Editorial
Ein großer Sommer ist vorbei und die Faszination des Alltags hat uns wieder. Einen kleinen Nachklang an die unbeschwerten Tage bietet der Bericht des Kollegen Wolfgang Steinmetz über die diesjährige Schwedenreise des Hamburgischen Richtervereins. Ich kann mich an eine der ersten Reisen erinnern und habe die herzliche Gastfreundschaft der schwedischen Kollegen ebenso wie das strahlende Wetter des Frühsommers noch lebhaft vor Augen. Damals gab es nach ausgefüllten Tagen in Malmö und Lund eine stürmische Abschiedsfeier und eine feuchtfröhliche Reise im Nachtzug nach Stockholm, auf dessen Bahnhof wir morgens um sieben Uhr von unseren Gastgebern empfangen wurden – mit Rosen und Umarmungen. Bereits um acht Uhr begann das Bildungsprogramm und dauerte bis zum Abend, der in ein mittsommernächtliches Fest überging. Morgens um fünf wieder zu Hause bei unserer Gastgeberin Anna-Lena angekommen, brachte sie Rotwein und Käse und fand, man solle es sich gemütlich machen .... Das Programm des nächsten Tages begann pünktlich um 9 Uhr! Wie man am Bericht des Kollegen Steinmetz sieht, ist die Freude der schwedischen Kollegen am Austausch mit Hamburg ungebrochen, und allen, die noch nicht an den Reisen teilgenommen haben, sei ein Besuch dringend empfohlen. Es gibt viel zu sehen und zu lernen, dies sowohl in fachlicher Hinsicht als auch in Fragen des menschlichen Umgangs miteinander.
Aber vorbei die schönen Tage von Helsingborg – einen ganz anderen Besuch absolvierten die HRiV-Vorstandsmitglieder, die den Justizsenator aufsuchten, um mit ihm Fragen zu diskutieren, die von großer Bedeutung für die Arbeit des einzelnen Richters oder Staatsanwalts, für die Funktionsfähigkeit der Hamburgischen Justiz und für die Stellung des Hamburgischen Richtervereins sind. Die anspruchsvolle Agenda beschreibt die Vorsitzende unserer Vereinigung in ihrem Beitrag. Wenn schon sie - unsere liebenswerte, diplomatische und weitherzige Vorsitzende - die Reaktion des Senators als „Abfuhr“ bezeichnet und feststellt, dass man zu keinem Punkt die konkrete Unterstützung des Senators habe, so sei dieser zitiert mit seiner auf den Datenschutz gemünzten Aufforderung „Ohne eine Portion Grundvertrauen geht es nicht.“ Zwischen „Sievekingplatz“ und Drehbahn muß hieran offenbar intensiv gearbeitet werden……...
Betrachtet man die Zukunftsaussichten der Hamburger Justiz, so wird wie nie zuvor ein kleines Büchlein von Nutzen sein: „Zeit managen“ [1], vier Millimeter dick im Jackentaschenformat gibt das nützliche Werk in 38 Punkten Anregungen zur Nutzung und Organisation der Zeit, die in ihrer Konzentration höchst motivierend sind und zur Verbesserung der Effektivität auch vor Anleitungen zum Selbstbetrug nicht zurückschrecken. Ein Rat im Abschnitt „Perspektiven wechseln“ lautet: Ersetzen Sie konsequent „Ich muss ….“ durch „Ich will ….“. Na, bitte! So schaffen wir es. Wie sollen da der Wegfall von Urlaubsgeld oder die Kürzung des Weihnachtsgeldes noch demotivierend wirken können? Auch die Gefahr, dass sich die gewünschten qualifizierten Juristen nicht mehr für die Justiz entscheiden, sondern dem Lockruf der großen Anwaltskanzleien erliegen, besteht natürlich angesichts des weit verbreitenden Idealismus nicht ….. Die Tabellen zur Entwicklung der Besoldung, die Wolfgang Hirth beschafft hat, seien zur Betrachtung empfohlen.
Die richterliche Unabhängigkeit – ein regelmäßiges MHR-Thema – gerät immer wieder schlaglichtartig ins Blickfeld. So auch wieder anlässlich des Amtswechsels im Vorsitz des Deutschen Richterbundes, wie die Vorsitzende beschreibt. Ungeachtet aller äußeren Einflußversuche - von wem und unter welchen „Modernisierungs“ideen auch immer – wir dürfen nicht vergessen, daß allein das Selbstverständnis und die Courage jedes einzelnen darüber entscheidet, ob richterliche Unabhängigkeit zur Floskel verkommt oder kraftvoll gelebt wird.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohes Schaffen am Sievekingplatz und allen anderen Justizorten Hamburgs.
Ihre
Karin Wiedemann
[1] Ute Elisabeth Herwig, Zeit managen, - der schnelle Weg zur Effektivität, GU Kompass, ISBN 3-7742-3349-7