(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/08, 11 ) < home RiV >
Unser nordrhein-westfälischer Kollege Hans Wilhelm Hahn (VRiFG) hat mal wieder ganze Arbeit geleistet und mit seinem geballten Sachverstand eine 59seitige Studie[1] geschaffen, deren Zusammenfassung in der RiSta 1/2008, 7 veröffentlicht wurde. Auch wenn die Studie hinsichtlich des Landesrechts auf NRW abstellt, ist sie von großem bundesweitem Interesse, weshalb die Zusammenfassung hier in den MHR nachdruckt wird. Insoweit NRW-Besoldungsrecht zugrunde gelegt wird, ist auf die Anpassung an das jeweilige Länderrecht zu achten. Studien können geeignetes Material sein, wenn eine nicht amtsangemessenen Alimentierung geltend gemacht wird, denn das BVerfG hat eine Substanziierung verlangt, während die Oberverwaltungsgerichte die Substanziierungslast inzwischen teilweise der Verwaltung auferlegen.
(Wolfgang Hirth)
Zur Situation des Besoldungs- und Versorgungsrechts in NRW
I. Rechtliche Ausgangslage nach der Änderung der Gesetzgebungskompetenz durch Gesetz vom 28. 8. 2006
Neue Gesetzgebungskompetenz für das öffentliche Dienstrecht
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. 11. 2005 wurde eine Verfassungsreform vereinbart. Diese sieht eine Neuordnung der Kompetenzen zum Dienstrecht der Landesbeamten und Landesrichter zwischen dem Bund und den Ländern vor.
Zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes zählen nach Art. 73 I Nr. 8 GG – wie bisher – die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen. Die Rahmenkompetenz des Bundes für die Rechtsverhältnisse der Landes- und Kommunalbediensteten (Art. 75 I 1 Nr. 1 GG a. F.) ist entfallen; sie wurde durch die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ersetzt. Nach Art. 74 I 1 Nr. 27 GG hat der Bund nunmehr die Gesetzgebungskompetenz für „die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, der Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, der Besoldung und Versorgung.
Zwei wesentliche Punkte kennzeichnen die Reform für das öffentliche Dienstrecht:
Die Reföderalisierung der Beamtenbesoldung und -versorgung durch Art. 74 I 1 Nr. 27 GG, und
die Ergänzung des Art. 33 V GG um die Worte „und fortzuentwickeln“. Art. 33 V GG lautet nunmehr: „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“
Beschränkungen der Länderkompetenzen
Die Länder können im Rahmen ihrer neuen Kompetenzen allerdings nicht uneingeschränkt handeln. Eine Grenze ihrer Handlungsfreiheit folgt aus Art. 33 V GG, der den Ländern jedoch erhebliche Spielräume belässt. Weiter haben die Länder bei der Ausschöpfung ihrer Kompetenzen das aus Art. 20 I GG folgende Prinzip der wechselseitigen Bundestreue zu beachten.
II. Die Änderungen im Besoldungs- und Versorgungsrecht in den letzten 15 Jahren und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen
Seit Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts bleibt die besoldungsrechtliche Entwicklung bei den Richtern (und Beamten) weit hinter der Entwicklung der Preissteigerungsraten zurück. Im Bereich des Versorgungsrechts sind ebenfalls erhebliche Einschränkungen vom Gesetzgeber verfügt worden:
Die Bildung einer Versorgungsrücklage (§ 14 a BBesG): Bisher sind von den drei Besoldungs- und Versorgungsanpassungen, nämlich in den Jahren 1999, 2001 und 2002, Anpassungsreduzierungen in Höhe von jeweils 0,2 %-Punkte vorgenommen und die ersparten Aufwendungen dem Sondervermögen zugeführt worden.
Im Jahre 1999 wurde die Bezügeanpassung der Besoldung und Versorgung um zwei bzw. neun Monate (für höhere Besoldungsgruppen) ein weiteres Mal zeitlich verschoben.
