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Stolpersteine vor dem Hamburger Ziviljustizgebäude

Stolpersteine

Pressemitteilung des Hamburgischen Anwaltvereins und des Hamburgischen Richtervereins

Feierliche Abschlussveranstaltung zur Verlegung des letzten Stolpersteines für jüdische Juristen, die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur wurden

Über 60 Stolpersteine wurden seit 2006 als Erinnerung an jüdische Juristen in Hamburg verlegt. Der Initiative des Hamburgischen Richtervereins schloss sich der Hamburgische Anwaltverein an, so dass aus der Gesamtheit der Spenden neben den zehn Gedenksteinen für die ermordeten Richter und Staatsanwälte vor dem Ziviljustizgebäude über 50 weitere Steine für jüdische Anwälte und ihre Angehörigen vor den ehemaligen Kanzleien und Wohnhäusern verlegt werden konnten.

Am Donnerstag, den 29.05.2008, fand anlässlich der Verlegung des letzten Stolpersteines die feierliche Abschlussveranstaltung in der Grundbuchhalle des Ziviljustizgebäudes statt.

Es begrüßten Gerhard Schaberg, Vorsitzender des Hamburgischen Richtervereins und Gerd Uecker, Vorsitzender des Hamburgischen Anwaltvereins. Dr. Heiko Morisse, Vorsitzender Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht und Autor des Buches „Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg in der NS-Zeit", erinnerte in seiner Rede daran, „dass 42 jüdische Richter und Rechtsanwälte Opfer der Shoa geworden sind, und mit ihnen viele Angehörige".

„Dem Hamburgischen Anwaltverein und dem Hamburgischen Richterverein war es ein wichtiges gemeinsames Anliegen, an die Opfer der Diktatur zu erinnern und ihnen durch die Stolpersteine vor dem Ziviljustizgebäude sowie vor den ehemaligen Kanzleien und Wohnhäusern ein Denkmal zu setzen", so Gerd Uecker, Vorsitzender des Hamburgischen Anwaltvereins und Gerhard Schaberg, Vorsitzender des Hamburgischen Richtervereins.     

Hintergrund:

Zum nationalsozialistischen „Programm" gehörte es, die in Deutschland lebenden Juden aus Justiz und Wirtschaft zu verdrängen. Eine der Zielgruppen: Jüdische Juristen, insbesondere Richter und Rechtsanwälte. In Hamburg waren im Frühjahr 1933 insgesamt 646 Rechtsanwälte zugelassen und 320 Richter tätig, rund ein Drittel der Rechtsanwälte und 48 Richter waren nach nationalsozialistischer Definition „jüdischer Herkunft" - und damit von der Verfolgung betroffen. Mit administrativen und gesetzlichen Maßnahmen wurde ihnen die Ausübung ihres Berufes immer mehr eingeschränkt und schließlich gänzlich verboten. Vielen gelang es zu emigrieren, von den Richtern und Rechtsanwälten, die blieben, sind zahlreiche in den Vernichtungslagern umgebracht worden.

Ausgegrenzt und verfolgt wurde auch der langjährige Vorsitzende des Hamburgischen Anwaltvereins, Dr. Richard Robinow (geboren am 14.06.1867 in Hamburg, gestorben am 16.11.1945 in London). Robinow war, neben seinem ehrenamtlichen Engagement in zahlreichen sozialen Einrichtungen, von 1895 bis zum Berufsverbot 1938 Rechtsanwalt in Hamburg. Anlässlich des Pogroms am 9./10.11.1938 wurde er im Alter von 71 Jahren verhaftet und im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Dem Rechtsanwalt und späteren ZEIT-Verleger, Dr. Gerd Bucerius, gelang es, seine Entlassung zu erwirken. Für Robinow war es trotzdem ein schwerer innerer Kampf, seine Heimat aufzugeben und 1939 gemeinsam mit seiner Frau Marie nach London zu emigrieren, wo er 1945 starb.

Als weiteres Einzelschicksal sei an den Richter Dr. Walter Rudolphi erinnert:

Walter Rudolphi wurde am 01.04.1920 zum Amtsrichter ernannt und 1926 zum Oberlandesgerichtsrat befördert und dem Strafsenat zugewiesen. Im September 1927 wurde er außerdem zum stellvertretenden Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts bestellt.

Curt Rothenberger, zunächst Justizsenator und später Oberlandesgerichtspräsident, war mit der Rechtsprechung des Strafsenats alles andere als zufrieden. Sie war ihm zu spitzfindig und zu liberal. Hierfür wurde auch Walter Rudolphi verantwortlich gemacht, der bereits Ende August 1933 auf Grund von § 6 des Berufsbeamtengesetzes in den Ruhestand versetzt wurde.

Am 01.07.1942 wurde Rudolphi wegen angeblicher Sabotage im KZ Fuhlsbüttel interniert und am 15.07.1942 nach Theresienstadt und von dort im Oktober 1943 weiter nach Auschwitz deportiert. Hier ist er am 30.10.1944 ermordet worden.