(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/03, 32) < home RiV >

Gerhard Mauz gestorben

 

 

Welcher Hamburger Jurist kannte ihn nicht, den jetzt am 14. August im Alter von 77 Jahren gestorbenen Gerhard Mauz, der viel mehr war als nur ein großer Gerichtsreporter. Es charakterisiert seinen Rang, dass er - 1964 von der WELT zum SPIEGEL gewechselt - neben dem Herausgeber Augstein der einzige war, den die Redaktion vom damals noch strikten Anonymitätsgebot ausnahm. Seine Berichte, deren manche als psychologisch-philosophische Traktate gelten konnten, trugen das bald weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannte Markenzeichen Gerhard Mauz. Generationen von Juristen seien Juristen geworden, weil sie ihn gelesen hätten - so der Nachruf in der SZ.

 

Eigenständig und kritisch auch gegenüber dem herrschenden Geist der Zeit: so haben auch wir ihn in unseren eigenen Hallen erlebt. Dazu ein Zitat aus den MHR 1/93 S. 7, das in den Plenarsaal des OLG in eine Veranstaltung vom 10. Februar 1993 zum Thema: „Ausländerfeindlichkeit – wie soll der Rechtsstaat reagieren?“ sozusagen unvermittelt hineinspringt:

 

„Die Überraschung des Abends war der SPIEGEL-Journalist Gerhard Mauz, der alle feierlichen und bekenntnishaften Wortkaskaden, ohne die das Thema kaum noch behandelt werden kann, mit leiser, fester Stimme beiseite räumte und bei forschen Empfehlungen von der eingangs zitierten Art fragte, ob und warum die bewährten Grundsätze konsequenten aber maßvollen Strafens und der Wiedereingliederung des Täters denn über Nacht außer Geltung geraten seien; und wie es sich erkläre, dass es oft die gleichen Leute seien, die gestern nach Milde und Zurückhaltung gerufen hätten, die heute auf drakonische Härte pochten. Von der Beschwörung der Nazizeit, des Faschismus, deutschen Rassismus, der Perhorreszierung "der Glatzen" als einer neuen SA und ähnlichen Apokalypsen hielt Mauz nichts. Diesem Gemälde, wie es auch Voss entwirft, stellte er einige Beobachtungen und Erfahrungen der Wirklichkeit entgegen, vornehmlich aus den sozialen Problemfeldern im Osten Deutschlands; und er kam zu ein paar skeptischen Betrachtungen über die allgemeine Natur der Menschen - der "bösen", die meist nicht nur böse, und der "guten", die selten ganz so gut seien, wie sie es selbst der Welt verkündeten. ...

 

Überraschend war das für mich weniger des Inhalts der Rede wegen. Ich hatte im Laufe der Zeit z.B. in der FAZ eine Reihe guter
Analysen gefunden, die das auch von Mauz skizzierte Beobachtungsmaterial schon entfaltet und gründlich reflektiert hatten. Auch im SPIEGEL (z.B. 35/91: "Eine Art positiver Rassismus"; 42/91: "Hier steigt eine Giftsuppe auf"; 1/92: "Jeder streichelt seinen Bimbo"; 50/92: "Bestie aus deutschem Blut" u.a.) war vieles zu finden gewesen. Nein, was mir bei Mauz imponierte, war seine umschweiflose, leise aber feste Rede: Er vertat keine Zeit damit, sie zu entschuldigen; er verbeugte sich nicht vor beflissenen Zeitgenossen, nicht vor dem Zeitgeist, der natürlich auch in den hehren Hallen des OLG sein Quartier aufgeschlagen hatte; er sagte, was er zu sagen hatte; und er sagte es meisterlich.“

 

Günter Bertram