(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/09, 14) < home RiV >

Gesetzes-Outsourcing

 

Otto Schily leitete als damaliger Innenminister den Austausch von Mitarbeitern zwischen Behörden und Unternehmen ein. Bei der Durchführung kam es wiederholt vor, dass Interessenvertreter der Wirtschaft an Gesetzesentwürfen mitgewirkt haben, und zwar nicht als von außen Ratschläge gebende Lobbyisten, sondern aus dem Inneren der Ministerien heraus, in denen sie nun ja Mitarbeiter waren[1]. Dem Parlament, dem diese Gesetzesentwürfe vorgelegt wurden, war dies nicht erkennbar.

Begünstigt worden war der Einsatz von Lobbyisten in der ministeriellen Gesetzesvorbereitung sicherlich durch eine für die Aufgaben zu knappe Personaldecke in den Ministerien, was zugleich eine inhaltliche Kontrolle der von den internen Lobbyisten gefertigten Ergebnisse durch normale Ministerialmitarbeiter erschwert hat.

Außerdem: Wenn man es schon nicht schafft, die ständig beklagte Gesetzesflut geordnet einzudämmen[2], dann sollte man wenigsten die natürlichen Grenzen der Personalressourcen als Grenzen auch für Gesetzesvorhaben akzeptieren.

Vor einem Jahr hat die Bundesregierung den Einsatz von Beschäftigten aus der Privatwirtschaft begrenzt, nachdem Mitarbeiter der Deutschen Börse AG im Bundesfinanzministerium an Gesetzen für den Kapitalmarkt gebastelt hatten und der Bundesrechnungshof daraufhin verlangt hatte, Abgesandte aus Unternehmen und Verbänden dürften nicht mehr länger als sechs Monate im Ministerium bleiben; auch sollten sie keine Leitungs- oder Kontrollfunktionen ausüben[3].

Nun hat Bundeswirtschaftsminister Guttenberg (CSU) die unzureichenden innerministeriellen Ressourcen auf anderem Wege zu überwinden versucht. Die Fertigung eines Entwurfs des „Gesetzes zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes“ zur Hilfe für kriselnde Banken hat er extern vergeben[4], und zwar an die Anwaltskanzlei Linklaters[5]. Zu den Kunden dieser Kanzlei zählen auch angeschlagene Finanzinstitute wie die IKB[6]. Auch die Zuarbeit für das Akkreditierungsstellengesetz, mit dem eine hoheitliche Aufgabe auf eine privatrechtliche GmbH übertragen wurde, vergab er an diese Kanzlei (die SPD-Opposition spricht deshalb von einer „Privatisierung der Privatisierung“).

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ließ seine beiden Gesetze zur Rettung des Bankensektors rund um den Jahreswechsel von der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer ausarbeiten und das Innenministerium hatte die Prüfung dieser Paragraphenwerke der Anwaltskanzlei Hengeler Mueller überantwortet[7]. Das Justizministerium, das diese Praxis zu Recht kritisiert, hat selber Anwälte ins Ministerium geholt, um bei einer Reform des Aktienrechts mitzuhelfen (Kanzleien Nörr Stiefenhofer Lutz – RA Schütz für das UMAG - sowie Linklaters)[8].

Der Sprecher der Bundesregierung Wilhelm verwies darauf, dass die „Einbindung“ externer Berater gängige Praxis sei; die Grenze sei, „dass natürlich nicht die externen Experten sich selbst interessensgerecht einen Gesetzentwurf schreiben“[9].

Sogar die FDP - die sonst immer für die Privatisierung öffentlicher Aufgaben eintritt - hat gegen die Fremdvergabe von Gesetzesentwürfen Bedenken angemeldet; dies allerdings mit der Begründung, es bestehe die Gefahr des Einfließens fremder Interessen[10]. Diese Gefahr ist bei der Einschaltung von Rechtsanwälten allerdings schon mal tendenziell etwas geringer als beim o.g. versteckten internen Lobbyismus und ließe sich noch weiter verringern, wenn gegenüber dem Parlament die Beteiligung der zu benennenden Kanzlei offen gelegt würde, so dass theoretisch die Parlamentarier Interessenkonflikte, zu deren Offenbarung im Übrigen auch die Anwälte selber berufsrechtlich verpflichtet sind, recherchieren könnten. Darum ist es richtig, wenn die BMJ Zypries fordert, dass auf dem Vorblatt von Gesetzentwürfen in Zukunft für jeden nachvollziehbar offen gelegt werden sollte, welche externen Berater an der Erarbeitung beteiligt waren[11], denn aus der von der Regierung dem Haushaltsausschuss vorzulegenden Bericht über externe Mitarbeiter in den Ministerien geht dies nicht hervor.

