(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/06, 11) < home RiV >
Was bringt uns die
Föderalismusreform?
Was ist geschehen?
Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006[1] ist das Recht des öffentlichen Dienstes, das Besoldungs- und Versorgungsrecht, in materieller Hinsicht und hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz einschneidend geändert worden.
1. Änderung von Art. 33 Abs. 5 GG
a) In Art. 33 Abs. 5 ist eine sog. Fortentwicklungsklausel eingefügt worden. Nunmehr ist nach Art. 33 Abs. 5 das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs wird mit der Fortentwicklungsklausel die Notwendigkeit einer Modernisierung und Anpassung des öffentlichen Dienstrechts an die sich ändernden Rahmenbedingungen hervorgehoben. Gesetzgebung und Rechtsprechung sollen die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstrechts erleichtern, wobei die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums weiterhin zu berücksichtigen sind.
b) Über Reichweite und Bedeutung der Fortentwicklungsklausel besteht kein Einvernehmen. Während im Schrifttum diese Klausel als überflüssig angesehen wird, haben bereits in der Vergangenheit der Gesetzgeber und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Fortentwicklung des Dienstrechts nicht in Zweifel gezogen (z.B. Teilzeitbeamtenverhältnisse, Einstieg in die Leistungsbesoldung, Leistungsprämie, Kürzungen in der Besoldung, in der Versorgung - Prinzip der Versorgung aus dem letzten Amt - und im Beihilferecht). In der Föderalismuskommission vertraten einige Länder den Standpunkt, unter anderem Nordrhein-Westfalen, dass Art. 33 Abs. 5 für ein modernes öffentliches Dienstrecht dem Gesetzgeber zu viele Restriktionen auferlegt. Es wurde daher gefordert, Art. 33 Abs. 5 weiter zu öffnen. Das ist letztlich verhindert worden. Man einigte sich deshalb auf die Ergänzung des Art. 33 Abs. 5 GG durch die Fortentwicklungsklausel.
c) Ein Testfall für die Anwendung der neuen Fortentwicklungsklausel könnte schon bald der Umgang mit dem Prinzip der Versorgung aus dem letzten Amt[2] sein. Die bis Mitte 2002 geltende Frist von 2 Jahren, die in der aktuellen Besoldungsgruppe zurückgelegt werden mussten, damit die Dienstbezüge Grundlage für die Bemessung der Versorgungsbezüge sein konnten, war durch das VersorgungsReformG 1998 auf nunmehr 3 Jahre ausgeweitet worden, obwohl das BVerfG im Jahre 1982[3] die Ausweitung der Frist von ehemals 1 Jahr auf 2 Jahre schon als am Rande des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren bezeichnet hat.
2. Gesetzgebungskompetenz für Besoldung und Versorgung
Der bisherige Art. 74a GG, der die konkurrierende Gesetzgebung für Besoldung und Versorgung regelte, und Art. 75, der die Rahmenkompetenz des Bundes unter anderem für die Rechtsverhältnisse des öffentlichen Dienstes regelte, wurden durch das Gesetz vom 28.08.2006 aufgehoben. Damit wird im Ergebnis die Gesetzgebungskompetenz für Besoldung und Versorgung der Landesbeamten und -richter vom Bund auf die Länder zurück übertragen, wo sie seit der Reichsgründung 1871 bis zur Schaffung des Art. 74a GG im Jahre 1971 gelegen hatte. Dem Bund bleiben nur die Gesetzgebungskompetenz für seine eigenen Bediensteten (Beamte, Richter und Soldaten) und nach Art. 74 Abs.1 Nr. 27 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Statusrechte und –pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden sowie der Richter in den Ländern.
Insofern führt die Föderalismusreform in frühere Zeiten zurück: Während ursprünglich das Deutsche Reich und später der Bund und auch einzelne – eher finanzschwache - Länder an einer Verlagerung der Gesetz-gebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung auf Reich bzw. Bund arbeiteten, weil ihnen die bessere Besoldung in einzelnen Ländern und die dadurch erschwerte Personalgewinnung für den Zentralstaat missfiel, sind es jetzt gerade die finanzschwachen Länder (z.B. Berlin, Schleswig-Holstein, Bremen), die ihre Rückübertragung auf die Länder erklärtermaßen dazu nutzen wollen, um durch Absenkung der Besoldung ihrer Beamten (und Richter) ihre Haushalte zu entlasten.
Was kommt auf uns zu?
