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Heiko Morisse, der 2003 das Buch „Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg – Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat“ veröffentlicht hat, plant eine entsprechende Arbeit auch über die Hamburger Richter und Staatsanwälte jüdischer Herkunft. Aus seinem Material hierzu hat er vorab Kurzbiographien der Kollegen, für die Stolpersteine verlegt wurden, zur Verfügung gestellt.

 

 

 

Biographien zu den Stolpersteinen

 

Dr. Paul Blumenthal

Geboren am 13.02.1880 in Hannover. Er war seit 1910 – unterbrochen durch seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg – als Amtsrichter in Bottrop tätig. 1925 wurde er als Amtsgerichtsrat nach Altona versetzt. Er war einer der bekanntesten Jugendrichter in der Zeit der Weimarer Republik. Im April 1933 wurde er zunächst beurlaubt, dann in ein anderes richterliches Amt umgesetzt. Zum 31.12.1935 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Am 08.11.1941 wurde er nach Minsk deportiert, wo er bald darauf an einer Lungenentzündung starb.

Franz Daus

Geboren am 16.11.1896 in Hamburg. Im Juni 1927 zum Richter beim Landgericht Hamburg ernannt, war er seit 1930 in einer Zivilkammer tätig. Zum 01.12.1933 wurde er zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Im November 1939 flüchtete er zu Freunden nach Norwegen. Dort wurde er im Rahmen der so genannten Judenaktion im Oktober 1942 von der Gestapo verhaftet und kurz darauf in das KZ Sachsenhausen deportiert, wo er vermutlich – wie die meisten aus Norwegen deportierten Juden – in den Gaskammern ermordet wurde.

Dr. Hermann Feiner

Geboren am 17.03.1894 in Hamburg. Er wurde im Oktober 1921 zum Richter beim Landgericht in Hamburg ernannt. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wur-de er von der Straf- in die Zivilgerichtsbarkeit versetzt. Als Folge seiner Zwangspensionierung zum 30.06.1934 und der zunehmenden sozialen Ausgrenzung der Juden nahm er sich am 05.07.1935 in Königstein im Taunus das Leben.

Dr. Richard Hoffmann

Geboren am 04.03.1882 in Hamburg. Er wurde im Oktober 1907 zum Amtsrichter am Amtsgericht Hamburg ernannt. Im Januar 1926 zum Landgerichtsdirektor befördert, hatte er seitdem den Vorsitz in einer Zivilkammer beim Landgericht Hamburg. Zum 31.12.1935 erhielt er als Jude Berufsverbot. Am 25.10.1941 wurde er mit seiner Ehefrau Elisabeth, geb. Danziger, nach Lodz deportiert. Dort sind sie am 14.03.1943 bzw. am 26.04.1944 umgekommen.

Dr. Kurt Ledien

Geboren am 05.06.1893 in Berlin-Charlotten­burg. Er war seit 1927 als Amtsgerichtsrat am Arbeitsgericht Altona tätig. Aus „rassischen“ Gründen wurde er im April 1933 zunächst beurlaubt, einige Monate später an das Landgericht Dortmund versetzt und zum Juni 1934 aus dem Dienst entlassen. Danach kehrte er mit seiner Familie nach Altona zurück. Wegen seiner Verbindung zu der Gruppe „Weiße Rose Hamburg“ wurde er Ende 1943 verhaftet. Im KZ Neuengamme wurde er am 23.04.1945 mit den letzten im Lager befindlichen Häftlingen erhängt.

Lambert Leopold

Geboren am 30.08.1890 in Hamburg. Er wurde im Februar 1921 zum Landrichter am Landgericht Hamburg ernannt. Zuletzt gehörte er einer Zivilkammer an. Zum 30.09.1933 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft zwangspensioniert[1]. Nach der Reichspogromnacht (09.11.1938) wurde er verhaftet und bis Dezember 1938 im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Am 25.10.1941 wurde er mit seiner Ehefrau Else, geb. Perutz, nach Lodz deportiert. Von dort sind sie am 15.05.1942 in das Vernichtungslager Chelmo gebracht und ermordet worden.

