(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/05, 26) < home RiV >

„Die Schweden kommen“ –

Schwedisch-deutscher Juristenaustausch mit Tradition und Zukunft

 

Im Mai waren die Schweden da: Im Rahmen eines Austauschprogramms, das Hamburger Richter und Staatsanwälte seit über 20 Jahren pflegen, besuchte einmal wieder eine nordische Delegation die Hansestadt. Der Austausch ist vom Hamburgischen Richterverein und namentlich von dessen Ehrenvorsitzendem Dr. Roland Makowka, der in diesem Jahr nicht persönlich teilnehmen konnte, initiiert worden; die Veranstaltung wird regelmäßig als Fortbildung gefördert, wenn Deutsche nach Schweden fahren. Den Stellenwert von Veranstaltungen dieser Art in einem Europa, das sich näher kommt, betonte neben anderen Staatsrat Lüdemann anlässlich seiner Begrüßung der schwedischen Gäste.

Die meisten der diesjährigen Gäste – Richter und Staatsanwälte beiden Geschlechts sowie ein Rechtsanwalt – kamen aus der südschwedischen Provinz Skåne –, namentlich aus der Universitätsstadt Lund, aus Malmö und aus der dortigen Umgebung. Aus Stockholm reisten diesmal nur wenige Juristen an, die dann aber auch gleich drei Tage länger zu Gast blieben. Angeführt wurde die schwedische Gruppe – wie auch in den vergangenen Jahren – von Jan Alvå, seines Zeichens Präsident des Tingsrätt Lund – dem Eingangsgericht für einen sehr großen Bereich Südschwedens.

Die Schweden wohnten während ihres Besuchs in Hamburg bei ihren Hamburger Berufskolleginnen und -kollegen. Nachdem es einige Wochen vor Austauschbeginn zunächst so ausgesehen hatte, als würde die Zahl der Hamburger Gastgeber deutlich hinter der Zahl der Gäste zurückbleiben, sah sich Dr. Klaus Wille, Vorsitzender einer Strafkammer beim Landgericht und Organisator des Austauschs auf Hamburger Seite, letzten Endes vor andere Probleme gestellt: Durch einen „Notruf“ per e-mail, in dem dringend nach weiteren Gastgebern gesucht worden war, fühlten sich so viele Richter und Staatsanwälte angesprochen, dass dem Organisator letztlich die schwere Aufgabe oblag, rund der Hälfte der aufnahmewilligen Hamburger eine freundliche Absage zu erteilen und ihnen die Teilnahme an einem späteren Austausch in Aussicht zu stellen.

Wer als Hamburger Gastgeber teilnehmen durfte, erlebte fünf schwedisch eingefärbte und sehr schöne Tage und lernte – wie das so ist, wenn Gäste kommen – manchmal auch seine eigene Stadt von ganz unbekannten Seiten kennen. Das gilt für einen Besuch bei Airbus in gleicher Weise wie für einen Empfang im Altonaer Rathaus. Bei der einen Gelegenheit war unter anderem aus erster Hand die legendäre Geschichte des Spantax-Demonstrationsfluges zu hören, der 1967 versehentlich bei Airbus in Finkenwerder statt in Fuhlsbüttel gelandet war. Bei der anderen ging es um Altonas weit zurück gehende Beziehungen zu Dänemark und Schweden, eine Veranstaltung, die durch einen Besuch bei der Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh thematisch ergänzt wurde, anlässlich dessen unter anderem Bismarcks Beziehungen zu Schweden beleuchtet wurden. Um Durchleuchtung ging es in der Containerdurchleuchtungsanlage im Hamburger Hafen. Dass die bestens funktioniert, erfuhren Gäste wie Gastgeber unmittelbar nach ihrem dortigen Besuch aus den Medien, die von einem sensationellen Zigarettenfund just am Tage des Besuches berichteten. Dem „strafrechtlichen Teil“ des Besuchsprogramms ist neben einem Besuch des neuen Gefängnisses Billwerder zudem der Besuch einer Hauptverhandlung in Strafsachen beim Amtsgericht Altona zuzuordnen, an dessen Ende unter anderem die Erkenntnis von einer grundlegend verschiedenen Rollenverteilung zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft in Schweden einerseits und in Deutschland andererseits stand. Spannend, aber nichts für einen schwachen Magen war die Besichtigung des „Kriminalmuseums“ beim Polizeipräsidium, also der dortigen Sammlung „interessanter“ Asservate. An den oben erwähnten Airbus-Besuch schloss sich ein Vortrag des Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Karsten Schulz an, der bei einem Besuch im Haus der Gerichte in den verwaltungsgerichtlichen Verfahrensstand in Sachen Airbus einführte. Ein Besuch der Bucerius Law School mit einem Einführungsvortrag von Frau Professor König – vor vielen Jahren war sie Richterin am Landgericht – rundete den Erfahrungsaustausch auch im Zivilbereich ab.

Bei der Auswahl der deutschen Gastgeber legte Dr. Wille, der seit 1990 den alle zwei Jahre stattfindenden Austausch organisiert, besonderes Augenmerk darauf, neben bereits austauscherfahrenen Kräften auch jüngere Kolleginnen und Kollegen mit ins Boot zu holen. Es ging dabei darum, den Austausch auch auf lange Sicht zu sichern. Wer als „Frischling“ beteiligt war, hatte dabei eine sich im täglichen Justizbetrieb gar nicht so häufig ergebende Gelegenheit. Er lernte – dies das persönliche Resümee des Verfassers – Kolleginnen und Kollegen aus anderen Justizbereichen, aber auch aus dem eigenen Hause kennen, mit denen er ohne den Austausch nie zusammen gekommen wäre. So tauschte man sich auch über ganz unschwedische und vielmehr den täglichen Dienst bestimmende Dinge aus und konnte am Ende der Tage mit wohl jeder Sparte der Hamburger Justiz wenigstens ein Gesicht verbinden.

 

Der nächste Austausch findet in zwei Jahren statt, die Hamburger fahren dann nach Schweden. Wer dabei ist, wird in Schweden Land und Leute kennen lernen und auch in juristischer Hinsicht sicherlich neue Ideen oder Perspektive mit zurück nach Hause nehmen. Er wird aber auch die Worte im Ohr haben, mit denen Jan Alvå zusammenfasste, worum es beim Richteraustausch neben der Erweiterung des juristischen Horizonts geht. Das Wichtigste, so Alvå am Ende einer auf beeindruckendem Deutsch gehaltenen Rede, sei doch, „dass es allen viel Spaß macht“. Damit verabschiedeten sich 20 Schweden von Hamburg, die uns deutschen Gastgebern so viel Freude bereitet haben, dass sich auch abseits des offiziellen Programms immer wieder deutsch-schwedische Gruppen fanden, um die Tage gemeinsam ausklingen zu lassen.

 

Herzlich gedankt sei an dieser Stelle Lore Ziesing vom OLG, die ihr wunderbares Haus nebst Garten für das Begrüßungsfest zur Verfügung gestellt hat, sowie Berthold Kämpf vom VG, der dasselbe anlässlich des Abschiedsfestes tat.

 

Christian Möller