Tagungsbericht
zum 8. Schleswiger Forum zum
Öffentlichen Recht am 18.Juni 2004
Am 18. Juni 2004 fand zum achten Mal das Schleswiger Forum zum Öffentlichen Recht in den Räumlichkeiten des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts statt. Die Veranstalter waren der Bürgermeister der Stadt Schleswig, das Lorenz–von–Stein–Institut für Verwaltungswissenschaften an der Christian‑Albrechts‑Universität zu Kiel, die Landesgruppe Schleswig–Holstein der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht im Deutschen Anwaltverein, der Präsident des Schleswig–Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts und kooperierend der Info–Point Europa Hamburg.
Dieses Jahr standen im Mittelpunkt der Vorträge das Vergaberecht in der Praxis und die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens.
Eröffnet wurde das Seminar durch eine Rede des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, Hans-Joachim Schmalz. Thorsten Dahl, Bürgermeister der Stadt Schleswig, richtete anschließend ein Grußwort an alle Teilnehmer. Unter der Moderation von Schmalz und RA Arno Witt aus der Kanzlei Wegner Stähr & Partner, Kiel, wurde das erste Teilthema, die Vermeidung typischer Fehlerquellen, durch den Vortrag von Dr. Nico Spiegel, Generaldirektion Binnenmarkt, Direktion D 2 – öffentliches Auftragswesen, der Europäischen Kommission, eingeleitet.
In seinem Referat beschäftigte sich Dr. Spiegel konkret mit dem aktuellen Stand und den Perspektiven europarechtlicher Vorgaben für nationale Vergabeverfahren und Vergabeentscheidungen.
Nachdem zunächst sowohl der
rechtliche als auch der institutionelle Rahmen des europäischen Vergaberechts
aufgezeigt und abgesteckt wurde, erstreckten sich Dr. Spiegels
Erläuterungen von den Schwellenwerten
über die Wahl des Vergabeverfahrens, die Bekanntmachungsvorschriften, die
Vorschriften auf technischem Gebiet bis hin zu den Eignungs- und
Zuschlagskriterien. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Vergabekontrolle
der nationalen Nachprüfungsinstanzen, deren Befugnisse und auf mögliche
Rechtsschutzmöglichkeiten von Betroffenen bei der Europäischen Kommission
hingewiesen.
Einen weiteren Schwerpunkt stellten die Öffentlich-privaten Partnerschaften und das in diesem Rahmen geplante Grünbuch dar. Zudem verwies Dr. Spiegel auf die im Rahmen eines Legislativpakets umzusetzenden Richtlinien und endete mit einigen Beispielen aus der Praxis in Vertragsverletzungsverfahren sowie Informations- und Kontaktangaben.
In der anschließenden Diskussion wurde u.a. auf das Feld der Dienstleistungskonzession außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie vertiefend eingegangen. Als besonders problematisch wurde hervorgehoben, dass die Vergaben als politische Entscheidungen auf sehr vagen Regelungen fußen würden.
Zudem wurde der wettbewerbliche Dialog als lebensfähiges Prinzip in Frage gestellt. Die Unternehmen müssten dafür ihr spezielles Fachwissen offen legen. Aufgrund dieses u.U. unternehmenspolitisch nachteiligen Erfordernisses sei eine lediglich zögerliche Reaktion zu erwarten.
Abschließend wurde die Rechtsschutzmöglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens vor der Kommission diskutiert. Gefordert wurde aufgrund der zeitlichen Länge die Möglichkeit eines Eilverfahrens, das in der neuen Vergabekontrollrichtlinie jedoch auch zu erwarten sei.
Es folgte der Vortrag der Vorsitzenden der Vergabekammer des Landes Schleswig–Holstein, Gabriele Tahal, über die Funktion und Grundzüge des Vergabeverfahrens. Neben den Grundbegriffe und Grundprinzipien des Vergaberechts und Verfahrens ging Tahal insbesondere auf den Verfahrensablauf ein. Mit der Erläuterung von denkbaren Möglichkeiten zur Verschlankung des Vergaberechts endeten ihre Ausführungen.
Der Referatsleiter für Bautechnik, Bauwirtschaft, Vergabewesen, europarechtliche Angelegenheiten im Baubereich des Schleswig–Holsteinischen Ministeriums für Inneres, Ralf Naumann, befasste sich mit den Besonderheiten des Verfahrens nach der VOB. Dabei stand zunächst die beschränkte Ausschreibung als Verfahrensart im Vordergrund des Vortrags. Konkret wies er zudem auf gewerkweise bzw. fachlosweise Vergabe von Leistungen und auf Besonderheiten im Verhältnis zum VOL-Verfahren, den Eröffnungstermin, die Regelungen hinsichtlich unvollständiger Angebote und bezüglich der Eigenleistungsverpflichtung des Bieters hin.