Für das Jahr 2000 gab es infolge einer weiteren Verschiebung der Bezügeanpassung effektiv keine Besoldungserhöhung. Lediglich für die Besoldungsgruppen A1 bis A1 1 der Beamtenbesoldung wurde eine Einmalzahlung in Höhe von DM 400,– gewährt.
Im Jahr 2001 wurde das VersorgungsänderungsG 2001 vom Gesetzgeber verabschiedet. Für das Versorgungsrecht bedeutete dies einen erneuten Systemwechsel. Die wesentlichen Änderungen des Versorgungsreformgesetzes 2001 sind folgende:
1. Der Ruhegehaltssatz beträgt nunmehr für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit nur noch 1,79375 v. H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, insgesamt jedoch höchstens 71,75% (bisher: 1,875% = 75 v.H.).
2. Bei den vorhandenen Versorgungsempfängern, also denjenigen, die sich am 01.01.2002 bereits im Ruhestand befanden und bei denjenigen, bei denen der Versorgungsfall nach dem 31.12.2001 eintritt, bleibt es bei dem bisher geltenden Recht allerdings mit folgenden Maßgaben:
Bei den acht ab dem Jahr 2003 folgenden Versorgungsanpassungen wird die Erhöhung der Versorgungsbezüge in gleichen Schritten abgeflacht. Die Abflachung erfolgt durch einen so genannten Anpassungsfaktor, der z. B. für die erste Anpassung der Versorgungsbezüge eine Anpassung in Höhe von 0,99458 % vorsieht.
3. Das Witwengeld ist von 60 auf 55% (der Versorgungsbezüge des Versorgungsberechtigten) herabgesetzt worden. Das gilt grundsätzlich nur für nach dem 31. 12. 2001 geschlossene Ehen. Als Ausgleich wird ein Kinderzuschlag zum Witwengeld eingeführt, wonach sich das Witwengeld beim 1. Kind um zwei Entgeltpunkte und bei jedem weiteren Kind um einen Entgeltpunkt erhöht, was einer Ruhegehaltssatzerhöhung für die Witwe/Witwer von etwa 1 %-Punkt je Kind entspricht.
Effektive Kürzung der Dienstbezüge seit 1992 bis heute
In den Jahren 2003 und 2004 traten Erhöhungen der Besoldungs- und Versorgungsbezüge um 2,4% (2003) und um 1 % (1. 4.2004) und 1 weiteres Prozent (ab 1. 8. 2004) in Kraft. Gleichzeitig mit diesen Erhöhungsgesetzen trat aber im Bund und den Ländern eine Kürzung der Sonderzuwendungen (sog. Weihnachtsgeld) in Kraft.
Im wirtschaftlichen Ergebnis bedeuten die linearen Besoldungserhöhungen für die Jahre 2003 und 2004 und die gleichzeitige Absenkung der Sonderzahlungen einen faktischen ununterbrochenen Stillstand in der Anpassung der Bezüge bzw. eine echte Kürzung seit dem Jahr 2003.
In den Jahren 2005 bis 2007 sind keine linearen Anpassungen der Besoldungs- und Versorgungsbezüge vorgenommen worden. In den meisten Ländern, auch in NRW, sind vielmehr die Sonderzahlungen erneut abgesenkt worden. Seit dem 30. 11. 2006 beträgt die Sonderzahlung in der Richterbesoldung 30% der zustehenden Dezemberbezüge.
Diese Betrachtung führt zu folgenden wirtschaftlichen Ergebnissen:
1. Im Zeitraum vom 1992 bis 2007 sind die Besoldungs- und Versorgungsbezüge – bereinigt um die rechnerischen Wirkungen der zeitversetzten Anpassungen – um insgesamt 27,32 Prozentpunkte gestiegen.
Im gleichen Zeitraum betrug die Steigerung des Preisindexes nach Maßgabe der Angaben des Statistischen Bundesamtes 31,9 Prozentpunkte.
