(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/05, 34) < home RiV >

Hilfe vom INFO-POINT ?

- Zuständigkeitsanmaßungen der EU -

 

1.

Das Europa-Recht ist für den Laien ein Buch mit mehr als sieben Siegeln, und als Laie muss hier auch ein landläufiger Jurist gelten, der deutsche Rechtstexte zu lesen gelernt hat. Schon die schiere Menge entmutigt: Man steige doch zum Magazin unseres Hanseatischen OLG empor und schreite dort die Brüsseler Rechtsquellen ab, wie sie da Meter um Meter stehen. Das ist freilich nur eine Äußerlichkeit; sie aber wirft die bange Frage auf, ob es überhaupt Fachleute gibt – in Hamburg, Berlin, Brüssel, Paris, Straßburg oder sonst wo -, die noch einen Überblick über die Gesamtmasse dieser durchaus unterschiedlichen EU-Normen besitzen (deren vielsprachiges Gesamtvolumen das Hundert- oder Tausendfache dessen ausmachen dürfte, was sich im Magazin findet) und die vor allem ein Verständnis ihres systematischen Zusammenhangs besitzen: ihrer Ratio und ihrer Legitimation.

 

Wir verdanken dem INFO-POINT EUROPA ‑ sprich: unserem Kollegen Arno Petzold und Mitarbeitern -, dass wir auch in den MHR immer wieder sozusagen mit der Nase auf diese dornige, aber ständig wichtiger werdende Rechtsmaterie gestoßen werden[1] - durch Eigenbeiträge und Vortragsreferate[2].

 

Man möchte hundert Fragen stellen; ich greife nur eine heraus – in der Hoffnung, aus ihrer Beantwortung nicht nur ein paar Details, sondern auch etwas über EU-Grundlagen zu lernen. Ich muss dazu allerdings etwas ausholen:

 

2.        

Der Bundestag hat unlängst das „Antidiskriminierungsgesetz“ beraten[3], um dessen Erläuterung sich übrigens Frau Zypries auch in unserer Mitgliederversammlung am 3. Februar d.J. bemüht hatte[4]. Schon der alte, später zurückgezogene Entwurf Frau Däubler-Gmelins[5] war zumal in Rechtswissenschaft und Anwaltschaft, aber auch sonst in der interessierten Presse durchweg auf teils scharfe Kritik gestoßen; dem neuen, wenig veränderten Entwurf war es kaum anders ergangen[6]. Man erblickt in der Neuregelung mit Recht einen tiefen Eingriff in Selbstbestimmung und Privatautonomie; zugleich auch in die Meinungsfreiheit – soweit und sofern sich diese nicht in bloß verbaler Kundgabe, sondern in eigener (vertraglicher) Rechts- und Umweltgestaltung ausdrückt. Es ist ausgeschlossen und hier nicht der Ort, die ca. elf Seiten Entwurfstext und vierzig Seiten Begründung vorzustellen. Wenn aber Anfang des Jahres die Zeitungen den Gesetzesinhalt mit Schlagzeilen angezeigt hatten wie: „Senioren-, Kinderteller, Frauendisko und -parkplatz bleiben erlaubt“, dann war das kein Witz; es traf die Sache. Denn die bestand im generellen Verbot mit flexiblen Ausnahmen (insb. § 21) als Notventil: das ist die Melodie des neuen Liedes! Gerade die vag, fast beliebig gehaltenen Ausnahmen zeigen, wie tief das Verbot seinem Sinn und seiner Richtung nach greift. Um den Zweck - § 1: “Benachteilungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ – zu erreichen, wird auch und gerade im Zivilrechtsverkehr (§ 20) kräftig reglementiert, mit Beweislastumkehr (§ 23), Schadensersatzpflichten (§ 15) und auch durch Einrichtung sog. Antidiskriminierungsstellen (§ 26 ff.). Diese haben das Gesellschaftsleben zu überwachen, Fälle zu recherchieren und immer wieder zu berichten; sie können von Behörden Auskünfte verlangen und sind im übrigen – wie Richter! - „unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“(§ 27 Abs. 1) etc. Jedenfalls dem deutschen Recht sind all’ diese Novitäten durchaus fremd.

