(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/09, 31) < home RiV >

     Was damals Recht war …

 

Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht

- Ausstellung vom 06.07. bis 08.08.2009 -

Unsere Ehrenvorsitzende Inga Schmidt-Syaßen hat in MHR 1/2009, 29 f. die von der Berliner „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ erarbeitete Wanderausstellung „Was damals Recht war ... Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“ schon vorgestellt. Auf diese Ausführungen soll hier zunächst verwiesen werden.

 

Der Wehrmachtsjustiz, also der 1933 wieder gegründeten Sonderstrafgerichtsbarkeit insbesondere für Taten von Angehörigen des Militärs, gehörten von 1933 bis 1945 mehr als 3000 Juristen an. Viele dieser Juristen, die in den drei Teilstreitkräften der Wehrmacht als Ankläger oder Richter dienten, hatten ihre Ausbildung noch im Kaiserreich erhalten, und die meisten hatten schon in der Weimarer Republik gearbeitet, sehr oft als Staatsanwälte oder Richter. Dennoch wurde die Wehrmachtsjustiz schnell zu einem außerordentlich effektiven Terrorinstrument des Unrechtsregimes. Die Wehrmachtsgerichte verhängten nach scharfen Sondergesetzen drakonische Strafen gegen ihre Angeklagten, darunter in den wenigen Jahren ihrer Tätigkeit etwa 30.000 Todesurteile, von denen circa zwei Drittel vollstreckt wurden. Nach dem Krieg kehrten viele der Wehrmachtsrichter oder -ankläger in die deutsche Justiz oder die öffentliche Verwaltung zurück, andere bekleideten maßgebliche Posten in der Wirtschaft, der Wissenschaft oder anderen Bereichen der Gesellschaft.

 

Während die Wehrmacht und ihre Rolle im NS-Staat schon längere Zeit Gegenstand der Forschung und der öffentlichen Diskussion sind, widmet sich die Wissenschaft erst in neuerer Zeit auch speziell der Wehrmachtsjustiz. In der vom Hamburger Institut für Sozialforschung erarbeiteten Ausstellung „Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ und ihrer Folgeausstellung wurde die Wehrmachtsjustiz noch nicht behandelt. Sie wird nur hin und wieder vorübergehend Gegenstand der öffentlichen Diskussion, etwa wenn im Bundestag über die noch nicht erfolgte Rehabilitierung der so genannten „Kriegsverräter“ entschieden werden soll. Zu diesem wenig bekannten Kapitel der deutschen Rechtsgeschichte will die „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ mit ihrer Wanderausstellung aufklärend wirken. Die derzeit noch in Bremen gezeigte Ausstellung wird am 06.07.2009 bei uns in Hamburg eröffnet, und zwar um 18:00 Uhr im Foyer der Universität.

 

Zu der Ausstellung ist ein wissenschaftliches Begleitprogramm erarbeitet worden. Durch Vorträge in der Grundbuchhalle oder in Räumen der Universität werden einzelne Themen ergänzend aufgegriffen oder weiter vertieft. Folgende Abendveranstaltungen wird es geben:

 

Mo., 06.07.2009, 18:00 Uhr,

Universität, Westflügel, Foyer:

Eröffnung durch den Präses der Justizbehörde, Herrn Dr. Till Steffen, die Präsidentin der Universität, Frau Prof. Dr. Monika Auweter-Kurtz, und den Projektleiter der Ausstellung, Herrn Dr. Ulrich Baumann; anschließend Zeitzeugenbericht von Herrn Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz e.V., Bremen

 

Di., 07.07.2009, 18:00 Uhr,

Grundbuchhalle:

Dr. jur. Gerd Hankel, Hamburger Institut für Sozialforschung/Forum Justizgeschichte e.V.

