Leserbrief
zu „Keine Folter“
(Johann Meyer, MHR 1/2003, S. 3 f.)
Sehr geehrte Damen und Herren,
es war gut, dass die Tageszeitung, an die ich mich gewandt habe, meinen nachfolgenden Leserbrief vom 28.02.2003 nicht abgedruckt hat. Denn an eine breite Öffentlichkeit hätte er nicht gehört. Er wäre wohl von vielen Lesern nicht richtig verstanden worden. Als ein besserer Ort, meinem Herzen Luft zu machen, erscheinen mir die MHR.
Mein Brief widerspricht nicht dem Beitrag von Johann Meyer in MHR 1/2003, S. 3 f. Aber war der Konflikt des Polizeivizepräsidenten denn nur eine Frage von Gesetz und Verfassungsrecht? Kann Gesetzesgehorsam vor Verstrickung in Schuld bewahren? Neigen wir Juristen vielleicht dazu, letzte existentielle Antworten nur noch im Gesetz zu suchen und uns damit zufrieden zu geben?
Und so lautete mein unveröffentlichter Leserbrief vom 28.02.2003 zur Diskussion um die Aufweichung des Folterverbots:
Dass Folter unzulässig und strafbar ist und bleiben muss, kann doch gar nicht ernsthaft bestritten werden. Dass unzulässige Vernehmungsmethoden auch verfahrensrechtliche Konsequenzen wie Beweisverbot, Verfahrenseinstellung etc. haben können und müssen, weiß jeder Strafjurist. Bemerkenswert erscheint allein das Verhalten des Polizeivizepräsidenten, der als Vorgesetzter nicht seiner rechtlichen und menschlichen Verantwortung ausgewichen ist, als es um die Entscheidung ging, entweder gegen einen fundamentalen Rechtssatz mit Verfassungsrang (Art. 104 I 2 Grundgesetz), nämlich das Folterverbot, zu verstoßen oder das Leben eines entführten und nach Sachlage möglicherweise noch lebenden Kindes aufs Spiel zu setzen. Ich weiß nicht ob, aber ich wünschte mir, dass ich in gleicher Situation den Mut gehabt hätte, offen geltendes Recht zu verletzen und damit strafrechtliche Verfolgung disziplinarrechtliche Konsequenzen und quälende Diskussionen hinzunehmen, dafür aber möglicherweise ein Kind zu retten.
Ich will nur noch hinzufügen: Vorwürfe des Gefolterten und seines Rechtsanwalts hätte ich ertragen können, Vorwürfe der Eltern hätten mich wohl nie losgelassen.
Mit freundlichen Grüßen
Florentin Krauß, OStA a.D.