(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/05, 3) < home RiV >
Rückblick und Ausblick
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Welt scheint immer mehr in Unordnung zu geraten: schreckliche Naturkatastrophen (Tsunami, Hurricans, Erdbeben) haben in bislang kaum gekannten Ausmaßen seit Dezember 2004 unendliches Leid und Elend verursacht, dabei kaum vorstellbare Schäden angerichtet, die auf Jahre und wohl Jahrzehnte hinaus die betroffenen Regionen belasten werden. Angesichts jener Schrecken kommen einem die (all-)täglichen Probleme und Ärgernisse, über die wir uns mehr oder weniger aufregen, nichtig und bedeutungslos vor. Ist es Ihnen in diesem Jahr auch so ergangen, daß Sie in Erinnerung an die schrecklichen Bilder, die uns ausschnittweise einen Blick in die entsetzliche Wirklichkeit gaben, nur noch mit schlechtem Gewissen die Annehmlichkeiten unseres geregelten zivilisierten Lebens wahrnahmen?
Gleichwohl bleiben die Probleme, die uns beschäftigen und gelöst werden müssen, und die Aktenberge, die täglich auf unseren Schreibtischen landen, bedürfen weiterhin der Bearbeitung!
Kein Wirbelsturm, aber ein kalter Wind weht zur Zeit zwischen der Drehbahn und dem Sievekingplatz sowie den anderen Gerichtsgebäuden: der Senator stellt - unter anderem - das gesetzlich verankerte (§ 25 b AGGVG) und im Übrigen gewohnheitsrechtlich geübte Vorschlagsrecht der "Oberpräsidenten" und der Generalstaatsanwältin für Neueinstellungen in Frage – dazu das Editorial. Der Richterverein als Vertretung der Interessen von Richter- und Staatsanwaltschaft wird sich allen Versuchen, das bislang bewährte Auswahlsystem und andere Abläufe in unserem Berufsalltag ohne sachlich zwingende Notwendigkeit zu ändern, entgegenstellen. Man fragt sich nur: Muss dieser Schlagabtausch sein? Haben wir nicht dringendere Probleme, die wir mit gemeinsamer Anstrengung im Interesse einer leistungsfähigen Justiz zum Wohle der Bürger möglichst im Konsens lösen sollten?
Die letzten Ereignisse könnten Anlass geben, wieder einmal die Forderung für eine Selbstverwaltung der Justiz zu erheben, deren Umsetzung der Deutsche Richterbund seit Jahren befürwortet und mit konkreten Thesen diskutiert.
Derartige Situationen zeigen aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wichtig Ihre Mitgliedschaft in unserem Verein ist, und wie wichtig es ist, dass wir uns ständig um eine Erhöhung unserer Mitgliederzahlen bemühen, denn nur eine gemeinsame Interessenbündelung kann erfolgreich sein.
Das kommende Jahr wird für Gerichte und Staatsanwaltschaften selbst dann, wenn die erwähnten Probleme akzeptabel gelöst werden sollten, nicht viel Erfreuliches bereit halten, denn angesichts der immer wieder beschworenen leeren Kassen werden wir wohl alsbald wieder vor die Notwendigkeit gestellt werden, Widerstand gegen neue Zumutungen zu leisten, soweit wir dazu Möglichkeiten sehen.
Diese Bemerkungen zum Jahreswechsel möchte ich jedoch nicht ohne einen positiven Ausblick beenden. Wir sollten uns freuen und bei aller Belastung dankbar anerkennen, dass wir einen abwechlungsreichen Beruf haben, der uns ständig vor neue, interessante Aufgaben und Herausforderungen stellt und den wir in innerer und äußerer Unabhängigkeit ausüben können. Dass dies so bleibt, ist unser wichtigstes Anliegen!
Ich hoffe, dass Sie trotz aller Belastungen die Gelegenheit haben, die Vorweihnachtszeit und die Weihnachtsfeiertage für entspannende Beschäftigungen zu nutzen: bummeln Sie über die Weihnachtsmärkte, durch die weihnachtlich geschmückte Stadt, lassen Sie sich an Alster oder Elbe den kalten Wind um die Nase wehen oder lassen Sie sich durch ein spannendes Buch zerstreuen!
Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen allen besinnliche Feiertage einen gelungenen Start in das neue Jahr und für 2006 Gesundheit und Zufriedenheit, den Fußballbegeisterten viele spannende Spiele live oder am Fernsehapparat.
Diejenigen, die sich selbst Bewegung verschaffen möchten, seien noch einmal mit Nachdruck auf den Juristenball hingewiesen. Sie werden dort mit Sicherheit viele gut gelaunte Kolleginnen und Kollegen treffen und sich prächtig unterhalten, auch wenn Sie vielleicht eher ein "Tanzmuffel" sind.
Inga Schmidt-Syaßen