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Leserbrief

zu „Kuratel und Subventionen“

(G. Bertram, MHR 1/2003 S. 16 ff.)

 

Differenzierung und Zurückhaltung im Urteil ehren den Juristen, und so soll es bleiben. Indes: Wo es darauf ankommt, darf nichts offen bleiben, was ohne Mühe geklärt werden kann:

 

Es bedarf nicht der Anwendung sozialwissenschaftlicher Befragungsmethoden, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Äußerung des Jürgen W. Möllemann, die Arroganz und Intoleranz des (Moderators) Michel Friedmann fördere den Antisemitismus, ein Beispiel antijüdischen (antisemitisch würde zu weit greifen) Ressentiments ist. Die Quintessenz der Möllemannschen Logik lautet schlicht: Es bleibt jedem unbenommen, sich arrogant und intolerant zu äußern, womöglich auch ein Verteidiger Scharons zu sein, wenn er nur nicht gerade Jude ist; für diesen gelten Persönlichkeitsrechte nur eingeschränkt.

 

Wir sollten uns übrigens alle immer und immer wieder prüfen: So lange selbst ansonsten aufgeklärte Menschen es im Gespräch ohne Anlass erwähnenswert finden, dieser oder jener Mitmensch sei „übrigens Jude“, sind wir dem Schlagschatten einer unseligen Vergangenheit noch lange nicht entronnen.

 

Jürgen Franke

 

Anmerkung der Redaktion:

Nach Redaktionsschluss traf die Meldung ein, dass Jürgen W. Möllemann am 05.06.2003 bei einem Fallschirmabsprung ums Leben kam und die Tatumstände auf einen Selbstmord hindeuteten. Anderthalb Stunden vorher hatte der Immunitätsausschuss des Bundestages beschlossen, die Aufhebung der Immunität M.’s zu empfehlen; es liefen Ermittlungsverfahren zu den Finanzierungshintergründen von M.’s Flugblatt.