Im Folgenden zeigte Dr. Ing. Christoph Tiebel von der ATUS GmbH – Berater, Gutachter, Ingenieure, Hamburg, einige Besonderheiten des Verfahrens nach der VOL auf. Er beschäftigte sich im Wesentlichen mit Dienstleistungsausschreibungen oberhalb der Schwellenwerte. Eindrücklich wurden dabei die Stellung eines sog. „Platzhirschen“ bei diesen Ausschreibungen, typische Angriffspunkte für einen Nachprüfungsantrag der Beteiligten, Eignungsanforderungen und –nachweise sowie der Begriff der Auskömmlichkeit herausgearbeitet. Zudem stellte Dr. Tiebel die Problematik von Unterangeboten dar und diskutierte ausgewählte Aspekte der Leistungsbeschreibung und Beispiele von Verfahrensfehlern.
Johannes Hartwig, Referent für Technologiepolitik im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Schleswig–Holstein, befasste sich mit den Besonderheiten des Verfahrens nach der VOF. Zunächst stellte er die Vergabe freiberuflicher Dienstleistungsaufträge nach § 5 VgV i.V.m. § 98 Nr. 1 – 3 und 5 GWB, §§ 1 und 2 II 2 VOF vor, zeigte in einem zweiten Schritt die Schwellenwerte nach der VOF, die Einleitung des Verhandlungsverfahrens, das Auswahlverfahren sowie vertieft die Verhandlungsphase auf. Abschließend wurden die Regelungen für den Wettbewerb nach der VOF näher beleuchtet.
Martin Hamm, Regierungsdirektor im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Schleswig–Holstein, richtete den Blick speziell auf die Vergabepflichten unterhalb der Schwellenwerte. Nach Bezeichnung der Ausgangslage wurde ein ausführlicher Überblick über die bundesgesetzlichen und landesgesetzlichen Regelungen bis hin zur Rechtslage im Land Schleswig–Holstein gegeben. Speziell wurde dabei auf das Mittelstandsförderungsgesetz von 1977, die Novellierung des Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetzes von 2003 und dessen Änderung von 2004 eingegangen. Nach Erklärungen zum Schleswig–Holsteinischen Tariftreuegesetz endete Hamm mit erläuternden Hinweisen zu dem umkreisten Themenbereich.
In der folgenden Diskussion wurde u.a. vertiefend die Anwendung des Tariftreuegesetzes problematisiert.
Nach der Mittagspause leitete RA Dr. Mathias Nebendahl, Kanzlei Brock, Müller, Ziegenbein aus Kiel unter der Moderation von Prof. Dr. Albert von Mutius, Kiel, das zweite Teilthema, Einzelfragen des Vergaberechts, ein.
Unter der Überschrift „Ausgestaltung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes“ zeigte er zunächst die Struktur der vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen auf. In drei weiteren Abschnitten folgten die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages von der Vergabekammer, die sofortige Beschwerde an den Vergabesenat und die Erläuterung von Zuschlagssperren.
Dr. Marius Raabe, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Kanzlei Weissleder & Ewer, Kiel, führte sein Thema, Vergaberecht und Privatisierung, mit Erklärungen zum Begriff der Privatisierung und zum Verhältnis von Privatisierung und Auftragsvergabe ein. Im Anschluss wurden die Organisationsprivatisierung und die Gegenstände einer Public Private Partnership detailliert ausgeführt.
In der anschließenden Diskussion wurde insbesondere die Frage der „de facto – Aufträge“ ohne Verfahren problematisiert. Zudem tauchte die Frage nach einem effektiven Rechtsschutz bei fehlerhaften, durch Auftragsvergabe abgeschlossenen Verfahren auf. In Anlehnung an europa-rechtlich fundierte Regelungen im Arbeitsrecht schlug RA Hans Arno Petzold, Info-Point Europa, die Einführung einer Regelung zum pauschalierten Schadenersatz vor.
Zwei Vorträge von Richtern des Schleswig–Holsteinischen OVG schlossen die Veranstaltung ab.
Zunächst beschäftigte sich Reinhard Wilke mit ausgewählten Entscheidungen des Vergabesenats des Schleswig–Holsteinischen OLG. Nach einer kurzen Wiederholung von Schlüsselbegriffen des Vergaberechts wurde zuerst auf einzelne Verfahrensfragen eingegangen. Fortführend wurden Prüfungsgegenstand, -maßstab und Entscheidung genauer betrachtet. Daran anknüpfend beleuchtete Wilke die materiellrechtliche Seite von vergaberechtlichen Entscheidungen und schloss mit einem Überblick über die wesentlichen Entscheidungen des OVG zu der Kostenproblematik.
Dierk Habermann zeigte mit seinem Referat die mittelbaren Folgen fehlerhafter Vergabe im Gebühren- und Beitragsrecht auf. Von dem Beitragsrecht ausgehend befasste er sich zunächst mit den Begriffen der maßbezogenen und aufwandsbezogenen Notwendigkeit und stellte dann die Problembereiche um die sog. In-house-Geschäfte sowie um die Verletzung des Vergaberechts und den Mehraufwand dar. Abschließend wurden einzelne gebührenrechtliche Normen und die Vergabe von Gesellschaftsanteilen diskutiert.
Nach einem Schlusswort von Prof. Dr. von Mutius wurde durch den Applaus der Teilnehmer die Zufriedenheit über den Inhalt und Verlauf der Tagung und das Interesse an einem 9. Schleswiger Forum zum Öffentlichen Recht 2005 deutlich.
stud. iur. Frauke Walter
Info-Point Europa, Hamburg.