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Beihilfe

Der Richterverein ist als Berufsverband von dem Personalamt des Senates an dem Verfahren zur geplanten Änderung des Hamburgischen Beamtengesetzes und der Hamburgischen Beihilfeverordnung beteiligt worden.

Materiell interessiert an dem Vorhaben vor allem die beabsichtigte Einführung eines § 17a HmbBeihVO („Kostendämpfungspauschalen“). Hiernach sollen die Besoldungsgruppen R 1 mit 200 € (Ruhestand R 1 mit 160 €) pro Jahr und R 2 und R 3 mit 250 € pro Jahr (Ruhestand R 2 mit 200 €) belastet werden. Die Pauschale wird von der jährlichen Beihilfeleistung abgezogen. Je berücksichtigungsfähiges Kind vermindert sich die Pauschale um 25 €. Zur Begründung wird angeführt, eine Besserstellung der Beihilfeberechtigten gegenüber den gesetzlich Krankenversicherten solle vermieden werden. Die mit dem GKV-Modernisierungs­gesetz eingeführten Belastungen („Praxisgebühr“ etc.) sollten auch auf die Beihilfeberechtigten insgesamt wirkungsgleich übertragen werden. Die Änderung des Hamburgischen Beamtengesetzes soll für die Änderung der Beihilfeverordnung die gesetzliche Grundlage schaffen und zudem soll die bislang bestehende grundsätzliche Bindung Hamburgs an die Bundesbeihilfevorschriften aufgegeben werden. Hierzu nun der Brief des Richterverein.

die Redaktion

 

Brief des Richtervereins

an das Personalamt

 

Hamburg, 19. November 2004

 

Der Hamburgische Richterverein nimmt zu den Änderungsvorhaben wie folgt Stellung:

 

I. Änderung der Beihilfeverordnung

Die geplante Ergänzung der Beihilfeverordnung um § 17a sollte – jedenfalls in dieser Form – aufgegeben werden. Sie führt allgemein zu einer weiteren unangemessenen Verkürzung der gebotenen Alimentation (1.). Überdies ist sie in ihrer Ausgestaltung mit ungerechtfertigten Nachteilen bzw. Mängeln behaftet (2.) und führt zu einer im Ländervergleich deutlichen Schlechterstellung der Hamburgischen Bediensteten (3.).

1.

Dem Personalamt ist bekannt, in wie vielfältiger und nachhaltiger Weise schon in den vergangenen Jahren die Beamten- und Richterschaft belastet worden ist, um die staatlichen Haushalte zu entlasten. Im Vergleich zu sonstigen Arbeitnehmern geringere und spätere Besoldungserhöhungen, gravierende Einschnitte bei der Versorgung (Berufsunfähigkeit und Alter), Kürzungen bzw. Streichungen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben schon längst dafür gesorgt, dass die Prämie der öffentlich Bediensteten für ihre Arbeitsplatzsicherheit – die in unserem Bereich vor allem bedeutet, dass wir mit Sicherheit an unseren Plätzen immer mehr Arbeit haben - weit über das hinausgeht, was bei der Berufswahl zu erwarten war und was auch bei Betrachtung der Gesamtsituation angemessen wäre.

 

Einschnitte sind auch im Bereich der Beihilfe wiederholt vorgenommen worden, nicht zuletzt um der Forderung aus dem politischen Raum, die Beamten mit den gesetzlich Versicherten gleich zu behandeln, nachzukommen. Dabei wird regelmäßig verkannt, dass eine solche partielle Gleichbehandlung verfehlt ist. Die grundsätzliche Eigenleistung der Beihilfeberechtigten in Form der Prämienzahlung an die private Krankenversicherung wird genauso ignoriert wie der korrespondierende Umstand, dass nach diversen Wirtschaftlichkeitsberechnungen das Beihilfesystem auch dem Staat im Vergleich zu einer Einbeziehung der Bediensteten in die gesetzliche Krankenversicherung erhebliche Kostenvorteile bringt.

 

2.

Selbst wenn eine weitere Einschränkung der Alimentation hinzunehmen wäre, sollte sie nicht in dieser Form erfolgen. § 17a ist in seiner Ausgestaltung mit ungerechtfertigten Nachteilen bzw. Mängeln behaftet. Insbesondere die von uns vertretenen Gehaltsgruppen sind sowohl in der absoluten Höhe als auch in der relativen Belastung unverhältnismäßig stark in Anspruch genommen. Dies ist nicht mit dem angegebenen Zweck der Kostenpauschale zu rechtfertigen.

 

a)

Der benannte Zweck der Regelung, eine „wirkungsgleiche“ Umsetzung der Regelungen des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG), wird nicht erreicht. Zwar wird die Pauschale als Leistungskürzung den insoweit maßgeblichen „Praxisgebühren“ nachgebildet – der wesentliche Steuerungseffekt dieser Gebühren aber, die quartalsweise wirkende Bremse für die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen, wird bei einer Jahrespauschale verfehlt. Wer sich im Sinne des SGB V verhält und Fachärzte nur mit Überweisung aufsucht, kann seine Jahresbelastung durch die Praxisgebühr unabhängig von der Zahl der Arztbesuche und ihrer Verteilung über das Jahr jedenfalls auf 40,- € begrenzen – während der R-1 Richter, der nur einmal in einem Jahr eine etwas komplexere Arztleistung in Anspruch nimmt, mit 200,- € belastet wird.

Als besonders nachteilig, d.h. evident fehlsteuernd, wirkt sich überdies aus, dass noch nicht einmal die Vorsorgekosten von dem Pauschalabzug ausgenommen werden sollen.