Und auch wenn das Gesetzes-Outsourcing etwas anderes als der oben beschriebene interne Lobbyismus ist, bleibt ein derartiges Outsourcing nicht ohne Bedenken. Dabei geht es vorliegend nicht um die finanziellen Aspekte derartiger Abläufe, für die der Bundesrechnungshof ein Eckpunktepapier verfasst hat[12]. Wie will ein Ministerium einen externen Gesetzesentwurf hinreichend prüfen, wenn doch das Personal fehlt?

Eine bloße Draufsicht genügt nicht. Ein anwaltlicher Gesetzentwurf ist schließlich etwas qualitativ völlig anderes als eine anwaltliche Beratung[13] eines Ministeriums oder als ein anwaltlicher Schriftsatz. Ein Schriftsatz behandelt einen bereits stattgefundenen Sachverhalt und ist deshalb relativ einfach zu überprüfen. Demgegenüber ist ein Gesetzentwurf das Ergebnis eines Gedankenganges zur Aufstellung von Regeln für die Zukunft. Dabei sind möglichst viele Eventualitäten zu bedenken. Manche dieser Eventualitäten werden erst während der kreativen Phase des Nachdenkens offenbar. Manche dieser Eventualitäten verwirft der Nachdenkende sofort wieder, ohne dass dies dokumentiert wird. Und schon hat das Gesetz eine gewisse Richtung bekommen, die von außen überhaupt nicht bemerkbar ist. Die darin liegenden Gefahren werden deshalb auch nicht dadurch vermieden, dass das Aggregat des kreativen Entwicklungsprozesses, also der Gesetzesentwurf, später vom Ministerium und dem Parlament gelesen wird. Ein Gesetzestext gibt den seiner konkreten Ausgestaltung zugrunde liegenden Gedankengang ebenso unzureichend wieder wie die Gesetzesbegründung. Auch wenn der erste Entwurf noch zum Referentenentwurf und sodann zum Regierungsentwurf werden muss und bis zu seiner Verabschiedung noch diverse Stellungnahmen eingeholt werden: spätere Änderungen bleiben in der Regel punktuell und lassen die geistige Grundleistung unangetastet und bisweilen ungeprüft. Diese geistige Grundleistung sollte man nicht auslagern. Doch wie sagte schon Otto von Bismarck: Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie. Aber dank der Presse wissen sie es nun.

 

Wolfgang Hirth


[1] Adamek/Otto, Der gekaufte Staat, Köln 2008

[2] vgl. zum Fortschritt bei der Rechtsbereinigung BT-Drs. 16/13825 vom 22.07.2009

[3] Jahn/Mihm, „Über Gesetze entscheiden Politiker selbst“, FAZ 14.08.2009

[4] Das Wirtschaftsministerium wies den Vorwurf, das komplette Gesetz sei von den externen Beratern erarbeitet worden, zurück (Netzeitung 13.08.2009); dagegen sagte BMF Steinbrück der Rhein-Neckar-Zeitung, Guttenberg habe „zu hundert Prozent den externen Sachverstand ungeprüft übernommen und in die Öffentlichkeit geschossen“ (Financial Times Deutschland 15.08.2009).

[5] Spiegel-Online 07.08.2009. Zuständiger Sachbearbeiter war Jan Enders aus der Berliner Filiale (FAZ 15.08.2009).

[6] Netzeitung 13.08.2009

[7] FAZ 13.08.2009

[8] Spiegel-online 13.08.2009

[9] ZEIT-newsticker 12.08.2009

[10] Netzeitung 13.08.2009

[11] Financial Times Deutschland 28.08.2009

[12] „Eckpunkte für den Einsatz externer Berater durch die Bundesverwaltung“, Bundesrechnungshof 29.01.2007

[13] Für externe Beratung - Begutachtung, wissenschaftliche Begleitung oder auch die Mithilfe von Anwälten bei der Formulierung von Gesetzestexten - gab die Bundesregierung im Jahre 2008 mindestens 39,75 Mio. € aus (Financial Times Deutschland 15.08.2009).