken pflegten. Für sie hatte Kirsten Heisig das Familiengericht interessieren wollen - vergeblich „und es liegt auf der Hand, weshalb: sozialromantische Verblendung gepaart mit blanker Angst. Ich bin inzwischen zu der Auffassung gelangt, dass die Furcht vor den kriminellen Großfamilien alle anderen Aspekte bei Weitem überwiegt, denn hinter vorgehaltener Hand heißt es: „Man kann kein Kind zwangsweise aus einem arabischen Clan nehmen. Die Familien erschießen jeden, der das versuchen sollte. Angst ist aber ein schlechter Ratgeber. Sie lähmt das System und den Einzelnen ...“ ( S. 94).

[25]eine These, die ich selbst schon im sog. Neuwiedenthalverfahren vom Herbst 1997 bestätigt gefunden hatte, der auf den Suicid eines 17-jährigen deutschen Schülers gefolgt war. Dieser („Mirco“) war das Opfer einer migrantischen Mitschülerbande geworden, vor deren Erpressungen er keinen anderen Ausweg mehr fand. Eines der praktischen Probleme der Ermittlungen lag darin, dass die Bereitschaft der Mitbetroffenen, auch nur Aussagen zu machen (von Anzeigen ganz zu schweigen) gegen Null tendierte. Der neue Fall des damaligen Haupttäters „Amor S.“ hat die damalige Tragöde wieder in Erinnerung gebracht, vgl. etwa das Hamburger Abendblatt vom 30.06.2010: „Die Akte Amor und die Spur der Gewalt“ und „Mit seiner Gang trieb er den 17-jährigen Mirco in den Tod – das Opfer stürzte sich vor 13 Jahren vor einen Zug“.

[26] Vgl. den Berliner Tagesspiegel vom 06.01.2009 – mit Leserstimmen.

[27] Kein Wunder, dass gerade EMMA an dieser Publikation gelegen war, ficht doch deren Herausgeberin Alice Schwarzer wortmächtig mit im Kampf für die Befreiung muslimischer Frauen aus männlich-traditioneller Gewalt - und geißelt dabei ohne Erbarmen Feigheit, Inkonsequenz und Verbohrtheit ihrer früheren „linken“ WeggefährtInnen, vgl. A. Schwarzer in FAZ vom 20.07.2010: Der Schleier der Fundamentalisten.