2. Bei der nominellen Erhöhung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge im Zeitraum 1992 bis 2007 ist die Absenkung der Sonderzahlungen bis einschließlich 2006 noch zu berücksichtigen. Dies führt – bezogen auf die R-Besoldung – zu einer Bezügekürzung in diesem Zeitraum von 4,87 %- Punkten.
Das bedeutet, dass in dem Zeitraum 1992 bis 2007 die Bezüge lediglich um 23,1 %-Punkte gestiegen sind, während der Preisindex sich in dem Vergleichszeitraum um 31,9%-Punkte erhöht hat. Gegenüber den Preissteigerungen nach dem Preisindex des Statistischen Bundesamtes sind also die Bezüge der Richter und Staatsanwälte um nahezu 40% zurückgeblieben.
Ein Vergleich mit der Einkommensentwicklung in der gewerblichen Wirtschaft in jüngerer Zeit, nämlich in den Jahren von 1992 bis 2005, zeigt deutlich das Zurückbleiben des Einkommens eines Richters (Besoldungs-gruppe R1, 35 Jahre, verheiratet, 2 Kinder) gegenüber den Arbeitnehmern außerhalb des öffentlichen Dienstes. Die Einkommensentwicklung z. B. für Angestellte im Bereich Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe weist eine Steigerung in diesem Zeitraum um 46% auf.
Die Besoldung des Richters stieg in dem Referenzzeitraum aber lediglich um 30,82 %, unter Berücksichtigung der gekürzten Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld) ab 2003 jedoch nur um 23,73 %. Die Preissteigerungen betrugen nach dem Index des Statistischen Bundesamtes für den Referenzzeitraum 31,9 Prozentpunkte (das ergibt eine Steigerung von 37%).
Die Richtergehälter haben damit in den letzten 15 Jahren mit der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung bei weitem nicht Schritt gehalten.
Entwicklung bei der privaten
Krankenversicherung und bei den Beihilfeleistungen für Richter und Beamte
Die Aufwendungen für die beihilfekonforme private Krankenversicherung sind seit 1993 enorm angestiegen, ohne dass der Dienstherr durch eine Anpassung der Besoldung diesem Umstand hinreichend Rechnung getragen hätte. Ein 35-jähriger Richter der Besoldungsgruppe R1 (verheiratet, 2 Kinder) zahlte für einen beihilfekonformen privaten Krankenversicherungstarif im Jahr 1993 einen monatlichen Betrag von 407,20 DM (DEBEKA-Tarif P30/20, Z 30, BE, gültig ab 1.10.1992). Im Jahr 2003 hatte ein vergleichbarer Richter (bei identischen Familienverhältnissen) einen monatlichen Krankenversicherungsbeitrag einschließlich des Pflegepflichtversicherungsbeitrags in Höhe von 352, 68 € = 689,78 DM zu entrichten (DEBEKA-Tarif P30, Z 30, BE, PVB, gültig ab 1.7.2002). Der monatliche Mehrbetrag für die private Absicherung der Krankheitskosten betrug mithin in dem Zeitraum von 10 Jahren 282,58 DM. Nahezu 70 % mehr muss also die Richterfamilie für ihre private beihilfekonforme Krankheitskostenversicherung monatlich aufwenden, was eine jährliche Mehrbelastung von 3.390,96 DM = 1.733,77 € bedeutet.
Zugleich ist die Belastung des Richters bei seinen Krankheitskosten für sich und seine Familie durch die Einführung einer Selbstbeteiligung (Kostendämpfungspauschale) bei der ergänzenden Leistung des Dienstherrn im Wege der Beihilfe weiter gestiegen. Der für Beamtenrecht zuständige 1. und der 6. Senat des OVG NW halten die seit dem Jahre 1999 den Richtern und Beamten auferlegte zusätzliche Belastung in Krankheitsfällen in ihrer jüngeren Rechtsprechung für unerträglich. Der 1. Senat des OVG NW vertritt die Auffassung, dass die Abverlangung der Kostendämpfungspauschale in der seit dem Jahre 2003 drastisch erhöhten Höhe rechtswidrig sei. Ein solcher kritischer Zustand sei 2003 erreicht worden. In jenem Jahr sei die Besoldung der Beamten/Richter von der allgemeinen Einkommensentwicklung greifbar abgekoppelt worden. Auslöser sei die Verringerung des sog. Weihnachtsgeldes auf bis zu 50 Prozent gewesen.
