Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
ein letztes Editorial verbleibt mir, auch wenn ich mit Entgegennahme einer Ernennungsurkunde Schleswig-Holsteins aus dem Hamburgischen Richterverhältnis endgültig ausgeschieden bin. Eine Beurlaubung wollte der Senat der FHH nicht aussprechen. Nun, ich bin damit in der Landesregierung nicht allein: Eine Ministerin und drei Staatssekretäre sind „expatriierte Hamburger“.
Einen historischen Rückblick auf meine Hamburger Zeit halten andere in diesem Heft für mich. Das Lesen dieser Artikel hat mich sehr gerührt. Ich selbst habe meine Bemühungen um die Geschichte der Justiz, ihre Verbindung zur Kultur, Zivilcourage und Bestärkung richterlichen Bewußtseins immer als selbstverständlich für unseren Berufsstand angesehen. 29 Jahre Hamburger Richterin – das scheint eine lange Zeit. Sie ist aber wie im Flug vergangen. Viele positive und einige negative Erfahrungen weben ein dichtes Bild. Im Ergebnis zählen die Kollegialität und Freundschaft der Handelskämmerer, die Begegnung mit dem unvergleichlichen Roland Makowka („Hängen wir am Sonnabend Bilder auf?“), die Zusammenarbeit mit Günther Bertram, dem Meister des geschliffenen Wortes, die Aufbruchstimmung, die mit „Kultur und Justiz“ verbunden war („Bibliotheken sind eine gefährliche Brutstätte des Geistes“), die Hamburger Justiztage (Wie ordne ich das totale Chaos?) und vor allem „unsere“ MHR. Ziel dieser Aktivitäten war es in erster Linie, den Zusammenhalt der Richterschaft zu festigen, auch jungen Richtern das Gefühl für Kultur und Geschichte ihres Berufsstandes, für Lust und Last Richterlicher Unabhängigkeit zu vermitteln.
Dies alles hat mir ebenso viel gegeben wie es Zeit und Kraft gekostet hat. Es ist eine ausgeglichene Bilanz.
Für die MHR gab es immer wieder Zeiten, in denen ihre redaktionelle Freiheit bedroht zu werden schien, durch versuchte Einflussnahme des Vorstandes, durch die Spitze der Justizbehörde, die sich unvorteilhaft dargestellt sah und einen „Beförderungsstop“ für den Fall fortgesetzter Unbotmäßigkeit durchklingen ließ, durch Politiker oder Vertreter anderer Berufsgruppen, die intervenierten. Dies alles blieb ohne Erfolg. Wie auch schon mit Günther Bertram als Chefredakteur, der die Redaktion mit seiner Pensionierung verließ, war eine Einschränkung der Meinungsvielfalt unseres Blattes mit mir nicht zu haben. Diese Festigkeit wird auch Wolfgang Hirth zeigen. Die MHR sind nur dann sie selbst, wenn Sie als offenes Forum für Erfahrungen, Meinungen, fachliche Untersuchungen, Aktivitäten, Interessen und Wünsche der Hamburger Richterschaft bilden – das macht ihren Reiz aus.
Auch im vorliegenden Heft ist dies wieder gelungen. Nun schon seit ein paar Jahren sammelt Wolfgang Hirth die MHR-Beiträge, regt zu neuen Beiträgen an und versammelt sie zu einem ansehnlichen Layout. Auch wenn unser Blatt äußerlich bescheiden daherkommt, der Inhalt kann sich selbstbewußt messen lassen. Immer war es z.B. wichtig, Instrumente vermeintlichen Fortschritts kritisch zu durchleuchten und wie in Andersens Märchen festzustellen „Der Kaiser ist nackt“ - sich nicht blenden zu lassen von den schönen neuen Worten wie „Kosten-Leistungsrechnung“, „Justizcontrolling“, „Benchmark-Verfahren“ „Balanced Scorecard“, „EFQM-Modell“ oder wie die Instrumente moderner Verwaltung auch heißen mögen. Im Focus stehen die Parteien. Alles was ihnen hilft, ein schnelles und überzeugendes Ergebnis zu erzielen – sei es ein Vergleich oder ein Urteil – ist zu fördern. Der Zeitaufwand für Qualitätszirkel hat sich an diesem Nutzen zu orientieren.
Wenn ich nun meinen Hut nehme und die Freie und Hansestadt Hamburg verlasse, so bleibt doch ein Stück von mir am Sievekingplatz. Eine Abschiedsfete, so gern ich sie gemacht hätte, musste angesichts der nur zweitägigen Aufbruchsfrist unterbleiben – nachträglich läßt sich ein Termin nur schwer finden. So verabschiede ich mich auf diesem Wege von allen, die meinen Weg gekreuzt oder begleitet haben. Ich wünsche allen Lesern einen schönen Sommer, gute Tage mit Familie und Freunden. Ich werde von meinem Dienstzimmer auf die Kieler Förde und das Landeshaus sehen, mich in die Kieler Woche stürzen, die alljährlich das politische und gesellschaftliche Leben der Landeshauptstadt für sich einnimmt. Besucher aus Hamburg sind jederzeit herzlich willkommen.
Ein letztes Mal (jedenfalls im Editorial) mit herzlichen Grüßen
Ihre
Karin Wiedemann