 

Die Bundestagsdebatte vom 21. Januar d.J. war dann eine Zumutung. Die volle Darlegungslast traf Rot/Grün, ihr Entwurf verlangte jedenfalls den Versuch, ihn zu erklären – sachlich und rechtlich. Was indessen vorgeführt wurde, war nichts weiter als beschimpfende Polemik – gegenüber und angesichts einer Opposition, die sich (mit wenigen Ausnahmen) nur gar zu kooperations-, kompromiss- und konsensbereit gab. Aber Olaf Scholz, Volker Beck und andere peitschten unverdrossen auf sie ein mit dem Schlachtruf „Sie wollen also weiter diskriminieren - pfui!“ - unter Anführung völlig unsinniger Beispiele[7]. Was hat das mit EU-Recht zu tun?

 

3.        

Eine Menge, wie schon der Titel des Gesetzes vermuten lässt; es war eigentlich der einzige Streitpunkt der Debatte: Die Meinungen gingen nämlich nur darüber auseinander, ob die Überbietung der Richtlinien-Vorgaben, welche die Koalition in das Gesetz geschrieben hatte, zu preisen oder zu verdammen sei. Die CDU/FDP bestand und besteht mehr oder weniger energisch auf einer „eins-zu-eins-Umsetzung“; die Gesetzesinitiatoren wollten mehr oder weniger weit über die Richtlinien hinaus[8]. Bei den sog. Vorgaben dreht es sich um Richtlinien (RL)[9], für deren Übertragung („Umsetzung“) in nationales Recht Fristen bestimmt waren, teils inzwischen schon überschrittene[10]. Nun lässt sich darüber streiten, ob der Koalitionsentwurf von den genannten RL zu 50%, 60% oder 80% gedeckt, insoweit also legitimiert wird: wenn den RL eine solche Kraft denn überhaupt innewohnt.

 

Dies indessen ist die Frage: Kann die EU wirksame Rechtsnormen aufstellen, die so tief wie die fraglichen RL in nationale deutsche Grundrechte (Freiheit der Person, Privatautonomie, Lebensgestaltung usw.) eingreifen?[11]

 

4.        

In den Präambeln der einschlägigen RL liest man: „Der Rat ... - gestützt auf den EG-Vertrag, insb. auf Art. 13, auf Vorschlag, nach Anhörung ..., in Erwägung ... - hat folgende RL erlassen ...“. Dies also scheint die gesuchte Quelle zu sein; ihr Text:

„Art. 13 (Antidiskriminierungsmaßnahmen)

(1) Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des EU-Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechtes, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“

 

Art. 13 EGV selbst gibt dem Rat also keine Kompetenz, er setzt sie – d.h. die Übertragung einer solchen seitens der „Hohen Vertragsparteien“ (Art.1 EGV) auf den Rat – gerade voraus. Ist das geschehen – und wenn: wo? Ich habe gesucht und nichts gefunden[12]; wer hilft mir? Ich warte!

Oder gehe ich fehl in der Vermutung, dass auch kluge Spezialisten im Gesetz nichts Passendes entdecken? Könnte es sein, dass auch die RL-Verfasser selbst sich ihrer Sache nicht ganz sicher waren und deshalb mit ihren „Vorerwägungen“ ein bisschen nachhelfen wollten? Mit dem Satz nämlich:

