(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/05, 14) < home RiV >

Treffen mit

dem Justizsenator

 

Begleitet von Staatsrat Lüdemann und von seinem Amtsleiter Siewert traf sich der Senator am 25. April 2005 mit dem Vorstand des Richtervereins, repräsentiert von Frau Dr. Schmidt-Syassen, Herrn Dr. Augner, Herrn Bertram, Herrn Hirth, Herrn Harms, Herrn Kopp, Herrn Koudmani, Herrn Schaberg und von Frau Dr. Tenorth als Vertreterin der Proberichter.

Vorab hatten wir den Senator über unseren Gesprächsbedarf zu folgenden Themen informiert: Sicherheitsfragen, Beschlüsse der JuMiKo zur Justizreform (Fachgerichtsbarkeiten, Qualitätsmanagement, Flexibilisierung, Richter als Dienstvorgesetzte) EDV-Probleme, insbesondere Dataport und Umstellung Internetzugang, Sparmaßnahmen, Stellenstreichung, Änderung des Hamb. Richtergesetzes im Hinblick auf Mitbestimmung.

Das Gespräch dauerte zwei Stunden. Es fand in einer offenen und vertrauensvollen Atmosphäre statt. Der Senator war ein aufmerksamer Zuhörer, ließ sich über unsere Probleme intensiv informieren und zeigte Verständnis auch dann, wenn er unseren Erwartungen nicht entgegenkam.

 

Konsens zwischen Senator und Richterverein bestand über das dringendste und wichtigste Thema – die Sicherheit der Hamburgischen Richterschaft. Ausgelöst durch den Angriff auf unseren Kollegen Tempke waren Richterschaft und Senator sich einig, dass etwas geschehen muss. Der Richterverein plädierte vor allem dafür, vorrangig bei bestimmten Gefahrenbereichen, u.a. bei den Familien- und Vormundschaftsgerichten, tätig zu werden, grundsätzlich mehr Sicherheitspersonal einzustellen und intensiv zu schulen, damit dieses Zugangskontrollen sicher handhaben und auch in Notsituationen bereitstehen könne.

 

Der Senator hat die Dringlichkeit des Problems anerkannt und grundsätzlich zugestimmt, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, aber vor einer Dramatisierung der Situation ebenso gewarnt wie vor weit reichenden Maßnahmen mit unerwünschten Folgeproblemen. Man dürfe aus Gerichten keinen Hochsicherheitstrakt machen; Offenheit der Gerichte für die Bürger sei für ihn ein wichtiges Prinzip. Im Übrigen müssten sich alle Maßnahmen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Stadt bewegen. Konkrete Zusagen könne er jetzt noch nicht geben; man müsse die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zur Sicherheitslage in den Amtsgerichten abwarten.

 

Erheblichen Dissens gab es hingegen über die Beurteilung von Maßnahmen der Qualitätssicherung durch ein strukturiertes Benchmarking-Verfahren unter Nutzung von Kennzahlen, wie sie für den Bereich der Justiz anlässlich des Treffens der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre im März 2004 in Schwerin vorgeschlagen worden sind. Der Richterverein äußerte seine ernste Besorgnis, dass Verfahren dieser Art sachfremde Beurteilungskriterien in den Arbeitsprozess der Gerichte einführen, dass die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Richter u.a. durch Präsenzpflicht beeinträchtigt würde und dass eine allein an der Quantität orientierte Bewertung der richterlichen Arbeit notwendig zu Qualitätseinbußen führen würde.

Senator und Staatsrat teilten in diesem Punkt die Besorgnis des Richtervereins nicht und versuchten, die Bedenken mit dem Hinweis zu zerstreuen, dass es sich bei den Beschlüssen weder um aktuell verbindliche Vorgaben noch um konkret einzuführende Maßnahmen handle, sondern um ein Diskussionspapier, das erste Vorüberlegungen festhalte. Es müsse aber den Justizministern erlaubt sein, auch die Qualität und Leistungsfähigkeit der Arbeit der Gerichte vergleichend zu prüfen, Erledigungszahlen zu erheben, über Kernarbeitszeiten nachzudenken, nach der Kostendeckung zu fragen und auch von der Justiz Rechenschaft über ihre Ausgaben zu fordern. All dies berühre nach der auf der JuMiKo vorherrschenden Ansicht die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richter nicht.

Der Richterverein bekräftigte seine entschiedene Ablehnung von Maßnahmen dieser Art einerseits mit dem verfassungsrechtlichen Argument, dass die Einführung fester Arbeitszeiten für Richter mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar sei, zum anderen unter Hinweis darauf, dass die gerechte Geschäftsverteilung Aufgabe der gerichtlichen Selbstverwaltung sei und durch die Präsidien am besten und effektivsten erledigt werde; auch Qualitätsstandards könnten angemessen nur hier erarbeitet werden. Nach einheitlichen Kriterien erhobene Kennzahlen seien schließlich vollständig ungeeignet, die Arbeit der Gerichte realistisch abzubilden und müssten deshalb zu negativen Wirkungen für die Qualität der richterlichen Arbeit führen. Die Frage der Kostendeckung müsse im Übrigen im Gesamtkontext gesehen werden: Die Zivilgerichtsbarkeit arbeite bereits jetzt schon kostendeckend und spezielle Kammern des Landgerichts (z. B. Wettbewerbs- und Pressekammern) machten den Standort Hamburg attraktiv für die Prozessführung großer Kanzleien. Diese Tatsachen dürfe der Senat nicht aus dem Blick verlieren, wenn über weitere Sparmaßnahmen und Stellenstreichungen nachgedacht werde.

