(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/09, 3) < home RiV >
Eine Arbeitsgruppe des Hamburgischen Richtervereins hat Vorarbeiten des Deutschen Richterbundes zur Selbstverwaltung auf Hamburger Verhältnisse angepasst und zum Zwecke der Diskussion folgenden Entwurf verfasst (Stand 30.03.2009; vom Abdruck des Inhaltsverzeichnisses wurde aus Platzgründen abgesehen). (Graphik)
(Red.)
Landesgesetzentwurf zur Selbstverwaltung der Justiz
Abschnitt 1: Allgemeines
§ 1 Selbstverwaltung der Justiz
(1) Die Gerichte und Staatsanwaltschaften ordnen ihre Verwaltung gemeinsam in eigener Verantwortung. Zu diesem Zweck werden ein Justizwahlausschuss und ein Justizverwaltungsrat gebildet.
(2) Die Befugnisse des Richterwahlausschusses nach Art. 63 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg bleiben unberührt.
Abschnitt 2: Justizwahlausschuss
§ 2 Zusammensetzung
Dem Justizwahlausschuss gehören an
1. die Präsidentin oder der Präsident der Bürgerschaft als Vorsitzende oder Vorsitzender,
2. neun weitere Mitglieder der Bürgerschaft (parlamentarische Mitglieder),
3. drei Richterinnen oder Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie jeweils eine Richterin oder ein Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit (richterliche Mitglieder),
4. zwei Staatsanwältinnen oder Staatsanwälte (staatsanwaltliche Mitglieder) und
5. eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt (rechtsanwaltliches Mitglied) mit beratender Stimme.
§ 3 Wahl der Mitglieder
(1) Zu Beginn jeder Wahlperiode der Bürgerschaft, spätestens sechs Wochen nach ihrem ersten Zusammentritt, wählt die Bürgerschaft mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen die parlamentarischen Mitglieder sowie für jedes Mitglied eine Vertreterin oder einen Vertreter.
(2) Die Richterinnen und Richtern einer jeden Gerichtsbarkeit wählen die richterlichen Mitglieder, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte die staatsanwaltlichen Mitglieder jeweils aus ihrer Mitte in unmittelbarer und geheimer Wahl. Für jedes Mitglied wird eine Vertreterin oder ein Vertreter gewählt. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereint. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Das Wahlverfahren wird durch eine Rechtsverordnung geregelt, die vom Senat nach Anhörung des Justizverwaltungsrats erlassen wird.
(3) Wahlberechtigt nach Absatz 2 ist, wer für die Wahl des Präsidiums nach § 21b Absatz 1 Satz 1 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975, zuletzt geändert durch Art. 22 des Gesetzes vom 17.12.2008, oder für die Personalvertretung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gemäß § 11 Hamburgisches Personalvertretungsgesetz in der Fassung vom 16.1.1979 Gesetz wahlberechtigt ist. Wählbar sind wahlberechtigte Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die zumindest fünf Jahre zuvor auf Lebenszeit ernannt wurden.
(4) Das rechtsanwaltliche Mitglied sowie seine Vertreterin oder sein Vertreter werden von der Rechtsanwaltskammer aus dem Kreis ihrer Mitglieder entsandt.
§ 4 Amtszeit
(1) Die parlamentarischen Mitglieder werden für die Dauer der Wahlperiode der Bürgerschaft gewählt. Die Amtszeit der richterlichen und staatsanwaltlichen Mitglieder sowie des rechtsanwaltlichen Mitglieds beträgt fünf Jahre.
(2) Vor Ablauf der Amtszeit scheidet ein Mitglied aus, wenn die Voraussetzungen für seine Wählbarkeit oder Entsendung entfallen oder es gegenüber der oder dem Vorsitzenden schriftlich auf das Amt verzichtet. Ein parlamentarisches Mitglied scheidet zudem mit der Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers aus.
(3) Absätze 1 und 2 gelten für die Vertreterinnen und Vertreter entsprechend.
(4) Scheiden ein richterliches oder staatsanwaltliches Mitglied und seine Vertreterin oder sein Vertreter mehr als ein Jahr vor Ende der Amtszeit aus, findet für die verbleibende Amtszeit eine Nachwahl statt.
§ 5 Rechtsstellung der Mitglieder
Die Mitglieder des Justizwahlausschusses sind bei der Wahrnehmung ihres Amtes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen.
§ 6 Ausschluss von Mitgliedern
(1) Ein Mitglied ist von der Mitwirkung ausgeschlossen, wenn einer der Ausschlussgründe des § 41 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005, zuletzt geändert durch Art. 29 des Gesetzes vom 17.12.2008, vorliegt. Ein richterliches oder staatsanwaltliches Mitglied ist von der Mitwirkung auch ausgeschlossen, solange es vorläufig seines Dienstes enthoben oder ihm die Führung seiner Amtsgeschäfte vorläufig untersagt ist. Das rechtsanwaltliche Mitglied ist von der Mitwirkung auch ausgeschlossen, solange ein Vertretungs- oder Berufsverbot besteht. Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes ist der oder dem Vorsitzenden unverzüglich anzuzeigen.