 

b)

Die Ausgestaltung der Eigenbeteiligung ist ungerechtfertigt und allenfalls politisch zu erklären. Bei tatsächlicher Orientierung an den Regelungen des GKV-Modernisierungs­gesetzes müssten die Pauschalen über alle Besoldungsgruppen einheitlich sein. Die höheren Besoldungsgruppen werden jedoch, insbesondere ab R 1, auch noch weit überproportional in Anspruch genommen. Diese besondere Belastung trägt weiter (nach z.B. der Streichung des Urlaubsgeldes ab A 9 und der ab A 12 geltenden weiteren Reduzierung der Sonderzuwendung) dazu bei, unter Verstoß gegen den Grundsatz der Amtsangemessenheit der Alimentation die Besoldung des höheren Dienstes der des gehobenen Dienstes pp. anzugleichen. Die Ungleichbehandlung ist beträchtlich: Die Pauschale für R 1 beträgt so z.B. 400 % der Pauschale für A 9 und 200 % der Pauschale für A 12 – während die Differenzen bei den Endgrundgehältern wesentlich niedriger sind (R 1 = 200 % von A 9 und R 1 = 143 % von A 12).

Die Pauschalen für die Ruheständler sind ebenfalls unangemessen hoch angesetzt. Sie berechnen sich auf 80 vom Hundert des Wertes für aktive Bedienstete, obwohl dies nicht dem Verhältnis zwischen Ruhestandsbezügen und Bezügen im aktiven Dienst entspricht. Zwar wird in der Begründung (Anlage 2, Seite 5) hierzu angeführt, mit der überproportionalen Inanspruchnahme werde ein Ausgleich zu der Verschlechterung angestrebt, die Rentner seit dem 01.04.2004 durch ihre Heranziehung zu den Beiträgen zur Pflegeversicherung gehabt hätten. Damit wird jedoch ersichtlich systemwidrig der Begründungszusammenhang mit dem GMG verlassen und ein so weiter Kreis vorgeblicher Gleichbehandlungsanliegen eröffnet, dass weitere Beihilfekürzungen beispielsweise durch den Eintritt unterschiedlicher steuerlicher Effekte bei Beamten und Angestellten begründet werden könnten.

 

Wichtiger noch: Bei den Ruheständlern werden die Alimentationsverhältnisse noch weitergehend systemwidrig verändert, nämlich amtsübergreifend angenähert. So werden z.B. R-1-Ruheständler, die durchschnittlich eine der Endstufe A 12 entsprechende Pension beziehen, bei der Pauschale um 60 vom Hundert höher belastet als aktive A-12-Bedienstete in dieser Endstufe; bei R-2- Ruheständlern beträgt die relative Mehrbelastung gegenüber der Vergleichsgruppe A 13-aktiv immer noch 33 vom Hundert.

 

3.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass Hamburg im Ländervergleich – und zwar auch mit Ländern wesentlich geringerer Finanzkraft – seine Beihilfeberechtigten besonders belas­tet und so weit hinter dem in sonstigen Fäl­len angeführten Vorbild der Landesregie­rung, Baden-Württemberg, zurückbleibt. Dort nämlich werden nicht nur mehr Leistungen gewährt (Erstattungsfähigkeit der Wahllei­stungen bei stationärer Behandlung), sondern die seit dem 01.04.2004 geltenden Pauschalen sind auch geringer (für A 13 bis A 16 120,- €). In Schleswig-Holstein ist die Pauschale zwar für R 1 auch mit 200,- € angesetzt, damit jedoch alles abgegolten, was in Hamburg weiterhin von den Beihilfeberech­tigten selbst zu tragen ist (Zuzahlungen zu Arznei- und Hilfsmittel, Fahrtkosten, Kran­ken­hausaufenthalten etc.).

 

4.

Anmerkung: Bei der Gelegenheit der Änderung der Beihilfe-VO könnte dort auch § 2 Abs. 1 Nr. 2 um die merkwürdige Formulierung bereinigt werden, wonach Beamte und Richter im Ruhestand als „entlassen“ gelten.

 

II. Änderung des Hamburgischen

Beamtengesetzes

Die geplante Änderung des § 85 HmbBG ist nicht nur grundsätzlich deshalb abzulehnen, weil damit weitere Leistungskürzungen ermöglicht werden sollen (hierzu vgl. oben). Gegen die gewählte Form der Änderung sprechen auch weitere Gründe.

1.

Die Abkehr von der Orientierung an den Regeln für Bundesbeamten ist nicht angezeigt. Damit wird die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet weiter in Frage gestellt und die mit der Teilhabe an einem größeren Rechtskreis verbundene Rechtssicherheit aufgegeben.

2.

Die Bestimmung über die Verminderung der Beihilfeleistung erscheint unausgewogen. Während die Modalitäten der Leistungskürzung relativ detailliert vorgegeben werden, fehlt es völlig an einem Maßstab für Zweck und Umfang der eröffneten Minderung. Dies dürfte mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar sein. Trifft die Gesetzesbegründung zu, wonach eine „wirkungsgleiche“ Übertragung der Leistungseinschränkungen nach dem GMG ermöglicht werden solle, so sollte dieser Zweck auch festgehalten werden.

Indem die Darstellung der Minderung allein in Form „gestaffelter Beträge“ zugelassen wird, ist übrigens auch der Weg für die in der Änderungsverordnung gewählte Form der Würdigung sozialer Gesichtspunkte versperrt. Nach § 17a würden nämlich die sozialen Gesichtspunkte durch einschränkende Tatbestände berücksichtigt; demgegenüber müsste nach dieser Gesetzesfassung für jeden geregelten Fall ein konkreter Staffelbetrag ausgeworfen werden.

 

Mit freundlichem Gruß

Dr. Schmidt-Syaßen