Die Regierungen der Länder haben nach dieser Kompetenz gestrebt; sie werden von ihr auch Gebrauch machen, schon um ihre Haushalte zu entlasten – die einen mehr, die anderen weniger. Ausgehend von den nicht mehr verwirklichten Gesetzgebungsvorhaben der letzten Bundesregierung[4] sowie der gegenwärtig bekannten Vorhaben des Bundes und einzelner Bundesländer sind u.a. folgende Maßnahmen möglich:
Erhöhung des Ruhestandseintrittsalters
Für Richter ist für die Altersgrenze schon jetzt durch die Richtergesetze der Länder – allerdings bisher übereinstimmend – geregelt. Für die Beamten des Bundes ist die Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre angeblich schon beschlossene Sache. Bestrebungen, die Altersgrenze für Beamte hinauszuschieben, drücken sich schon in § 26 des von der Bundesregierung am 25. Oktober 2006 beschlossenen Entwurfes eines Beamtenstatusgesetzes aus, welches das Beamtenrechtsrahmengesetz ersetzen soll:
„Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit treten nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand“,
ohne – anders als dies noch § 25 Abs. 1 Satz 2 BRRG[5] mit verbindlicher Wirkung für die Länder vorsah, die Altersgrenze in irgendeiner Form zu beziffern. Bemerkenswert und viel sagend war in diesem Zusammenhang die ausdrückliche Weigerung der Bundesregierung in den Beteiligungsgesprächen, entsprechende Regelungen in den Entwurf aufzunehmen. Die Entwicklung des Entwurfs und die vorbereitenden Gespräche haben im Übrigen gezeigt, wie kontrovers die Vorstellungen darüber sind, was zum Status des Beamten gehört und was nicht.
Das Land Rheinland-Pfalz plant einem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zufolge die Verlängerung der Dienstzeit der Beamten bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres auf Antrag des Bediensteten und mit Zustimmung des Dienstherrn. Bei Beschäftigung über das 65. Lebensjahr hinaus wird ein (nicht ruhegehaltsfähiger) Zuschlag von 8 % gewährt.
Die Möglichkeit, über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus zu arbeiten, wäre von Interesse für diejenigen, die ansonsten die für die „Höchstpension“ erforderliche Dienstzeit von 40 Jahren nicht erfüllen könnten. Dieser Personenkreis könnte durch die als Nächste angesprochene Maßnahme noch erweitert werden.
Dagegen stehen die verschlechterten Einstellungschancen für den Nachwuchs und die Möglichkeit, nach einer Zeit der Gewöhnung eine Beschäftigung über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus zur Pflicht zu machen – mit Abschlägen für alle, die vorzeitig ausscheiden wollen.
Mehrausgaben aufgrund des oben erwähnten Zuschlags werden im Übrigen im Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz durch Regelungen für Neueinstellungen flankiert bzw. kompensiert.
Übertragung des Fortfalls der Anrechnung der Ausbildungszeiten im Rentenrecht auf die Beamtenversorgung
Der schon seit längerem von Politikern und interessierten Verbänden – vordergründig unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Gleichbehandlung mit den Rentenversicherten - geforderte Wegfall der Anrechnung von Ausbildungszeiten im Beamtenversorgungsrecht würde den Ruhegehaltssatz um mindestens 5,4 Prozentpunkte vermindern[6] (für die am 31.12.1991 vorhandenen Beamten und Richter gelten noch die alten Vorschriften der Anrechnung der Mindestzeit eines Studiums zuzüglich eines Prüfungssemesters übergangsweise weiter ).
Im höheren Dienst beliefe sich der Minderungsbetrag der Versorgungsbezüge nach den Berechnungen des Bundesinnenministeriums auf mindestens 150 € monatlich. Bei Versorgungsbezügen, denen ein Amt nach der Besoldungsgruppe R 2 zugrunde liegt, beliefe sich die Minderung der Versorgungsbezüge sogar auf 302 € monatlich, das sind 7,5 % der monatlichen Versorgungsbezüge.
Der hiervon betroffene Richter müsste also - ausgehend von dem obigen Berechnungsbeispiel - ein weiteres Kapital von etwa 60.000 € ansparen, um hierdurch den geplanten Fortfall der Anrechnung von Ausbildungszeiten einigermaßen aufzufangen. Oder aber er macht dankbar von der ihm gebotenen Möglichkeit Gebrauch, über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus zu arbeiten.