(2) Im Übrigen schließt die Besorgnis der Befangenheit von der Mitwirkung im Justizwahlausschuss aus.
(3) Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes ist der oder dem Vorsitzenden unverzüglich anzuzeigen. Über den Ausschluss entscheidet der Justizwahlausschuss ohne das betroffene Mitglied.
§ 7 Vertretung
(1) Die oder der Vorsitzende wird durch die Vertreterin oder den Vertreter als Präsidentin oder Präsidenten der Bürgerschaft vertreten.
(2) Ist ein Mitglied an der Ausübung seines Amtes gehindert, von der Mitwirkung ausgeschlossen oder scheidet es vorzeitig aus, tritt seine Vertreterin oder sein Vertreter an seine Stelle. § 4 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Verhinderung ist der oder dem Vorsitzenden unverzüglich anzuzeigen.
§ 8 Aufgaben
(1) Der Justizwahlausschuss wählt die Mitglieder des Justizverwaltungsrats und die Justizpräsidentin oder den Justizpräsidenten.
(2) Der Justizwahlausschuss entscheidet in den Fällen des § 16 Absatz 1 Satz 2, wenn zwischen dem Justizverwaltungsrat und der zuständigen Personalvertretung keine Einigung erzielt werden kann.
(3) Für die Zeit ihrer Mitgliedschaft übt die oder der Vorsitzende des Justizwahlausschusses die ausschließliche Dienstaufsicht über die Mitglieder des Justizverwaltungsrats aus.
§ 9 Verfahren
(1) Der Justizwahlausschuss ist beschlussfähig, wenn jeweils mindestens die Hälfte seiner stimmberechtigten Mitglieder anwesend ist. Darunter müssen mindestens fünf Mitglieder der Bürgerschaft sein.
(2) Entscheidungen bedürfen der Mehrheit der Stimmen aller anwesenden Mitglieder sowie der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder der Bürgerschaft.
(3) Für das parlamentarische Mitglied, dessen Wahl nicht gemäß § 3 Absatz 1 zustande kommt, übt die Bürgerschaft das Stimmrecht aus.
(4) Der Justizwahlausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung. Die laufenden Geschäfte führt die oder der Vorsitzende.
Abschnitt 3: Justizverwaltungsrat
§ 10 Zusammensetzung
(1) Der Justizverwaltungsrat besteht aus fünf Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen oder Staatsanwälten. Nicht mehr als zwei Mitglieder dürfen derselben Gerichtsbarkeit oder den Staatsanwaltschaften angehören.
(2) Vorsitzende oder Vorsitzender des Justizverwaltungsrats ist die Justizpräsidentin oder der Justizpräsident.
§ 11 Wahl der Mitglieder und der Justizpräsidentin oder des Justizpräsidenten
(1) Die Mitglieder werden nach Ausschreibung vom Justizwahlausschuss gewählt Wählbar ist, wer in den Justizwahlausschuss gewählt werden kann. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.
(2) Die Justizpräsidentin oder der Justizpräsident wird vom Justizwahlausschuss aus der Mitte des Justizverwaltungsrats gewählt.
§ 12 Amtszeit
(1) Die Amtszeit der Mitglieder beträgt sechs Jahre.
(2) Vor Ablauf der Amtszeit scheidet ein Mitglied aus, wenn es abgewählt wird oder die Voraussetzungen für seine Wählbarkeit entfallen. Es ist unverzüglich eine Neuwahl durchzuführen.
(3) Der Justizwahlausschuss kann jederzeit eine neue Justizpräsidentin oder einen neuen Justizpräsidenten wählen. Dies führt nicht zum Ausscheiden der bisherigen Justizpräsidentin oder des bisherigen Justizpräsidenten aus dem Justizverwaltungsrat.
§ 13 Rechtsstellung der Mitglieder
Die Mitglieder des Justizverwaltungsrats sind bei der Wahrnehmung ihres Amtes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen. Sie sind für die Dauer ihrer Amtszeit von der Verpflichtung zu richterlicher und staatsanwaltlicher Tätigkeit freigestellt.
§ 14 Ausschluss von Mitgliedern
Für den Ausschluss eines Mitglieds gilt § 6 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle des Justizwahlausschusses der Justizverwaltungsrat tritt.
§ 15 Stellung und Aufgaben
(1) Der Justizverwaltungsrat ist die oberste Landesbehörde der Justizverwaltung. Er ist insbesondere für die innere Ordnung, die Personalangelegenheiten, soweit nicht dem Richterwahlausschuss vorbehalten, einschließlich der obersten Dienstaufsicht, die Haushaltsangelegenheiten und die Qualitätssicherung der Gerichte und Staatsanwaltschaften zuständig. Ausgenommen sind die Zuständigkeiten für die Juristenausbildung, für die Aufsicht über Anwaltsgerichte, Notare, Notar- und Rechtsanwaltskammern, für den Strafvollzug und für das Gnadenwesen.
(2) Im Rahmen seiner Zuständigkeit vertritt der Justizverwaltungsrat das Land.