Die Auffassungen des 1. und 6. Senats des OVG NW werden gestützt durch die oben dargestellte Entwicklung der von den Richtern und Beamten zusätzlich aufzubringenden Beiträge für die 2. Säule der Krankheitskostenvorsorge (private Krankenversicherung). Dieses wechselseitige System zwischen der notwendigen Eigenvorsorge und der hierfür bereitzustellenden Besoldung ist durch den Anstieg der Beiträge für eine private Krankheitskostenteilversicherung von nahezu 70% in den letzten zehn Jahren völlig aus dem Gleichgewicht geraten.
Mittelbare Einkommensverluste
Um einen vollständigen Überblick über das maßgebliche, dem Richter und Beamten zur Verfügung stehende Nettoeinkommen zu erhalten, dürfen die sonstigen Maßnahmen des Gesetzgebers, die das zur Verfügung stehende Einkommen schmälern, nicht außer Betracht bleiben.
Besonders erwähnenswert ist eine Maßnahme, die sich für Richter und Beamte ungünstiger als für die übrige Bevölkerung auswirkt, nämlich die Verminderung der Zahlungszeit für das Kindergeld von 27 auf 25 Jahre. Wer als Richter Kinder hat, die sich im Alter von 25 Jahren noch in der Ausbildung befinden, muss sie künftig zu 100% privat krankenversichern.
Für einen Richter (Beamten) bedeutet dies eine
monatliche Mehrausgabe von etwa 160,00 €, die über zwei Jahre zusätzlich
anfallen und somit einen Gesamtbetrag von 3.840,00 € ergeben. Außerdem entfällt
für diese Zeit weiter der Familienzuschlag für die über 25 Jahren alten Kinder,
was zusätzlich einer Einkommensminderung von insgesamt 2.160,00 € (brutto)
entspricht.
Bezogen auf das Einkommen eines Richters der Besoldungsgruppe R1 (Stufe 12)
bedeutet die Verminderung der Zahlungszeit für das Kindergeld von der Vollendung
des 27. auf Vollendung des 25. Lebensjahrs eine jährliche Einkommensreduzierung
von 4,73%.
III. Der Rechtsrahmen für Besoldungs- und Versorgungsanpassungen
Ein für das Berufsrichterrecht und das Beamtenverhältnis prägender „hergebrachter Grundsatz“ im Sinne des Art. 33 V GG ist, dass der Dienstherr verpflichtet ist, den Richter (Beamten) und seine Familie amtsangemessen zu alimentieren. Die Verpflichtung des Dienstherrn zur Alimentation (Besoldung und Versorgung) ist eine Gegenleistung für die von dem Richter (Beamten) in dem auf Lebenszeit angelegten Dienst- und Treueverhältnis erbrachten Dienste.
Der Kerngehalt des Alimentationsprinzips ist die Verpflichtung des Dienstherrn, den Richter (Beamten) lebenslang amtsangemessenen Unterhalt zu leisten. Dies umfasst auch die Pflicht, die dem Richter (Beamten) durch seine Familie entstehenden Unterhaltspflichten realitätsgerecht zu berücksichtigen.
Gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum
Die nähere Ausgestaltung der
Alimentation obliegt dem Gesetzgeber, dem hierfür ein weiter
Beurteilungsspielraum eröffnet ist. Das gesetzgeberische Einschätzungsermessen
bezieht sich auf die Struktur der Besoldungsordnung und die Höhe des
Richter(Beamten-) Gehalts.
Besoldung und Versorgung des Richters (Beamten) müssen der Entwicklung der
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeine
Lebensstandards Rechnung tragen. Dieses Prinzip hat der Gesetzgeber in § 14
BBesG bzw. § 70 BeamtVG festgeschrieben.
