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Stolperstein für den Richter Franz Daus

- Ergebnisse neuer Recherchen -

Seit August 2006 liegen vor dem Ziviljustizgebäude neun Stolpersteine für Hamburger Richter und Staatsanwälte, die wegen ihrer jüdischen Herkunft Opfer des Nationalsozialismus geworden sind (MHR 3/2006, 3). Einer dieser Steine ist dem Richter Franz Daus gewidmet. Als Verfolgungsschicksal ist auf dem Stein eingraviert:

Verhaftet in Norwegen 1942

KZ Sachsenhausen

In meiner kurzen Biographie zu Franz Daus (MHR 3/2006, 4) ist dazu zu lesen: „Im November 1939 flüchtete er zu Freunden nach Norwegen. Dort wurde er im Rahmen der so genannten Judenaktion im Oktober 1942 von der Gestapo verhaftet und kurz darauf in das KZ Sachsenhausen deportiert, wo er vermutlich – wie die meisten aus Norwegen deportierten Juden – in den Gaskammern ermordet wurde.“

Die Annahme, dass Franz Daus in das KZ Sachsenhausen deportiert worden ist, basierte auf Angaben in einer Wiedergutmachungsakte und eines Zeitzeugen, die auch anderen Forschungsergebnissen zugrunde lagen (z.B. Ausstellung „Viermal Leben – Jüdisches Leben in Blankenese“, Familie Trede, 2004)[1]. Eine zur Verifizierung gestellte Anfrage bei der Gedenkstätte Sachsenhausen blieb ergebnislos, da – so die Auskunft vom 12.05.2006 – fast alle Akten der Kommandantur des KZ Sachsenhausen einschließlich der Häftlingskartei von der SS im Frühjahr 1945 vernichtet wurden. Neue Recherchen haben nun ergeben, dass Franz Daus nicht nach Sachsenhausen, sondern nach Auschwitz deportiert und dort am 22.12.1942 umgebracht worden ist:

Franz Daus, der im November 1939 aus Deutschland zu Freunden in Norwegen geflüchtet war, wurde am 26.10.1942 von der Gestapo in seinem damaligen Wohnort Bergen (Norwegen) verhaftet und in das Internierungslager Berg in der Nähe von Oslo verbracht. Am 25.11.1942 teilte der Gestapo-Chef von Oslo Helmuth Reinhardt der Staatspolizeileitstelle Stettin telegrafisch mit, dass „am 26.11.1942 ein Schiffstransport von ungefähr 7-900 männlichen und weiblichen Juden in allen Altersstufen von Oslo nach Stettin durchgeführt werden wird. (...) Die Juden sollen nach Auschwitz verbracht werden.“ Tatsächlich wurden am 26.11.1942 532 jüdische Gefangene, darunter 188 Frauen und 42 Kinder, in Oslo von der SS an Bord des von der deutschen Kriegsmarine als Transportschiff requirierten Frachtschiffes Donau gebracht. Unter ihnen befand sich auch Franz Daus. Am 30.11.1942 bescheinigte ein Kriminalsekretär der Staatspolizeileitstelle Stettin die Übernahme von „532 Juden aus Norwegen“. Sie wurden sofort mit Güterzügen weiter nach Auschwitz transportiert, wo sie am nächsten Tag ankamen. Wieder wurde ihre Übernahme schriftlich bestätigt, diesmal von einem SS-Obersturmführer der Kommandantur des Konzentrationslagers Auschwitz[2]. 186 Männer wurden für arbeitsfähig befunden und als Häftlinge registriert. Alle Übrigen wurden sofort in die Gaskammern selektiert.

Franz Daus, als Häftling Nr. 79096 registriert, starb in Auschwitz am 22.12.1942. Auf seiner Sterbeurkunde[3] mit der Nr. 45406/1942 ist als Todesursache „Herzschwäche bei Phlegmone“ angegeben. Dies war eine der Krankheiten, die auf einer Liste „Verteilung von Krankheiten“ zusammengestellt waren, aus der die Schreiber der Sterbeurkunden die Todesursache auszuwählen hatten, um die wahren Umstände des Todes der Auschwitz-Häftlinge zu verschleiern.

 

Heiko Morisse


[1] Weder im Hamburger Gedenkbuch „Hamburger Jüdische Opfer des Nationalsozialismus“ (Hamburg 1995) noch im Gedenkbuch des Bundesarchivs „Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 (2. Aufl., Koblenz 2006) ist Franz Daus genannt.

[2] Sowohl das zitierte Fernschreiben wie die beiden Übergabeprotokolle sind abgedruckt bei Kristian Ottosen, I slik en Natt. Historien om deportasjonen av jøder fra Norge, Oslo 2005.

[3] Eine Kopie hat mir das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau freundlicherweise am 26.10.2009 überlassen.