(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/06, 6) < home RiV >
(Lüdemann, Schmidt-Syaßen, Knight, Press; Foto Hirth)
Rede von Michael Knight
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bin sehr glücklich, dass ich heute hier sein darf, wo wir die Mitglieder der Hamburger Richterschaft ehren, die vor vielen Jahren Opfer der Nazis geworden sind.
Dass das begangene Unrecht heute letztendlich auf diese Weise anerkannt wird, erfüllt mich mit tiefer Genugtuung.
Ich möchte mir gern vorstellen, dass mein Großvater Lambert Friedrich Leopold diese Gefühle teilen würde, wenn er heute dabei sein könnte.
Ich kann mir seine Gefühle nur vorstellen, denn ich habe meinen Großvater nie kennen gelernt. Was ich von ihm weiß, ist mir über die Erinnerungen seiner Tochter – meiner Mutter – zugetragen worden. Sie sah ihn zum letzten Mal, als sie ein Kind von 18 Jahren war.
Aber ich weiß einige Dinge über ihn. Ich weiß, dass er sehr stolz darauf war, ein Hamburger zu sein. Er liebte seine Heimatstadt. Und ich weiß, dass er sehr stolz darauf war, Deutscher zu sein. Ich weiß, dass er stolz darauf war, seinem Land im Ersten Weltkrieg als Kavallerie-Offizier gedient zu haben. Und ich weiß, dass er stolz war, zweimal verwundet gewesen zu sein, als er für sein Land gekämpft hat.
Ich denke, dass er ein typisches Beispiel dafür war, was wir in den USA als einen Juden der Weimarer Zeit bezeichnen. Vermutlich können all jene, deren Namen hier und heute auf den Stolpersteinen stehen, in ähnlicher Weise beschrieben werden. Sie waren Juden, die hart studiert und gearbeitet haben. Sie haben in jener liberalen und fortschrittlichen Periode Karriere gemacht und beruflichen Aufstieg im öffentlichen Leben erreicht. Sie waren erfolgreich und glücklich.
Dann änderten sich die Zeiten – wir alle kennen die schreckliche Geschichte nur zu gut – und die Schwierigkeiten und die Verfolgung begannen.
Aber mein Großvater liebte sein Land immer noch – sogar während dieser Zeit – so sehr, dass er in einem kurzen Gedicht, das ich als Kind lernte, schrieb:
Deutschland
Ich liebe Dich
rotzdem
Ob er sich diese Liebe tief im Innern bis zum Ende bewahrt hat, bis zu dem Punkt, an dem er nackt und hungernd im Vernichtungslager Chelmno in einen Gaswagen gezwungen wurde? Ich kann es nicht wissen.
Aber heute sind wir hier, um an ihn zu erinnern und an all die anderen Mitglieder der Hamburger Richterschaft, die zu jener schrecklichen Zeit verfolgt und ermordet wurden. Wir sind heute hier, um sie zurück zu bringen an ihre Wirkungsstätte, soweit wir es können.
Die Stolpersteine von Gunter Demnig liegen jetzt hier, um uns an sie zu erinnern. Und ich bin hier, um zu zeigen, dass etwas überlebt hat. Trotzdem!
Mein Großvater, Du und Deine Kollegen, Ihr seid zurückgekehrt!
Meine Damen und Herren!
Ich danke Ihnen allen, dass Sie heute zu dieser symbolischen Rückkehr gekommen sind.
Michael Knight