(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/04, 36) < home RiV >

Stellungnahme des Richtervereins

zum Entwurf eines

Gesetzes zur Neugestaltung der Richterwahl

 

Zu Art. I

I. Die mit § 12 a HmbRiG vorgesehene Flexibilisierung der Ausbildung von Richtern im Rahmen der Probezeit ist im Ansatz zu begrüßen und entspricht einer langjährigen Forderung des Hamburgischen Richtervereins. Die nunmehr vorgeschlagene Lösung, die einen Wechsel der Proberichter zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft sowie zwischen den Gerichtsbarkeiten als Regelfall vorschreibt, stößt jedoch auf erhebliche Bedenken. Diese lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen:

1. Die im Regelfall durchzuführende Erprobung eines Richters im Rahmen einer Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft wird zum einen erhebliche praktische Probleme bereiten, weil in jedem Falle organisatorisch gewährleistet sein müsste, dass nach der Zeit der Erprobung bei der Staatsanwaltschaft der Richter auch wieder Aufnahme in der Gerichtsbarkeit findet, in der er vorher tätig war bzw. tätig sein möchte. In gleicher Weise müssten sich ausreichende Bewerber bei der Staatsanwaltschaft finden, die wiederum die frei werdenden Stellen der Proberichter einnehmen.

2. Zum anderen ist die Befürchtung gerechtfertigt, dass eine sinnvolle und effektive Einarbeitung der jungen Kollegen bei dem vorgesehenen Wechsel zwischen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft bzw. verschiedenen Gerichtsbarkeiten angesichts der Kür­ze der für einen solchen Wechsel zur Verfügung stehenden Verweildauer kaum möglich sein dürfte. Somit wäre weder eine solide Ausbildung des jungen Richters zu erreichen, noch könnte die Staatsanwaltschaft bzw. die jeweilige Gerichtsbarkeit angesichts der notwendigerweise zeitlichen Begrenzung nach der geleisteten Ausbildung von einem Arbeitseinsatz des Richters auf Probe profitieren.

Diese Problematik stellt sich in ganz besonderem Maße dann, wenn es um die Einstellung so genannter "Seiteneinsteiger" geht. Diese können im Normalfall auf Grund ihrer in anderen Berufen gesammelten Erfahrungen mit einer Anrechnung auf ihre Probezeit rechnen, was dann jedoch zur Folge hat, dass ein Wechsel zwischen zur Staatsanwaltschaft bzw. den Gerichtsbarkeiten die Schwierigkeiten einer sachgerechten Ausbildung noch weiter verschärft.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei der schematischen Handhabung des Wechsels im Rahmen der Probezeit, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, die Gefahr nahe liegt, dass Interessenten für den Richterberuf, die aus anderen Berufen zur Justiz wechseln wollen, davon Abstand nehmen, wenn sie damit rechnen müssen, im Rahmen der Probezeit eine Tätigkeit in von ihnen nicht angestrebten Bereichen auszuüben ohne die Gewähr, jedenfalls anschließend in dem von ihnen gewünschten Gebiet arbeiten zu können. Dies birgt die Gefahr, dass gerade besonders befähigte Juristen, die bislang die Hamburger Justiz wegen des alsbald möglichen Einsatzes in ihrem Interessengebiet bevorzugen, andere Präferenzen setzen werden.

 

Die Vertreter der jungen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand des Richtervereins haben sich unter anderem wie folgt geäußert: "Gerade angesichts der jüngsten Besoldungskürzungen sollten weitere Maßnahmen, die die Attraktivität der Entscheidung für den Richterberuf schmälern, sehr sorgfältig geprüft werden. Die Aussicht, über längere Zeit bei der Staatsanwaltschaft oder dem Verwaltungsgericht tätig werden zu müssen, mag manchen vor allem zivilrechtlich interessierten Assessor ebenso abschrecken wie einen überwiegend strafrechtlich interessierten Kollegen eine längere Zeit der Verwendung beim Arbeits- oder Sozialgericht."

 

Hinzuweisen ist weiter darauf, dass der im Regelfall vorgesehene Einsatz der Richter auf Probe in unterschiedlichen Arbeitsbereichen in Widerspruch steht zu der Tendenz einer Spezialisierung, die sich gerade auch in der Reform der Juristenausbildung durchgesetzt hat.