Einführung leistungsorientierter Elemente bei der Besoldung
Bundes- und Landesregierungen waren schon bisher durch das Bundesbesoldungsgesetz ermächtigt, jeweils für ihren Bereich zur Abgeltung von herausragenden besonderen Leistungen die Gewährung von Leistungsprämien (Einmalzahlungen) und Leistungszulagen an Beamte und Soldaten in den Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A durch Rechtsverordnung zu regeln. Es wird auf der Ebene der Länder anscheinend für zulässig gehalten, dies auch für die R-Gruppen – jedenfalls für die Staatsanwälte – einzuführen.
In die Richtung einer leistungsorientierte Besoldung weist auch die schon oben erwähnte Regelung im Entwurf des Landesbesoldungsgesetzes Rh.-Pfalz, die Besoldung bei Neueinstellungen für die ersten drei Jahre um 10% zu senken. Bemerkenswert ist insbesondere, dass dies für 10 % der Neueinstellungen nicht gelten soll - um auf dem Arbeitsmarkt bei den Bemühungen um besonders qualifizierte Bewerber konkurrieren zu können.
Was ist (zunächst) zu tun?
Auf die Landesverbände des Deutschen Richterbundes und damit auch auf den Hamburgischen Richterverein kommen neue Aufgaben zu. Künftig werden sie sich mit Gesetzgebungsplänen und –entwürfen mit u.U. weit reichenden Veränderungen auseinandersetzen müssen, mit denen die Landesregierungen von ihren neuen Kompetenzen Gebrauch machen werden.
Zur Vorbereitung auf diese Situation traf sich am 20. und 21. Oktober 2006 auf Einladung des Deutschen Richterbundes in seiner Bundesgeschäftsstelle eine aus Vertretern der Landesverbände zusammengesetzte Arbeitsgruppe Besoldung und Versorgung in den Ländern. Für den Hamburgischen Richterverein nahm der Verfasser dieses Beitrags an diesem ersten Treffen teil. Inhalt der Gespräche waren wesentliche Fragen zu einzelnen „Baustellen“ im Bereich Besoldung und Versorgung. Es ging um Wissensvermittlung bzw. Informationen, um einen Meinungsaustausch zum Sachstand sowie um die künftigen Entwicklungen in den Bereichen Besoldung und Versorgung.
Die Landesverbände werden den begonnenen Austausch untereinander und mit dem DRB fortsetzen und u.U. institutionalisieren. Angesichts der absehbaren Zusammenarbeit einzelner – insbesondere der norddeutschen – Länder auf dem Felde von Besoldung und Versorgung wird der regelmäßige Austausch mit den „Nachbarverbänden“ besonders wichtig sein. Grundsatzfragen sollen an die Kommission für Besoldung und Versorgung auf Bundesebene herangetragen werden. Soweit anstehende Regelungen den öffentlichen Dienst insgesamt betreffen, wird es zweckmäßig sein, Verbindung zu anderen Interessenverbänden – DBB, Ver.di – aufzunehmen.
Für die Vertretung der Interessen der Kolleginnen und Kollegen – Ihrer Interessen - tut sich ein neues, weites Feld auf, das mit Herz und (Sach-)Verstand zu „beackern“ sein wird. Wer von Ihnen in diesem Sinne dabei mitwirken möchte, ist willkommen und möge sich bitte beim Vorstand melden.
Jürgen Kopp
[1] BGBl I, 2034
[2] bisher § 5 Abs. 1, Abs. 3 BeamtVG: Ist ein Beamter aus einem Amt in den Ruhestand getreten, das nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn oder das keiner Laufbahn angehört, und hat er die Dienstbezüge dieses oder eines mindestens gleichwertigen Amtes vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht mindestens drei Jahre erhalten,…
[3] BVerfGE 61,43
[4] z.B. der Entwurf eines Versorgungsnachhaltigkeitsgesetzes 2005 - Bundesratsdrucksache 390/05 – sowie der am 15. Juni 2005 vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Struktur des öffentlichen Dienstrechts – Strukturreformgesetz – in dessen Mittelpunkt die Einführung eines leistungsorientierten Besoldungssystems für Beamtinnen und Beamte stand.
[5] „Die Altersgrenze der Beamten auf Lebenszeit ist das vollendete 65. Lebensjahr“
[6] 3 x 1,79375= 5,38 v.H., d.h. 3 Jahre eines Studiums oder einer Ausbildung, die seit dem Versorgungsreformgesetz 1997 nach § 12 BeamtVG als Ausbildungszeiten noch berücksichtigt werden