„Diskriminierungen können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insb. die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie die Solidarität ...“.
Darin liegt wohl der Rückgriff auf eine Generalermächtigung, alles ökonomisch letztlich irgendwie Nützliche im Bedarfsfall durch Rechtsakte zu fördern
[13]. Und da die Wirtschaft, für welche die EG geschaffen worden ist, nach landläufiger (auch Brüsseler) Meinung die Basis des gesellschaftlichen Lebens - auch des vordergründig nichtökonomischen - darstellt, hat die EU danach auch für diesen (kulturellen, sozialen usw.) Überbau eine natürliche Zuständigkeit, jedenfalls soweit eine Rückwirkung des Überbaus auf die wirtschaftliche Basis in Betracht kommt[14]. Damit ließe sich nun allerdings jede Zuständigkeit beanspruchen! Die These ist abenteuerlich: Ihr steht zunächst schon, wie es jedenfalls scheint, der Text des Gründungsvertrags mit seinem oft berufenen „Subsidiaritätsprinzip“(EGV[15]) entgegen:

„Art. 5 (Subsidiaritätsprinzip)

Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig.

In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird sie nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend erreicht werden können.

So auch der EUV und die jetzt viel beredete EU-Verfassung[16], deren Vorkämpfer und Propagandisten nicht müde werden, zur Beruhigung der Gemüter gerade diese Begrenzung der Brüsseler Macht herauszustellen. Aber selbst dann, wenn irgendwo in den europäischen Normfluten eine formelle Generalermächtigung der beanspruchten Art zu finden wäre: Vor dem deutschem Verfassungsrecht könnte sie jedenfalls nicht bestehen und wäre für null und nichtig zu erklären[17].

 

5.        

Vielleicht aber ist die schulmäßige Frage nach Ermächtigungen im Ausgangsfall doch etwas naiv: Röllecke war auf sie (in etwas anderem Zusammenhang) schon früh gestoßen, wie seine kühl-ironische Bemerkung über „Antidiskriminierung auf europäisch“[18] zeigt:

„Als erstes fragt er (scil.: der Jurist) nach der Zuständigkeit der EG-Kommission und erhält eine klassische Antwort: „Zwar enthalten die EU-Verträge keine spezifischen Hinweise auf Zuständigkeiten in diesem Bereich, doch ist es angesichts der anhaltenden Präsenz von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in ganz Europa sowie der transnationalen Dimension dieser Erscheinung schwer, die Notwendigkeit geeigneter Maßnahmen auf europäischer Ebene zu bestreiten“. Im Klartext bedeutet das: Zuständig sind wir zwar nicht, aber wir tun es trotzdem. ... Zugegeben, die Zuständigkeitsfrage ist komplizierter. ... Das Problem ist nur: Wird sie überhaupt erörtert? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht. Denn Maßnahmen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus kann man nur zustimmen. Wer ... fragt, diskreditiert sich nur selbst“[19].

Sollte hier die Erklärung dafür liegen, dass auch die Opposition die Antidiskriminierungs-RL der EU mit beflissenem Beifall begrüßt, davor zurückschreckt, nach ihrer Vernunft und ihrer Verbindlichkeit zu fragen und sich auf das Verlangen beschränkt, es bei ihnen - vorerst - doch bitte bewenden zu lassen[20]?

 

6.        

Dies alles ist nun doch etwas in die Weite und Breite gelaufen und eigentlich noch lange nicht zu Ende. Trotzdem Schluss; und ich will mich jetzt nicht wiederholen, um meine Fragen an unsere Freunde vom INFO-POINT zusammenzufassen. Sie stehen ja schon irgendwo auf - nicht nur zwischen - den Zeilen. Und klüger zu werden, ist man nie zu alt.

 

Günter Bertram


 

[1] Die, mit Hans-Jürgen Rabe gesprochen, „in zunehmendem Maße wie eine Krake mit ihren Tentakeln in alle Rechtsgebiete eingreift“: MHR 4/2001, 28. Nach Hans Heinrich Rupp stammen ca. 60% der gesamten Rechtsmasse in allen europäischen Ländern aus Brüssel, also nicht mehr von den nationalen Parlamenten, Rupp in SZ v. 26.02.05: Dominanz der Verfassung Europas.

[2] vgl. dazu nur MHR 1/2001, 28; 1/2002, 24; 3/2002, 33; 3/2003, 19; 4/2003, 23; 1/2004, 38, 2/2004, 33; 3/2004, 20; 4/2004, 31; 1/2005, 41

[3] „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien vom 16.12.2004, vgl. auch MHR 1/2005, 29 mit Nachw. in Fn.1).

