Richter im Strafvollzug
Mitte der siebziger Jahre bestand in Hamburg die Möglichkeit, dass Richter und Staatsanwälte im Rahmen einer Hospitation die Verhältnisse und Schwierigkeiten des Strafvollzuges näher kennen lernen konnten.
Es war üblich, es den Interessenten für ca. 10 – 14 Tage in einer oder mehreren Anstalten über die üblichen Besichtigungstouren von einem Tag hinaus zu ermöglichen, den Alltag des Vollzuges mit zumindest einem Ausschnitt der täglichen Probleme hautnah zu erfahren. Aus mir nicht weiter bekannten Gründen ist dieses Programm später sanft entschlummert.
Angeregt von einer Assessorin, die gerne eine JVA einmal von innen sehen wollte, habe ich im Jahr 2002 mit Herrn Düwel, der damals noch für den Strafvollzug zuständig war, vereinbart, zu prüfen, auf welche Weise Richter und Staatsanwälte sinnvoller Weise im Strafvollzug hospitieren können. Gut Ding will Weile haben!
Seit Mai 2003 liegt nun das Modell einer Hospitation im Strafvollzug für Richter und Staatsanwälte vor. Es kann in der Homepage des Richtervereins eingesehen werden (www.richterverein.de/aktuell/jvahospit.pdf).
Insbesondere in Zeiten, in denen der Strafvollzug in Hamburg kontrovers diskutiert wird, erscheint es sinnvoll und erforderlich, dass diejenigen, die Täter zu Freiheitsstrafen verurteilen oder dies beantragen, wissen, was hinter Gittern geschieht. Ein Tag in der Praxis ersetzt oftmals ein ganzes Lehrbuch. Gerade junge Richter, aber ebenso wir „alten Hasen“ sollten uns mit dem real existierenden Vollzug und seinen Problemen vertraut machen, um uns nicht vorhalten lassen zu müssen: „Denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Jeder von uns weiß, wie drückend die tägliche Arbeit auf uns lastet. Da sind die von der Behörde angeregten vier Wochen der Hospitation sicher nicht oder nur sehr schwer zu leisten. Der Richterverein wird also versuchen, in Gesprächen mit der Behörde den Plan zu modifizieren, um der Ausrede „keine Zeit“ den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wer den Gerichtsbetrieb und den der Staatsanwaltschaft kennt, dem ist klar, dass zwei Wochen Abwesenheit sich immer einrichten lassen, andernfalls wäre ein Urlaub nicht mehr möglich.
Die Staatsanwaltschaft hat bereits Interessenten für den von der Justizbehörde vorgesehenen Zeitraum freigestellt, um nach Auswertung der gesammelten Erfahrungen im Vollzug zu entscheiden, wie in Zukunft zu verfahren sein wird.
Da sollten die Gerichte nicht hintan stehen! Dezernatsleiter und Vorsitzende sollten insbesondere die jungen Richter ermutigen, an dem Modell teilzunehmen, um die Komplexität des Strafverfahrens vom Beginn der Ermittlungen bis zum Strafvollzug in den Justizalltag zu integrieren.
In der Justizbehörde ist
Ansprechpartner:
Referat V 16, Herr Dr. Herzog, Tel.: 428.43. 5283/5284.
Gerhard Schaberg