 

Nur zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass bezüglich der Finanzgerichtsbarkeit eine Gleichstellung von Richtern kraft Auftrags mit Richtern auf Probe nicht in Betracht kommt, weil die Auswahlkriterien für die Richter kraft Auftrags völlig andere sind.

II. Zu der vorgeschlagenen Formulierung in § 17 Abs. 3 des Entwurfes ist anzumerken, dass diese Regelung einen Fremdkörper in der Zusammensetzung des Richterwahlausschusses darstellt. Nach welchen Kriterien die Wahl des dritten Mitglieds erfolgen sollen, das dann jeweils bei der Wahl eines Richters auf Probe mitzuwirken hat, ist nicht ersichtlich. Die innere Rechtfertigung für die Wahl eines dritten Mitgliedes von dem jeweils "betroffenen" Gericht liegt in der Tatsache, dass der zu Wählende an diesem Gericht voraussichtlich auf Lebenszeit tätig sein wird. Diese Voraussetzung ist jedoch bei der Wahl eines Richters auf Probe nicht gegeben.

Es erscheint nicht erforderlich, für die Wahl eines Richters auf Probe eine besondere Regelung für die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses vorzusehen.

Zu Art. II

I. Die Verlagerung der Regelungen in §§ 24 a und b HmbAG GVG in das HmbRiG ist zwar systemgerecht, von daher also nicht zu beanstanden, allerdings sind mit dem Streichen dieser Vorschriften Änderungen inhaltlicher Art verbunden:

 

§ 25 a Abs. 3 des Entwurfes zur Änderung des HmbRiG knüpft nämlich entgegen der bisherigen Fassung des § 24 b AG GVG die Weiterleitung der Vorschläge an die Prüfung und Billigung durch die zuständige Behörde. Die darin liegende Beschränkung des Vorschlagsrechts findet nicht die Zustimmung des Hamburgischen Richtervereins, auch wenn in der Begründung darauf hingewiesen wird, dass eine Prüfung auf inhaltliche Bedenken der bisherigen Praxis entspricht. Nach Auffassung des Hamburgischen Richtervereins macht es einen erheblichen Unterschied, ob sich eine gewisse Abwicklung als zweckmäßig und sachgerecht herausgestellt hat und deshalb allgemein akzeptiert wird, oder ob sie auf gesetzlicher Grundlage erfolgt.

 

II. Das in § 25 a Abs. 1 HmbRiG neu formulierte Vorschlagsrecht des Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts für Bewerber um das Amt eines Richters oder Staatsanwaltes schaltet die Leitung der Staatsanwaltschaft bei der Auswahl der Bewerber für das Amt eines Staatsanwaltes aus. Dies erscheint angesichts der besonderen Anforderungsprofile für die Tätigkeit eines Staatsanwaltes nicht sachgerecht. Vielmehr spricht die Sachnähe für eine Beteiligung der Staatsanwaltschaften, sofern es um die Besetzung von Stellen bei der Staatsanwaltschaft geht.

 

III. Nur der Klarstellung halber sei darauf hingewiesen, dass in § 24 a AG GVG das Vorschlagsrechts des Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts und des Generalstaatsanwalts ausdrücklich auch für die Ernennung und Beförderung von Richtern und Staatsanwälten normiert ist. Eine solche ausdrückliche Regelung findet sich in dem neu vorgeschlagenen § 25 a Abs. 2 HmbRiG nicht, obwohl in der Begründung zu dem Gesetzentwurf ausgeführt wird, Abs. 2 regele das Vorschlagsrecht bei Lebenszeiternennungen und Beförderungen.

IV. Abschließend sei die Frage gestellt, ob zur Erhöhung der richterlichen Flexibilität überhaupt eine gesetzliche Regelung erforderlich ist, oder ob es nicht ausreichend wäre, dass die für die Personalentwicklung Verantwortlichen im Rahmen der Proberichterzeit auf eine größere Bereitschaft zum Wechsel bei den jungen Kolleginnen und Kollegen hinwirken.

Die vorstehenden Bemerkungen können nur im Ansatz die Probleme erörtern, die sich mit der vorgeschlagenen Neuregelung ergeben. Der Hamburgische Richterverein hält eine weitere Diskussion für sachgerecht und wünschenswert.

 

der Vorstand