[4] vgl. Schaberg in MHR 1/2005, S. 3 re.

[5] Stand vom 29.11.2001

[6] vgl. zum Ganzen nur Roellecke in NJW 1996, 3261, Jochum in ZRP 1999, 279; Säcker in ZRP 2002, 286; Adomeit in NJW 2002, 1622, Braun in JuS 2002, 424; Neuner in JZ 2003, 57; Picker in JZ 2003, 540; Thüsing in JZ 2004, 172; Riesenhbuer/Frank in JZ 2004, 529; Bauner-Lieb in NJW 2004, 1431; Riesenhuber in EuZW 24/2004 S. 737.

[7] Scholz aaO. S. 14257 re:

„Worum geht es? Wir als anständige Bürgerinnen und Bürger wollen Folgendes einfach nicht mehr hinnehmen: Ein Gruppe Behinderter hat ein Hotel gebucht, erscheint dort, und dann wird ihr gesagt: Ihr könnt hier nicht sein; wir wollen nicht, dass ihr als behinderte Menschen, als Rollstuhlfahrer die übrigen Gäste stört. – Das ist die Situation, die unerträglich ist und die wir nicht mehr hinnehmen wollen.“ Der genannte Fall braucht rechtlich nicht geregelt zu werden; er ist es – im Sinne der Rollstuhlfahrer – schon längst. Scholz, der als erfahrener Rechtsanwalt dies nur bewusst getan haben kann, dreht sich aus den ganz anders liegenden Reisemängel-Fällen (z.B. AG Frankfurt NJW 1980, 1965; dazu auch NJW 1980, 1939; NJW 1998, 881; NJW 1998, 763 ff.) zum Gebrauch seiner Fraktionen seine rührselige Polemik zusammen, und so schallt es dann immer wieder zur Opposition hinunter: „Und Sie wollen die Behinderten also weiter diskriminieren!“

[8] Zur Zeit wird der Entwurf innerhalb der Koalition erneut beraten. Vor allem der Wirtschaftsminister scheint Abstriche i.S. der Opposition durchgesetzt zu haben: „Wirtschaftsstandort Deutschland“!

[9] vgl. Art. 249 EGV, der die unterschiedlichen EU-Rechtsquellen qualifiziert, dort Abs. 3: „Die RL ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel“. Der EGV u.a. Normen in handlicher Form z.B. Beck-Texte im dtv EuR - Europa-Recht -, 19. Aufl. 2004.

[10] Grundlegend die „AntirassismusRL“ 2000/43/EG vom 29.06.2000, die den Ton anschlägt (hinsichtlich ihrer ist die Bundesrepublik am 28.04.2005 vom EuGH bereits wegen Fristversäumung verurteilt worden), dem spätere RL folgen; weiter einschlägig RL 2000/78/EG vom 27.11.2000 und RL 2002/73 EG v. 23.09.2002.

[11] hier fehlt der Platz zu demonstrieren, wie sehr dies der Fall ist. Man sollte sich durch die Weitschweifigkeit der RL-Texte nicht davon abschrecken lassen, jedenfalls die o.g. Antirassismus-RL mit allen Regelungsvorgaben zur Kenntnis zu nehmen und ihren missionarischen Ton auf sich wirken zu lassen. Beziehbar sind sie und andere sicherlich über den INFO-Point Hamburg.

[12] die sog. Abrundungskompetenz des Art. 308 EGV scheidet schon formal aus, weil der Text des Art. 13 EGV einen Rekurs auf sie explizit ausschließt – von materiellen Gründen ganz zu schweigen.

[13] vgl. Art 2 EGV: Aufgaben der Gemeinschaft

[14] Dies ist die Substanz der Marx’schen Politischen Ökonomie (1859) - auf einen einzigen Satz verkürzt.