Besonderheiten des Richteramtsrechts
Die hergebrachten Grundsätze aus
Art. 33 V GG sind im Grundsatz auch auf das Richteramtsrecht anzuwenden.
Zur Rechtsstellung des Richters gehört wesentlich auch seine angemessene
Alimentation, und zwar in einer Ausgestaltung, die der Eigentümlichkeit des
richterlichen Amtes Rechnung trägt. Das beinhaltet – wie bei den
besoldungsrechtlichen Regelungen des Beamtenrechts – keinen Anspruch auf eine
summenmäßig bestimmte Besoldung. Der Dienstherr ist aber verpflichtet, die
Amtsbezüge des Richters im Sinne des hergebrachten Grundsatzes des
Richteramtsrechts so zu bemessen, dass sie nicht unzureichend sind, also dass
aus der Höhe der Besoldung nicht eine Gefährdung der richterlichen
Unabhängigkeit zu besorgen ist.
Die maßgeblichen Gesichtspunkte für das richterliche Besoldungsrecht sind
demnach folgende:
a) Besoldung und Versorgung des Richters sind von ganz erheblicher Bedeutung für
das innere Verhältnis des Richters zu seinem Amt und für die Unbefangenheit, mit
der er sich seine richterliche Unabhängigkeit bewahrt.
b) Angemessene Richterbesoldung ist Ausdruck der Attraktivität des Amtes für
qualifizierte Kräfte.
IV. Anpassungskriterien für Besoldungsentscheidungen des Gesetzgebers Stabilitätsopfer des öffentlichen Dienstes
(Verzicht auf
Besoldungserhöhungen oder geringere Erhöhungen als in anderen
Einkommensbereichen der Wirtschaft oder des Personals des öffentlichen Dienstes)
sind – soweit Richter und Beamte hiervon betroffen sind – nicht uneingeschränkt
zulässig. Die Grenzen, die dem Gesetzgeber für die Auferlegung von
Stabilitätsopfern zu Lasten der Richter und Beamten gezogen sind, ergeben sich
unmittelbar aus dem Alimentationsprinzip.
Als Maßstab der amtsangemessenen Bezahlung sieht das BVerfG zum einen sowohl die
Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse heran als
auch den allgemeinen Lebensstandard.
Durch eine Kürzung der Alimentation (oder durch unterbliebene
Besoldungsanpassungen) darf also weder die Konsolidierung der allgemeinen
Haushaltslage noch eine Senkung der Versorgungslasten der Dienstherren
unmittelbar als wesentliches Ziel verfolgt werden. Deshalb vermögen die
Finanzlage der öffentlichen Haushalte, die Herausforderungen durch die
Globalisierung, der demografische Wandel und die finanziellen Nachwirkungen der
Wiedervereinigung eine Einschränkung des Grundsatzes amtsangemessener
Alimentation nicht zu begründen.
Eine Besoldung und Versorgung nach dem Prinzip der Kassenlage ist demnach verfassungsrechtlich unzulässig.
Für die Angemessenheit der
Besoldung kommt es hiernach vor allem auf die Höhe der Arbeitnehmereinkommen und
der Einkünfte der Angestellten des öffentlichen Dienstes an.
Aus dieser Rechtsprechung folgt für die aktuelle Richter- bzw. Beamtenbesoldung
folgendes: Die Gehälter der Richter und Beamten sind allein im Zeitraum seit
August 2004 – nimmt man die Absenkungen bei den Sonderzahlungen auf nunmehr nur
noch 30% der Dezemberbezüge hinzu – in einer Größenordnung von annähernd 10%
hinter den wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen bezogen auf die
Preisentwicklung in Deutschland zurückgeblieben.
Ein noch schlechteres Bild ergibt sich, wenn die Entwicklung seit 1992 in die
Betrachtung einbezogen wird. In den letzten 15 Jahren ist die Besoldung der
Richter allein bezogen auf die Preisentwicklung in Deutschland um nahezu 40%
hinter dieser Entwicklung zurückgeblieben ist (23,1 Punkte ./. 31,9 Punkte = 8,8
Punkte x 100: 23,1 = 38,1 %).
