Projekt Verhandlungsführung
Zwar hat man nach der Idee des Deutschen Richtergesetzes bereits nach dem Erwerb zweier juristischer Staatsexamina die Befähigung zum Richteramt, tatsächlich wird man aber den Anforderungen, die der Arbeitsalltag an einen stellt, nicht immer gerecht. Besonders den am Amtsgericht in Strafsachen eingesetzten Proberichtern, die sich – anders als ihre Kollegen am Landgericht – nicht hinter dem breiten Rücken eines erfahrenen Vorsitzenden verbergen können, sondern den Tücken des Strafprozesses und dem Taktieren der Verteidiger allein die Stirn bieten müssen, bereitet die effektive Vorbereitung und Leitung einer Hauptverhandlung große Schwierigkeiten.
Dass es dem Berufsanfänger an Erfahrung mangelt, ist eine banale Erkenntnis. Aber man nähme die Sorgen der Proberichter nicht ernst, begnügte man sich damit, abzuwarten, bis sich dieser Mangel durch Zeitablauf und den – im besten Fall mühsamen – eigenständigen Erwerb von Verhandlungspraxis eines Tages erledigen wird.
Umso mehr ist es daher zu begrüßen, wenn sich erfahrene Kollegen der Probleme der Proberichter annehmen und wie der VRiLG Schaberg bereit sind, ihr Wissen an die Jüngeren weiterzugeben.
Im Rahmen des Projekts „Verhandlungsführung“ hat Herr Schaberg im Spätsommer des vergangenen Jahres eine kleine Gruppe von Assessoren an fünf Nachmittagen in sein Dienstzimmer eingeladen. Dort gewährte er uns – neben dem Ausblick aus dem Dachfenster seines Arbeitszimmers – anhand ausgewählter BGH-Entscheidungen zum Verfahrensrecht und Anekdoten aus seinem Strafrichterleben Einblicke in das Recht und die Praxis der Verhandlungsvorbereitung und –leitung, hatte ein offenes Ohr, wenn wir von den Schwierigkeiten in der Abteilung oder Kammer berichteten und gab Tipps für die Bewältigung der nächsten Sitzung.
Am Ende der Veranstaltung hat keiner von uns das Büro des Vorsitzenden der Großen Strafkammer 22 als erfahrener Strafrichter verlassen, aber wir haben neben wertvollen Anregungen für unser weiteres Berufsleben auch das großzügige Angebot von Herrn Schaberg, uns jederzeit mit Fragen an ihn wenden zu können, mit auf den Weg genommen.
Insbesondere die Kollegen vom Amtsgericht, die oft nicht wissen, wen sie mit den drängenden Problemen ihres Alltages behelligen können, haben diese Offerte inzwischen wiederholt und dankbar in Anspruch genommen. Und gerade an sie sollte sich die Neuauflage dieses Projektes, die es hoffentlich in diesem Jahr geben wird, wenden.
Miriam Tenorth