(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/07, 9) < home RiV >

Geld ist da – Ist Geld für die Justiz da?

 

- Erwiderung auf Spethmann,
MHR 1/2007, 15 -

 

In den letzten Jahren war die Justiz, im engeren Sinne also die Gerichte und die Staatsanwaltschaft, wie alle anderen zu finanzierenden Bereiche der Hansestadt auch, den bekannten Sparzwängen ausgesetzt. Der Hamburgische Richterverein hat sich dem nie widersetzt. Sein Vorstand und seine Mitglieder wären töricht und schlecht beraten gewesen, sich den zwingenden Geboten der Haushaltssanierung nicht zu fügen. Richter und Staatsanwälte haben auf Gehaltserhöhungen über Jahre verzichten müssen und in erheblichem Umfang faktisch Gehaltsminderungen - wenn auch mit Grollen - hingenommen.

 

Bei dieser Entscheidung hat es keine Rolle gespielt, wer parteipolitisch das bundesweite Desaster der Staatsverschuldung zu verantworten hat. Da der Hamburgische Richterverein aus Einsicht an der Gesundung der Finanzen der Hansestadt mitgewirkt hat, kann er einen Teil des Lobes der Haushaltspolitik Hamburgs durch das Bundesverfassungsgericht durchaus für sich reklamieren.

 

In Hamburg wird derzeit an vielen Stellen gebaut und die Zukunft der Stadt gestaltet. Die Richter am Sievekingplatz haben direkte Aussicht auf die Neubauten der Hamburg-Messe. Die Philharmonie ist auf den Weg gebracht worden. Die Hafencity wird nebst U-Bahnanschluss errichtet und selbst der Derby-Platz in Klein-Flottbek hat Dank der Aktivität des ersten Bürgermeisters ein neues, wetterfestes Geläuf bekommen. Das ist gut so, denn eine Stadt lebt von ihrer ständigen Erneuerung. Auf diese Weise bleibt Hamburg eine attraktive, lebenswerte Stadt und kann auch in Zukunft mit anderen Metropolen konkurrieren.

Zukunftsorientiert sind neben wirtschaftlich und touristisch begründeten Investitionen aber auch solche in die Justiz.

Die Dritte Gewalt ist eine der tragenden Säulen einer jeden, also auch unserer hansestädtischen Demokratie. In sie zu investieren heißt, die Stadt demokratisch und wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu erhalten. Nur so lassen sich die Verfahrenszeiten der Gerichte weiterhin kurz halten. Nur so ist die Qualität der Entscheidungen zu garantieren. Nur so werden große Streitwerte auch in Zukunft in Hamburg anhängig gemacht und nur so expandieren die überregionalen Anwaltskanzleien und bringen Geld in die Kassen der Stadt.

Die Leistungsfähigkeit der Hamburger Justiz wurde über Jahre und Jahrzehnte garantiert durch den überobligatorischen Arbeitseinsatz der Richter, Staatsanwälte und auch des nichtrichterlichen Dienstes. Diese Menschen haben die Funktionsfähigkeit, ausgestattet mit veraltetem Material und völlig unzulänglichen Mitteln, aufrechterhalten. Die Gerichtsgebäude wären als Büros nicht vermietbar gewesen. Der Gerichtspräsident des Landgerichts Lund, konfrontiert mit diesen Zuständen, äußerte etwa 1996 spontan, selbst die russischen Richter in St. Petersburg hätten es da besser. Seine schwedischen Richter würden sich weigern, in derartigen Räumen arbeiten zu müssen. Unsere Kollegen haben derartiges nicht getan. Sie haben allenfalls gegrummelt, die vereinbarten Arbeitszeiten überschritten und mehr als nur ihre Pflicht getan. Gedankt haben es ihnen die Öffentlichkeit oder die Politik nur selten. Aus der Hamburger Justiz selbst entstanden die weiterführenden Innovationen wie Gruppengeschäftsstelle und Informationstechnologie. Oft gegen den Widerstand der Politik hat sich die Justiz aus sich selbst heraus modernisiert.

Insbesondere nach der Privatisierung der Gerichtsgebäude hat sich dann vieles verbessert. Dieser Prozess ist aber in keiner Weise abgeschlossen. Der Zustand des Ziviljustizgebäudes ist immer noch zu beklagen. Ein erneuter Blick nach Schweden, diesmal 2007 zum Amtsgericht in Ystad, zeigt, was noch zu tun ist. Das dortige Gericht ist umfassend mit modernster Informationstechnologie ausgestattet. Projektionsgeräte werfen die in Augenschein zu nehmenden Objekte für jeden Prozessteilnehmer deutlich sichtbar auf Leinwände. Die Ausstattung aller Verhandlungssäle mit Computern und Wechselsprechanlagen ist selbstverständlich. Rechtsanwälte haben separate Besprechungs- und Arbeitszimmer und Zeugen warten nicht in zugigen Fluren auf harten Bänken, an denen schon mancher Zahn der Zeit genagt hat. Das alles zeugt von einem Respekt der schwedischen Politik vor der Dritten Gewalt, von dem Deutschland, von dem Hamburg offenbar weit entfernt ist. Die schwedische Justiz, die im Übrigen Gericht für Gericht über eine eigene Finanzautonomie verfügt, wird offenbar sowohl von den Bewohnern als auch von den übrigen Staatsgewalten so behandelt, wie es der Dritten Gewalt gebührt: mit Hochachtung.

Wer die Justizgebäude am Sievekingplatz vor Augen hat, sieht, dass das in Hamburg auch einmal so war. Leider ist es über 100 Jahre her. Sicher, die Einschüchterungs- und Repräsentationsarchitektur des Kaiserreiches muss nicht wieder her. Heutzutage herrscht ein anderes Architektur- und Staatsverständnis. Gerichte sollten aber ebenso wie eine Oper oder ein Museum als das zu erkennen sein, was sie sind: Funktionsträger eines der wesentlichen Garanten des demokratischen Staates. Sie in Gebäuden zu verstecken, die für andere Zwecke gebaut worden sind, ist letztlich eine Entwürdigung der Dritten Gewalt. Ein Gericht betritt ein Rechtssuchender selten freiwillig. Wenn er sich aber dort aufhalten muss, sollte ihm das Gefühl vermittelt werden, in „seinem“ Gericht zu sein. Das Gebäude insgesamt sollte die Atmosphäre vermitteln, den Bürger ernst zu nehmen und ihn nicht zu missachten.

Bei allen achtenswerten Verbesserungen insbesondere der Gebäude um den Sievekingplatz sind wir davon auch in den neuen Stadtteilgerichten noch weit entfernt. Statt Ausflüge in bizarre Gefängnisse der USA oder Russlands zu unternehmen, sollten sich Hamburger Politiker einmal nach Schweden aufmachen, um die dortigen Gerichte zu besichtigen.

Es sind politische Entscheidungen gefordert. Der Senat ist aufgefordert, auf der Grundlage einer umfassenden Bestandsaufnahme eine verlässliche Finanzplanung für die Zukunft der Justiz zu erstellen. An dieser Planung müssen die Präsidenten der Gerichte ebenso wie die Berufsverbände der Richter und Staatsanwälte beteiligt werden. Richter und Staatsanwälte haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie innovativ denken und handeln können. Mit unserem Sachverstand bringen wir die Justiz noch weiter voran und können so an Hamburgs Zukunft mitbauen. Dies wäre auch ein erster Schritt in die Richtung einer sich selbst verwaltenden Justiz, die es letztlich, weil in fast allen europäischen Staaten bereits vorhanden, auch in Deutschland anzustreben gilt.

 

Gerhard Schaberg

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