(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/06, 19) < home RiV >

Gott, warum tust Du dieses, daß wir sehen,

wo sich der Weg zieht, den wir schreiten müssen,

und daß wir brennen, ihn beherzt zu gehen,

des Heimwehs spottend, das uns wundgerissen.

Und sind gebunden doch an diese Stätte,

die uns nicht liebt, und die uns von sich stößt?

Nicht hier, nicht dort zu Haus  -  grausame Kette  -

und keine Kraft, die unsere Fesseln löst.

(Lambert Leopold, Mai 1933)

Stolpersteine und

Leopolds Schallplatte

In MHR 4/2005, 16 hat Johann-Hinrich Möller als Mitglied des Projektes „Stolpersteine“ über Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus aus der Hamburger Richterschaft berichtet. Seinem Spendenaufruf, der vom Hamburgischen Richterverein unterstützt wurde, sind die Mitglieder des Richtervereins in großer Zahl gefolgt[1], so dass die Aktion hinsichtlich der Richter gesichert ist. Im August wird für jeden der 10 Richter und Staatsanwälte, die in MHR 4/2005, 16 benannt wurden, vor dem Ziviljustizgebäude je ein Stolperstein gesetzt werden. Das genaue Datum der Einweihung wird noch bekanntgegeben.

Zum Dank für die Spenden hat Herr Möller eine Tondatei bereitgestellt. Sie beinhaltet eine vom Hamburger Landrichter Lambert Leopold, der von den Nationalsozialisten zunächst Berufsverbot erhielt und dann von Ihnen deportiert und ermordet wurden, eine wahrscheinlich im Frühjahr 1934 besprochene Grußschallplatte an seine Schwester Friedel Wertheim in Südafrika. Die in USA und Südafrika lebenden Nachkommen von Lambert Leopold haben der Veröffentlichung durch den Richterverein zugestimmt.

Über diese Schallplatte schreibt Möller:

„Die vorstehenden Gedichte wurden von Lambert Leopold auf eine ‚Schallplatte’ gesprochen, die vermutlich 1934 in den Großen Bleichen in Hamburg aufgenommen wurde. Von Herrn Georg Giffey, Schellackplatten-Sammler und Tontechniker beim NDR, habe ich erfahren, dass es in den Großen Bleichen zu jener Zeit mehrere Tonstudios für private Zwecke gab, in denen überwiegend Privataufnahmen als ‚Grußkarten’ erstellt wurden. Ein Verfahren, dass zu jener Zeit offenbar sehr beliebt war. Die Sammlung von Herrn Giffey beinhaltet mehrere derartiger Aufnahmen, so auch einige Geburtstagsgrüße und Feldpostbriefe.

Von der ursprünglichen Aufnahme wurde für Frau Irmgard Pilz eine Kopie auf Tonband-Kassette gezogen, die heute dem Jüdischen Museum in Berlin vorliegt. Von dieser Kopie wurde wiederum eine Kopie für Frau Pilz gefertigt, die ihrerseits davon eine Kopie für mich erstellt hat. Herr Giffey hat mit einigem Erfolg versucht, die Qualität durch eine technische Bearbeitung zu verbessern. Diese bearbeitete Aufnahme liegt mir als CD vor.

Lambert Leopold hat die ursprüngliche Aufnahme wohl 1934 an seine Schwester Friedel Wertheim, geb. Leopold in Südafrika geschickt. Friedel Wertheim ist mit ihrem Mann Dr. Siegmund Wertheim, einem aus Gießen stammenden Arzt, nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten schon frühzeitig nach Südafrika emigriert. Eine Patientin von Dr. Wertheim hatte diesem eine Emigration nach Südafrika empfohlen, da sie das drohende Unheil für die jüdische Bevölkerung in Deutschland erkannte und Dr. Wertheim ohne Probleme seine Zulassung als Arzt in Südafrika erhalten würde, da er auch über ein englisches Medizinerexamen verfügte. Die Mutter von Friedel und Lambert Leopold ist kurze Zeit danach ebenfalls nach Südafrika zu ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn gezogen.

Der Vater von Frau Pilz war mit Siegmund Wertheim seit gemeinsamen Studientagen befreundet. Frau Pilz lebte mit ihrem Mann für einige Jahre ebenfalls in Südafrika und ist noch heute mit der Tochter von Friedel und Siegmund Wertheim, Eva Levy, befreundet und steht mit dieser in regelmäßigem Kontakt.“

Die Tondatei nebst Abschrift hat der Hamburgische Richterverein auf seiner Internetseite www.richterverein.de im Downloadbereich bereitgestellt.

Ebenfalls neu auf unserer Internetseite ist jetzt ein Artikel von Udo Löhr aus der MHR 3/1985, 2, in dem er insbesondere über die Entfernung der Staatsanwälte Guggenheimer und Stein sowie der Richter Rudolphi und Hecht aus dem Hamburger Justizdienst detalliert und mit weiteren Nachweisen berichtet. In Fußnote 20 verweist er auf die Portraits von Stein, Hecht und Rudolphi im Ziviljustizgebäude.

Wolfgang Hirth


[1] Spendenbescheinigungen werden vom Projekt Stolpersteine erteilt werden, sobald alle (oder wenigstens fast alle) Privatadressen der Spender vorliegen.