Senator und Staatsrat haben für das weitere Verfahren angeboten, die Position des Richtervereins bei den Ende Mai stattfindenden Beratungen der Staatssekretäre mit zu berücksichtigen.

Die übrigen Themen wurden schon wegen der fortgeschrittenen Zeit deutlich kürzer als die vorangehenden zentralen Fragen behandelt:

Hinsichtlich der eingangs erwähnten EDV-Problematik signalisierte der Senator Offenheit. Herr Hirth erklärte, dass die Einrichtung eines kostenträchtigen Windows-Terminal-Servers[1] zu Erschwernissen im Umgang mit dem Internet führe: Der Umstand, dass für alle am OLG beschäftigten Richter ein Zugriff auf das Internet erst nach einer zusätzlichen Anmeldeprozedur möglich sei, stehe beispielhaft für die mit Einrichtung des Servers verbundenen Schwierigkeiten. Die gesamte Entwicklung laufe dem Ziel, das Internet verstärkt als Arbeitsmittel einzusetzen, zuwider. Dieses Ziel sollte aber schon aus Kostengründen im Interesse des Senats liegen. So könnten etwa über den vermehrten Zugriff der Richter auf „Beck.online“ und ähnliche Internetseiten Mittel für die Anschaffung und Aktualisierung von Kommentaren und Gesetzen eingespart werden. In Übereinstimmung mit der Position der Senatsvertreter vor dem Rechtssausschuss vertrat der Vorstand des Richtervereins die Ansicht, dass der mit Einrichtung des Terminalservers bezweckte zusätzliche Datenschutz überflüssig ist, da die Rechner durch die bereits bestehenden Virusscanner und Firewall ausreichend geschützt sind. Der Senator erklärte seine grundsätzliche „geistige und moralische“ Unterstützung für die Position der Richterschaft in diesem Punkt, er wolle aber zunächst noch die datenschutzrechtlichen Aspekte einer genauen Prüfung zuführen.

 

Den Abschluss des Gesprächs bildete ein Beitrag von Herrn Harms zum Personalvertretungsrecht: Für die Richterräte führe das neue PersonalvertretungsG zu einer weitgehenden Einschränkung der ohnehin bislang nicht stark ausgeprägten richterlichen Mitbestimmungsrechte. Hiergegen wandte der Senator ein, dass eine Absicherung der richterlichen Beteiligungsmöglichkeiten über das PersonalvertretungsG nicht erforderlich sei, da mit der Institution des Richterwahlausschusses bereits ein sehr effektives Mittel der Mitbestimmung zur Verfügung stehe. Da der Senat von jeher im Richterwahlausschuss keine Mehrheit habe, sei die Richterschaft im Beförderungswesen vor einer befürchteten Dominanz der Justizbehörde geschützt. Der Richterverein widersprach dieser Einschätzung und machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass sich das Interesse an effektiver Mitbestimmung nicht auf den Bereich des Beförderungswesens reduzieren lasse. Zudem müsse bei der Ausgestaltung der Vorschriften zu Inhalt und Verfahren der Mitbestimmung berücksichtigt werden, dass Richter nicht durch hauptamtliche Personalräte vertreten würden. Insbesondere die in § 49 Abs. 3 des Hmb. Richtergesetzes enthaltene Regelung, nach der eine Zustimmung als erteilt gelte, wenn der Richterrat sie nicht innerhalb von zwei Wochen (ggf. auch nur innerhalb einer Woche) schriftlich und unter Angabe von Gründen verweigere, lasse den Richtern keinen ausreichenden Zeitraum für sorgfältige Prüfungen der beabsichtigten Maßnahmen. Der Vorstand des Richtervereins vertrat die Position, dass diese Frist mindestens vier Wochen betragen müsse. Herr Lüdemann sicherte letztlich zu, er werde sich für eine Verlängerung der Frist auf drei Wochen einsetzen. Der Staatsrat bat den Vorstand des Richtervereins darum, seine Stellungnahme zum PersonalvertretungsG noch einmal schriftlich einzureichen.

Schließlich soll an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass der Senator das Gespräch mit dem Vorstand des Richtervereins zum Anlass nahm, die Verfasserin in ihrer Funktion als Referentin des Justizprüfungsamtes (JPA) auf die seines Erachtens nach überlange Dauer des Prüfungsverfahrens im 1. Staatsexamen anzusprechen. Er war erfreut zu hören, dass im JPA derzeit intensiv über Möglichkeiten zur Beschleunigung der Verfahrensabläufe nachgedacht wird.

Weitere Zusammenkünfte dieser Art sind nach Meinung des Richtervereins wünschenswert, besonders dann, wenn sich neue Entwicklungen zur Sicherheitsproblematik und zu Fragen des Qualitätsmanagements abzeichnen.

Miriam Tenorth


 

[1] Der am Arbeitsplatz des Richters stehende PC dient dann nur noch als sog. „dummes Terminal“ und alle Daten und Programme werden auf einem Rechner bei Dataport gespeichert.