„Die Wehrmachtsjustiz und ihre Aufarbeitung nach 1945“

 

Do., 09.07.2009, 18:00 Uhr,

Universität, ESA K:

Uwe Timm, München, Lesung „Die Entdeckung der Currywurst“

 

Di., 14.07.2009, 18:00 Uhr,

Grundbuchhalle:

Dr. Detlef Garbe und Herbert Diercks, beide KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg:

„Desertion, Verweigerung und andere Widerstandsformen in der Wehrmacht – Hamburger Fallbeispiele“

 

Do., 16.07.2009, 18:00 Uhr,

Universität, ESA B:

Dr. phil. Hans-Peter Klausch, Oldenburg:

„Bestrafte Wehrmachtsangehörige im KZ Neuengamme“

 

Sa., 18.07.2009, 15:00 Uhr,

KZ-Gedenkstätte Neuengamme:

Führung mit Bezug zur Ausstellung durch den Leiter der Gedenkstätte, Herrn Dr. Detlev Garbe (mit Anmeldung)

 

Di., 21.07.2009, 18:00 Uhr,

Grundbuchhalle:

Dr. Elisabeth Chowaniec, Oberkirchenrätin, Hamburg: „Der Fall Hans von Dohnanyi“

 

Do., 23.07.2009, 18:00 Uhr,

Universität, ESA K:

Dr. Michael Berger, Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam: „Entrechtet, verfolgt, ermordet – Jüdische Frontsoldaten des ersten Weltkrieges in der Shoah“

 

Di., 28.07.2009, 18:00 Uhr,

Grundbuchhalle:

Dr. Claudia Bade, Dokumentations- und Informationszentrum Torgau/Schloss Hartenfels (Stiftung Sächsische Gedenkstätten):

„Das NS-Richterproblem. Karrieren und Rechtfertigungen Hamburger Wehrmachtsrichter im ´Dritten Reich´ und in der Nachkriegszeit“

 

Do., 30.07.2009, 18:00 Uhr,

Universität, ESA K:

Dr. med. Christiane Rothmaler, Ärztin, Hamburg: „ ... weil ich Angst hatte, dass er erschossen wird. Frauen und Deserteure“

 

Di., 04.08.2009, 18:00 Uhr,

Grundbuchhalle:

Jürgen Aßmann, Staatsanwalt, Hamburg, z.Zt. Khmer-Rouge-Tribunal, Phnom Penh, und Dr. Gerd Hankel, Hamburger Institut für Sozialforschung/Forum Justizgeschichte e.V.:

„Vom Kriegsvölkerrecht der Vergangenheit zum humanitären Völkerrecht der Gegenwart“

 

Do., 06.08.2009,

Universität, Philosophenturm Hörsaal C:

Prof. Dr. Knut Hickethier, Universität Hamburg, Institut für Medien und Kommunikation:

„Kriegsgericht - Die Wehrmachtsjustiz im Film. Die Auseinandersetzung in der Bundesrepublik und in der DDR (Vortrag mit Fallbeispielen)“

Anschließend Vorführung des Films „Rosen für den Staatsanwalt“ (Regie: Wolfgang Staudte).

 

Führungen durch die Ausstellung werden angeboten. Zur erforderlichen Anmeldung wird es noch nähere Hinweise geben.

 

Dr. phil Ulrich Baumann und Dr. phil. Magnus Koch von der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ haben zur Ausstellung einen 264 Seiten langen Katalog herausgegeben, in dem sich neben den Herausgebern acht weitere Autorinnen und Autoren mit sehr interessanten Einzelbeiträgen zum Thema Wehrmachtsjustiz äußern. Der Katalog trägt den Titel der Ausstellung, ist im be.bra-verlag, Berlin, erschienen und kostet Euro 19,90 (ISBN 978-3-89809-079-7).

 

Zur Ausstellung wird im Auftrag der Justizbehörde im Juni ein Faltblatt mit genauen Hinweisen für alle Veranstaltungen erscheinen und öffentlich ausgelegt. Ferner wird für die Ausstellung mit Plakaten öffentlich geworben. Die Plakate werden auch in der Justiz ausgehängt. Es ist geplant, das Ausstellungsprogramm auch in das Internet zu stellen.

 

Udo Löhr