Dr. Wilhelm Prochownick

Geboren am 19.09.1878 in Hamburg. Er wurde zum 01.01.1900 in Hamburg zum Landrichter ernannt. Am 01.04.1923 zum Oberlandesgerichtsrat befördert, gehörte er dem 2. Zivilsenat an, der insbesondere für den gewerblichen Rechtsschutz zuständig war. Zum 31.10.1933 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Auf Grund einer Anzeige aus dem Bekanntenkreis, dass er einen Pelzfuttermantel nicht abgeliefert habe, wurde er am 09.02.1943 verhaftet und in das KZ Fuhlsbüttel verbracht. Hier wurde er so schwer misshandelt, dass er am 27.03.1943 starb.

Dr. Alfred Rinteln

Geboren am 27.07.1891 in Essen. Er war seit November 1922 Landgerichtsrat in Altona. Zum 30.06.1933 wurde er als Jude zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Anlässlich des Novemberpogroms am 09./ 10.11.1938 wurde er im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Am 25.10.1941 wurde er zusammen mit seiner Ehefrau Rahel, geb. Cohn, nach Lodz deportiert. Dort sind sie am 20.06.1942 bzw. am 21.05.1944 umgekommen.

Dr. Walter Rudolphi

Geboren am 27.05.1880 in Hamburg. Am 01.04.1910 zum Amtsrichter ernannt, war er zunächst am Amtsgericht Hamburg, seit November 1917 am Amtsgericht Bergedorf tätig. Am 01.04.1925 wurde er zum Oberamtsrichter befördert. Zum 01.01.1926 wurde er zum Oberlandesgerichtsrat ernannt und dem Strafsenat zugewiesen. Seit September 1927 war er außerdem stellvertretender Vorsitzender des Landesarbeitsgerichts Hamburg. Zum 30.11.1933 erhielt er Berufsverbot. Seit Dezember 1938 gehörte er dem Vorstand des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg an. Am 01.07.1942 wurde er im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert, weil die Gestapo ihn als Vorsitzenden der jüdischen Krankenhausverwaltung dafür verantwortlich machte, dass das Jüdische Krankenhaus von einem Gemüsehändler eine Kiste Blumenkohl gekauft hatte. Zwei Wochen später wurde er in das KZ Theresienstadt deportiert. Von dort wurde er am 23.10.1943 weiter nach Auschwitz deportiert und hier ermordet.

Dr. Leonhard Stein

Geboren am 08.07.1894 in Hamburg. Er wurde am 01.02.1922 zum Staatsanwalt ernannt. Der Berufsverlust nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Hamburg vollzog sich für ihn schrittweise: Mit Wirkung vom 27.03.1933 wurde er bis auf weiteres beurlaubt, am 19.04.1933 in den einstweiligen Ruhestand und mit Ablauf des 30.09. 1933 in den endgültigen Ruhestand versetzt. Im April 1934 ging er nach Italien, erlernte dort die italienische Sprache und absolvierte ein Rechtsstudium an der Universität in Rom. 1935 bestand er dort das Doktorexamen und arbeitete danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Als er wegen der nun auch in Italien einsetzenden Maßnahmen gegen Juden nicht mehr dort bleiben konnte, kehrte er im Herbst 1938 nach Hamburg zurück. Am 25.10.1941 wurde er nach Lodz deportiert, wo er am 29.08.1942 umkam.

 

Heiko Morisse

 


[1] Wie viele assimilierte Juden in jener Zeit, dachte Leopold sehr national und hoffte bis zum Mai 1933, die nationalsozialistischen Machthaber würden ihn im Amt belassen. Selbst als er mit seiner Frau bereits nach Lodz (Litzmannstadt) deportiert war, setzte er auf die Korrektheit des deutschen Beamtentums und bat mit Schreiben vom 6.12.41 darum, ihm seine bescheidenen „Ruhegehaltsbeträge“ künftig an die Hohensteiner Straße 43 (Wohnung 33) in „Litzmannstadt“ zu überweisen. Erst durch dieses Schreiben wurde die Justizverwaltung darauf aufmerksam, dass die Bezüge für November und Dezember, also nach seiner Deportation, weiterhin auf sein Sperrkonto überwiesen wurden. Daraufhin erfolgte die Anordnung, das Vermögen einzuziehen und die für November und Dezember gezahlten Bezüge zurückzufordern.