Während die Entwicklung der Gehälter bei den Angestellten im
Versicherungsgewerbe in der Bundesrepublik im Zeitraum von 1996 bis 2005 sowohl
bei den mittleren Lohngruppen als auch bei den obersten Lohngruppen um insgesamt
18,36 bzw. 18,39% (jährlich also 2,04%) zugenommen hat, beträgt die nominelle
Entwicklung bei der Richterbesoldung im Vergleichszeitraum (unter Einbeziehung
der Kürzung bei den Sonderzahlungen) lediglich 11,63%.
Besoldung und Versorgung kein Vorbild mehr für private Versorgungsverträge
Das wirtschaftliche Ausmaß der Kürzungen von Besoldung und Versorgung bei den Richter- und Beamteneinkommen wird durch den Umstand evident, dass in der privaten Wirtschaft in früheren Jahren die Versorgungsverträge von Führungskräften in Anlehnung ans Beamtenrecht formuliert worden sind. Diese partielle Übernahme des öffentlichen Dienstrechts ist heute völlig unüblich geworden. Diese Entwicklung ist ein weiteres gewichtiges Indiz für die aktuell fehlende ökonomische Anbindung der Richterbesoldung und Versorgung an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.
Richterbesoldung in Deutschland im europäischen Vergleich
Die Höhe und die Entwicklung der
Richtergehälter bei vergleichbaren Richterämtern in der Europäischen Union (EU)
ist als weiteres Anpassungskriterium vom Gesetzgeber zu berücksichtigen.
Die deutschen Richtergehälter befanden sich nach den Erhebungen der Europäischen
Richtervereinigung (EVR) bereits im Jahre 2001 im Vergleich mit den
Durchschnittseinkommen aller abhängig Beschäftigten in den jeweiligen Staaten am
unteren Rand des westeuropäischen Standards und sind in der Zeit danach sogar
real beträchtlich weiter gesunken. In Deutschland liegt hiernach das
Mindesteinkommen eines Richters nur unwesentlich über dem Durchschnittseinkommen
aller abhängig Beschäftigten. Damit befindet sich Deutschland an vorletzter
Stelle in einer Liste von insgesamt 29 untersuchten Staaten.
Zusätzlich hat – von den hochentwickelten Staaten in der EU – allein Deutschland
neben einigen neuen Mitgliedstaaten der EU bzw. Beitrittskandidaten sowie Island
und Israel die Einkommen seiner Richter sogar durch Kürzung oder vollständige
Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes beträchtlich verringert.
Erhöhung der Abgeordnetenbezüge durch den Landesgesetzgeber ab 2007 wegen veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse
Der Angemessenheitsbericht nach § 15 des AbgeordnetenG vom 27.11.2006 gelangte unter Berücksichtung der vom LDS übermittelten Indexwerte über die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung, sowie die Lebenshaltungskosten und Einzelhandelspreise im vorausgegangenen Jahr zu der Einschätzung, dass nach Anwendung der Gewichtungsfaktoren die Abgeordnetenbezüge nicht mehr angemessen seien, sondern um einen Erhöhungsfaktor von 1,39 % ab dem 1.1.2007 zu erhöhen seien. Dem hat der Landtag entsprochen.
Ergebnis:
Der Landesgesetzgeber als zuständiger Besoldungsgesetzgeber ist gehalten, den Verfassungsverstoß gegen Artikel 33 Absatz 5 GG i.V.m. § 14 BBesG, § 70 BeamtVG zu beseitigen und durch eine sofortige lineare Anpassung der Bezüge für eine amtsangemessene Richterbesoldung Sorge zu tragen.
Hans Wilhelm Hahn
[1] vollständiger Text unter www.drb-nrw.de/aktuelles/vorstand/Studie%20Besoldung%209_07.pdf