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Bereitschaftsdienst

 

Am 28.05.2010 ist im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt die „Verordnung zum Erlass der Bereitschaftsdienstverordnung und zur Änderung der Weiterübertragungsverordnung – Gerichtswesen“ verkündet worden. Art. 1 dieser Verordnung enthält die „Verordnung zur Errichtung eines Bereitschaftsdienstes beim Amtsgericht Hamburg und zur Einbeziehung der Richterinnen und Richter des Landgerichts in den Bereitschaftsdienst (Bereitschaftsdienstverordnung)“. Mit ihr hat der Senat von der in § 22c GVG vorgesehenen Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht, den amtsrichterlichen Eildienst auf ein Amtsgericht (das Amtsgericht Hamburg-„Mitte“) zu konzentrieren und – einer langjährig erhobenen Forderung des Amtsgerichts folgend – die Richter des Landgerichts zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen. Die Verordnung ist zum 01.06.2010 in Kraft getreten.

 

Der Hamburgische Richterverein ist im Gesetzgebungsverfahren angehört worden. Der Vorstand hatte beschlossen, sich zu der Frage der in § 22c Abs. 1 Satz 2 GVG vorgesehenen Ermessensentscheidung (Einbindung der „Landrichter“) mit Blick auf die insoweit möglicherweise unterschiedlichen Interessen der beiden größten Mitgliedergruppen nicht zu äußern, aber angekündigt, notwendige Kompensationen aus der zusätzlichen Beanspruchung prüfen zu wollen.

 

Im Vorgriff auf die Verordnung haben die Präsidien des Amtsgerichts und des Landgerichts „Vorratsbeschlüsse“ über die Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes erlassen und im Ergebnis nicht das in § 22c Abs. 1 Satz 4 GVG notwendige Einvernehmen über die Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes herstellen können. Daher war das Präsidium des HansOLG nach § 22c Abs. 1 Satz 5 GVG zur Beschlussfassung berufen. Mit Präsidiumsbeschluss vom 31.05.2010 hat das Oberlandesgericht nunmehr bestimmt, dass die Strafrichter des Landgerichts den strafrechtlichen nächtlichen Eildienst des Amtsgerichts ab dem 01.06.2010 jeweils von Mittwoch bis Freitag und an Dienstagen ungerader Wochen (soweit die Tage keine gesetzlichen Feiertage sind) zu übernehmen haben. Der nächtliche strafrechtliche Eildienst ist als „Rund-um-die-Uhr-Eildienst“ ausgestaltet.

 

Auf die Strafrichter des Landgerichts kommt daher - erstmalig in der Geschichte des Landgerichts Hamburg die Aufgabe zu, nachts originär ermittlungsrichterliche Arbeit zu verrichten und nicht nur ermittlungsrichterliche Beschlüsse auf Beschwerde hin zu bewerten.

 

Die jeweils vom Präsidium des HansOLG eingeteilten Richter sollen wohl mit einer Art „Notfallkoffer“ ausgestattet werden, der ein Thermofaxgerät und eine Formularsammlung enthält. Auf diese Weise soll die Kommunikation zwischen Ermittlungsrichter und Staatsanwalt und – soweit das im Einzelfall als notwendig erachtet wird – der Austausch von schriftlichen Anträgen und Beschlüssen gewährleistet werden.

 

Aus staatsanwaltschaftlicher Sicht beschreibt Herr Elsner (S. 4 in diesem Heft) die Beschwerlichkeiten des Eildienstes anschaulich. Auch der Verordnungsgeber hat erkannt, dass der Bereitschaftsdienst mit „enormen Unannehmlichkeiten verbunden“ (Verordnungsbegründung) ist, die vor allem auf eine stärkere Inanspruchnahme des nächtlichen Eildienstes durch die Staatsanwaltschaft und die Polizei zurückzuführen sind, zu der Polizei und Staatsanwaltschaft in Folge geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Begriff der Gefahr im Verzug genötigt sei.

 

Eine Kompensation dieser zusätzlichen Aufgaben sieht die Verordnung nicht vor. Sie ist auch im Übrigen nicht geplant, obgleich die Ausgestaltung des nächtlichen und wochenendlichen Bereitschaftsdienstes allein in Strafsachen Mehraufgaben im Umfang von über 6 richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Pensen bedeutet. Derzeit berät der Vorstand darüber, wie hierauf zu reagieren ist. Angesichts der desaströsen Finanzlage der FHH ist mit einer Stellenvermehrung kaum zu rechnen. Ob ein individueller „Nachtzuschlag“, wie er für j e d e n  „Nachtarbeiter“ üblich ist, rechtlich möglich ist, bedarf vertiefter Prüfung. Wegen der strengen Gesetzesbindung der Besoldung wäre wohl eine Änderung des Besoldungsrechts notwendig. Ein politischer Wille zu einer etwaig notwendigen Änderung des Besoldungsrechts steht jedenfalls nicht zu erwarten. Die Arbeitszeitverordnung ist unmittelbar nur auf Staatsanwälte und nicht auf Richter anwendbar, zeigt aber auf, dass ein nächtlicher Bereitschaftsdienst jedenfalls kaum von einem regulären Dienst am Folgetag begleitet werden dürfte.

 

Der Vorstand des Richtervereins hat diesbezüglich an den Senator geschrieben und wird Sie auf dem Laufenden halten.

 

Marc Tully