(3) Der Justizverwaltungsrat unterrichtet die Bürgerschaft und den Senat regelmäßig über die Führung seiner Geschäfte.
(4) Der Justizverwaltungsrat ist in allen Rechtsetzungsverfahren zu den Auswirkungen auf die Justiz anzuhören.
(5) Die Mitglieder haben auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen des Justizwahlausschusses[1] teilzunehmen.
§ 16 Personalentscheidungen
(1) Der Justizverwaltungsrat entscheidet vorbehaltlich Art. 63 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg über die Ernennung, Versetzung, Rücknahme der Ernennung, Amtsenthebung und Entlassung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. Kommt keine Einigung mit der zuständigen Personalvertretung zustande, trifft der Justizwahlausschuss die Personalentscheidung.
(2) Der Justizverwaltungsrat wird ermächtigt, die Zuständigkeit für die entsprechenden Entscheidungen bei den weiteren Beamtinnen und Beamten und den Angestellten der Gerichte und Staatsanwaltschaften auf die Präsidentinnen und Präsidenten der Gerichte und die Behördenleiterinnen und Behördenleiter der Staatsanwaltschaften zu übertragen. Für die Beamtinnen und Beamten erfolgt dies durch Rechtsverordnung.
§ 17 Haushalt
(1) Der Justizverwaltungsrat stellt einen Voranschlag des Einzelplans für die Justiz auf und übersendet ihn der Finanzsenatorin oder dem Finanzsenator. Beabsichtigt der Senat, im Entwurf des Haushaltsplans von dem Voranschlag abzuweichen, ist dem Justizverwaltungsrat zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Weicht der Entwurf des Haushaltsplans von dem Voranschlag ab und hat der Justizverwaltungsrat der Abweichung nicht zugestimmt, so sind die Teile des Voranschlags, über die kein Einvernehmen erzielt worden ist, unverändert dem Entwurf des Haushaltsplans beizufügen.
(2) Der Justizverwaltungsrat verwaltet den Haushalt für die Justiz.
(3) Die Befugnisse des Landesrechnungshofs bleiben unberührt.
§ 18 Qualitätssicherung
Der Justizverwaltungsrat sichert die personellen, sachlichen und organisatorischen Grundlagen für die Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs. Er ist für angemessene Aus- und Fortbildungsangebote verantwortlich.
§ 19 Aufgaben der Justizpräsidentin
oder des Justizpräsidenten
(1) Die Justizpräsidentin oder der Justizpräsident vertritt den Justizverwaltungsrat nach außen.
(2) Die Justizpräsidentin oder der Justizpräsident hat das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen der Bürgerschaft und ihrer Ausschüsse teilzunehmen. Sie oder er muss jederzeit gehört werden.
§ 20 Verfahren
(1) Der Justizverwaltungsrat entscheidet mit der Mehrheit seiner Mitglieder.
(2) Der Justizverwaltungsrat gibt sich eine Geschäftsordnung. Die Geschäftsordnung kann vorsehen, dass bestimmte Geschäfte, ausgenommen die Entscheidungen nach § 16 Absatz 1 und § 17 Absatz 1, einzelnen Mitgliedern zur selbständigen Wahrnehmung übertragen werden.
Abschnitt 4: Schlussbestimmungen
§ 21 Verordnungsermächtigungen
(Das Verordnungsrecht soll im Bereich der Justizverwaltung auf den Justizverwaltungsrat übergehen. Von der Angabe aller entsprechenden Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts wird hier abgesehen.)
§ 22 Übergangsbestimmungen
(1) Die erste Amtsperiode des Justizwahlausschusses beginnt sechs Monate nach der Verkündung dieses Gesetzes.
(2) Bei dem erstmaligen Erlass der Rechtverordnung nach § 3 Absatz 2 Satz 5 sind anstelle des Justizverwaltungsrats die Berufsverbände der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte anzuhören.
(3) Bei der erstmaligen Wahl des Justizverwaltungsrats werden zwei Mitglieder abweichend von § 12 Absatz 1 für drei Jahre gewählt. Diese Mitglieder werden durch Losentscheid bestimmt.
§ 23 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft, soweit Absatz 2 nichts Abweichendes bestimmt.
(2) § 1 Satz 1, § 8 Absatz 2 und §§ 13 bis 21 treten am dem Tag in Kraft, an dem erstmalig alle Mitglieder des Justizverwaltungsrats gewählt sind. Der Tag des Inkrafttretens ist von der Landesregierung im Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt zu geben.
[1] Zu überlegen wäre, ob auch eine entsprechende Verpflichtung gegenüber dem Richterwahlausschuss aufzunehmen wäre. Das wäre wohl ohne Änderung des HambRiG nach dessen § 26 Abs. 1 Satz 3 möglich, der die Hinzuziehung anderer Personen zu den Sitzungen des Richterwahlausschusses zulässt. Die reziproke Befugnis – Teilnahmerecht der Justizpräsidentin oder des Justizpräsidenten an den Sitzungen des Richterwahlausschusses entsprechend der Gestaltung in § 19 Abs. 2 des vorliegenden Entwurfs – bedürfte dagegen einer Änderung des § 26 HambRiG.