(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/09, 9) < home RiV >

 

 Richterassistenz

- Drei Bundesländer werden aktiv -

 

Das „Ferngespräch“ von Hamburg nach Norderstedt, das noch 1994 eine Vermittlung durch die nur bis 16.00 Uhr besetzte Telefonzentrale erforderte, kann der Richter heute ohne solche Unterstützung führen. Das ist sicher erfreulich. Mehr oder weniger schleichend haben die Richterinnen und Richter in den vergangenen Jahren (Jahrzehnten) aber verschiedene weitere Tätigkeiten übernommen, die zuvor den Beschäftigten des einfachen oder mittleren Dienstes vorbehalten waren. Ob dies abzulehnen oder zu begrüßen ist, lässt sich vielfach nicht so eindeutig beantworten, wie bei der Einführung des „Selbstwähl-Fern­gespräches“. Man denke nur an das Absetzen der Entscheidungen: Während vor allem ältere Kolleginnen und Kollegen gern das Diktiergerät benutzen und es als Zumutung empfinden, auch nur kürzere Texte selbst in den PC zu schreiben, haben viele jüngere Kollegen eine gewisse Scheu vor der Arbeit mit dem Diktiergerät, da sie es gewohnt sind, den Text an der Tastatur entstehen zu lassen. Sie übernehmen damit ohne Murren die Aufgaben einer Schreibkraft.

Wie auch immer: Ein Trend, dass Richterinnen und Richter immer mehr selber machen und machen müssen, lässt sich feststellen. Die Justizministerien der Länder Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen haben nun - gegenläufig - eine Initiative zur Schaffung einer „Richterassistenz“ ergriffen. Hinter einer „Richterassistenz" können unterschiedliche Konzepte stehen:

·     Man kann an einen ausgebildeten Juristen mit Hochschul- (oder zumindest Fachhochschul-) Studium denken, der selbständig Urteilsentwürfe fertigt und die Entscheidungen des Richters/der Richterin umsetzt, ähnlich wie im Verhältnis Chefarzt – Assistenzarzt. Eine sehr komfortable Sache, die in manchen europäischen Ländern Wirklichkeit ist, beispielsweise in der Schweiz, Portugal oder Serbien. (Variante 1)

·     Man kann auch an eine Aufwertung der Geschäftsstellentätigkeit denken, in dem Sinne, dass dem Richter/der Richterin Verfügungen vorbereitet werden oder dass beispielsweise die Terminierung der Geschäftsstelle übertragen wird (wie beim Arzt der Arzthelferin). (Variante 2)

·       Wenn es um die Entlastung des Richters von PKH- und Kostenentscheidungen geht, nähern sich die beiden Konzepte an, denn insoweit dürfte jedenfalls die Qualifikation eines Rechtspflegers erforderlich sein. (Variante 3)

Die Initiative der Justizministerien der genannten drei Bundesländer geht über die Varianten (2) und (3) bisher nicht hinaus. In den drei Bundesländern sind hierzu Fragebögen an die Richterschaft verteilt worden. Abgefragt wurde, welche von zahlreichen einzeln aufgelisteten Arbeitsschritten nach Ansicht der Richterkolleginnen und -kollegen auf die Serviceeinheiten verlagert werden könnten. Die Auswertung der Umfrage ist bisher nicht veröffentlicht worden.

Angesichts der Bedeutung des Themas hat der Deutsche Richterbund die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beschlossen. Der Arbeitsgruppe gehören Kolleginnen und Kollegen aus Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg (Verfasser) und Nordrhein-Westfalen an, die den Bereich der Straf-, Zivil- und Fachgerichtsbarkeit abdecken sollen. Aus Hamburger Sicht ist insoweit anzumerken, dass das Finanzgericht Hamburg bereits zum 1.7.2008 ein Projekt „Richterassistenz“ umgesetzt hat. Zu zehn verschiedenen Verfahrensschritten ist dort durch Verfügung des Präsidenten das Handeln der Geschäftsstelle geregelt worden, unter teilweisem Verzicht auf die Vorlage der Akte bei dem Vorsitzenden oder Berichterstatter. Ferner können die Finanzrichterinnen und –richter durch Steuersachbearbeiter in ihrer Tätigkeit unterstützt werden. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat das Amtsgericht Barmbek ebenfalls für eine Vielzahl von Verfahrensschritten eine generell gültige Verfügung vorbereitet, die allerdings von dem oder der Vorsitzenden individuell gestaltet werden kann.

Die Arbeitsgruppe des Richterbundes hat im September in Berlin getagt. Ziel ist die Erarbeitung eines Positionspapiers, damit der Deutsche Richterbund zu diesem sensiblen Thema fundiert Stellung nehmen kann. Über die Ergebnisse werde ich weiter berichten.

 

Niels Focken