[15] Text wie Anm. 8) a.E., dort S. 29 ff.

[16] EUV Art. 2. zum Text s. Anm. 8 a.E., Beck’sche Ausgabe, S. 5 f.; vgl. auch den EU-Verfassungsentwurf vom 18. Juli 2003, Teil III Art. 9 und die dort folgenden Regelungen. Der VerfE. ist beziehbar auch über den INFO-POINT.

[17] Schon vor 12 Jahren – mit seinem „Maastrichturteil“ vom 12.10.1993 (BVerfGE 89, 155) - hat der 2. Senat des BVerfG die EG davor gewarnt, den Bogen ihrer Hoheitsanmaßungen zu überspannen. Nun wird der gleiche Senat - auf Grund seiner Verhandlung vom April 2005 über den EU-Haftbefehl - wieder darüber befinden müssen, wie tief Brüssel in deutsches Verfassungsrecht eingreifen kann. Hinzu kommt nach Billigung des EU-Verfassungsvertrags im Bundestag am 12. Mai 2005 jetzt die Organklage des CSU-Abgeordneten Gauweiler. Die Spannung zwischen deutscher Verfassung (Art. 23 I, 79 III GG usw.) nebst den eigenen Worten von 1993 und der inzwischen weiter gewachsenen Machtfülle Brüssels wird dem Gericht Kopfschmerzen bereiten.

[18] NJW 1999, 3261

[19] Die EU hält sich viel darauf zugute, jenseits praktischer Zwecke auch eine „Wertegemeinschaft“ zu sein (vgl. jetzt Teil I Art. 2 des EU-VerfE.). Man weiß inzwischen, was damit nicht gemeint ist: ein Rückgriff auf jüdisch-christliche Traditionen als Quelle von „Werten“ („die EU ist kein Christenclub!“), wie kürzlich das Scheitern eines Bewerbers um ein EU-Kommissariat just seiner katholischen Überzeugungen wegen gezeigt hat (Buttiglione im Herbst 2004 im Straßburger Parlament). Der positive Sinn der Rede ist dunkler. Aber zu welchen Aktivitäten die Wertegemeinschaft sich gelegentlich aufgerufen fühlt, hat sie im Frühjahr 2000 demonstriert, als sie ihr Mitglied Österreich - nach Abschluss der Wiener Koalition mit Jörg Haider  – in Missachtung des EU-Rechts unter diplomatische Quarantäne stellte und aller Art Kampagnen gegen das kleine Land schürte (dem weit mächtigeren Italien, das bald darauf solche Moralausbrüche der EU allenfalls verdient hätte, dergleichen aber wohlweislich ersparte). „Werte“ sind offenbar Blanko-Lizenzen, beliebiger verwendbar als Rechtsregeln, deren Befolgung jedenfalls der Idee nach einer gewissen Kontrolle unterliegt. Fazit: Wenn an Stelle der Rechtsgemeinschaft EU diese sich als „Wertegemeinschaft“ in Szene setzt, sollten alle Alarmglocken schrillen; denn dann ist offenbar etwas faul. Auch die o.g. Richtlinien tragen nur allzu deutlich den Stempel einer eifernden „Wertegemeinschaft“ (man liest z.B. in der Antirassismus-RL: „Die EU weist Theorien, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen, zurück. Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in dieser RL impliziert nicht die Akzeptanz solcher Theorien“ usw. usw. usw.).

[20] Rein analytisch zutreffend, meint Ina Hartwig in der FR vom 24.05.05, das für die NRW-Landesregierung desaströse Wahlresultat vom Sonntag - und evtl. demnächst ähnlich im Bund - sei für Rot/Grün nicht allzu dramatisch, denn "schließlich hat Europa etliche RL übernommen, die der rot-grünen Mentalität entstammen, wie z.B. ... Antidiskriminierungs-RL. Was also auf nationaler und Bundesland-Ebene wegzubrechen scheint, das Vertrauen in ein rot-grünes Projekt, ist zum großen Teilen im neuen Europa aufgegangen....."