(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/02, 7) < home RiV >

Ein Sachverhalt


und seine grundtugendhafte
Ermittlung

 

- Replik auf Mackenroth -

 

Früher schon grobe Fahrlässigkeit, jetzt aber Vorsatz ... eklatante Missachtung richterlicher Grundtugenden bei der Sachverhaltsermittlung - stärkere, schrillere Worte kann man sich kaum ausdenken.

 

Worum geht es; welcher Deliktstatbestand soll hier das Odium gesteigerter Verwerflichkeit begründen? Ich hatte mir für die MHR 1/2002 (S. 18) die Pressemitteilung des DRiB vom 6. Dezember 2001 (die immer noch, jedenfalls im November 2002, auf der homepage des DRiB steht) vorgeknöpft, lang und breit ihre Unschlüssigkeit begründet und das später in MHR 3/2002 durch den Abdruck eines Beitrags für Recht und Politik wiederholt:

 

Was der DRiB am 6.12.2001 als Sachverhalt mitteile, sei keinesfalls ein Verstoß gegen das richterliche Mäßigungsgebot, also untauglich, die dort erhobene Rüge gegen den Magdeburger Amtsrichter zu tragen. Deshalb hatte ich Herrn Mackenroth in einem Brief, mit dem ich ihm mein entsprechendes Aufsatz-Manuskript für Recht und Politik vor dessen Veröffentlichung kollegialiter übersandt hatte, geschrieben: „.... Ich meine ernstlich, dass die Presseerklärung des DRiB vom 6.12.01 verfehlt, d.h. offensichtlich unschlüssig war. Was außer den öffentlichen Dürftigkeiten möglicherweise (??) noch hinter ihr stand, erfährt keiner; also gilt allein der mitgeteilte blasse Sachverhalt ....“. Der für mich maßgebende kritische Sachverhalt lag also einzig und allein darin, dass die Presseerklärung keine plausible, auch nur halbwegs schlüssige Tatsachenmitteilung enthielt, dem Leser keine eigene Urteilsbildung erlaubte, deshalb eine Zumutung war und die Frage „warum?“ aufwarf.

 

Das erste - den von mir kritisierten Sachverhalt also! - bestreitet der Kollege Mackenroth in seinem jetzt wieder zitierten Brief an mich dann auch keineswegs, so dass er unstreitig war, es für weitere – fahrlässig oder vorsätzlich unterlassene – Ermittlungen weder Grund nach Anlass gab und die vorliegende Aufklärungsrüge mithin gegenstandslos ist.

 

Nun meint Mackenroth allerdings, Presseerklärungen des DRiB müssten weder schlüssig noch überhaupt aus sich selbst heraus verständlich sein. Es drehe sich bei ihnen um „tagesaktuelle Momentaufnahmen ..., im Kontext der Tagespresse und der rechtspolitischen Diskussion des Augenblicks zu lesen“. Diese Auffassung teile ich keineswegs und meine auch, dass die – jedenfalls mir sonst bekannte - Pressearbeit des DRiB seriöseren Ansprüchen verpflichtet ist und eine derart distanzierende Charakterisierung nicht verdient. Ich halte den vorliegenden Fall für einen offensichtlichen Ausrutscher, für den es zwar durchaus mildernde Umstände geben könnte - wie ich es ausdrücklich erwäge -, der aber nicht zu rechtfertigen ist.

 

Obwohl die Sache damit für mich nun erledigt ist, will ich in Form einer Hypothese versuchen, den Überlegungen meines Kritikers dennoch weiterhin zu folgen:

 

Wenn es nicht darauf ankommt, ob der DRiB seinerzeit eine schlüssig begründete Rüge erteilt hatte, sondern einzig und allein darauf, ob diese im Ergebnis (aus Gründen, die der DRiB nicht mitteilt) gerechtfertigt war, dann – und nur dann! - könnte der Vorhalt an mich zunächst plausibel erscheinen, der Neudruck des alten Aufsatzes sei deshalb (vorsätzlich!) schuldhaft gewesen, weil der oben zitierte Brief mir inzwischen die triftigen Rügegründe des DRiB genannt habe. Hatte Herr Mackenroth sie mir wirklich eröffnet? Man suche doch, bitte, oben bei ihm nach solchen Mitteilungen! Der Amtsrichter sei in Sachsen-Anhalt von Herrn Schill als Justizminister „ins Gespräch gebracht und vorgestellt worden“ – gut oder schlecht: aber was besagt das? Er habe sich über den Zustand von Gewaltenteilung und Rechtsstaat zu Wort gemeldet: ganz unerheblich! Aber das habe er immerhin „laut tönend mit populistischen Bemerkungen“ getan. Das sind Werturteile, Einfärbungen, Suggestionen, Allerweltsvokabeln, deren Plausibilität oder Berechtigung gerade zur Debatte standen: aber wiederum ist nichts greifbar, prüfbar - keine Tatsachen. Viel mehr als in der ursprünglichen Pressemeldung lässt sich auch im Brief nicht entdecken, dessen gänzlich unspezifizierter Hin-weis auf eine (mir selbst naturgemäß unbekannte, weil offenbar sachsen-anhaltinische) breite Sachverhaltserörterung in der Tagespresse auch nicht einen Schritt weiter führt.

 

Letztlich: Die Entgegensetzung der Reaktion des DRiB im Falle des Amtsrichters mit seinem Schweigen angesichts der publizistischen Eskapaden eines uns wohlbekannten Bundesverfassungsrichters sei unerlaubt, weil beides „grundlegend“ verschieden sei. Nun sind Fälle, die man vergleicht, stets verschieden – sonst wären sie identisch. Es kommt allein darauf an, ob es ein gemeinsames Drittes: einen Vergleichspunkt gibt. Just das glaube ich ausführlich entwickelt und begründet zu haben. Das war – gegenüber dem ersten Aufsatz, der sich allein um den Amtsrichter gedreht hatte – geradezu der Witz meiner zweiten Wortmeldung zur Sache gewesen. Dazu sagt der Vorsitzende des DRiB, bei Licht besehen, gar nichts.

 

Oder sollte der Hinweis darauf, dass der einschlägige Richterbrief „vielfach, bundesweit und öffentlich“ kritisiert worden sei, besagen, dass mithin der Verfassungsrichter bereits von der Presse sein gebührendes Fett abbekommen habe, so dass nicht auch noch der DRiB das kritische Wort habe ergreifen dürfen? Kaum vorstellbar, dass der Berufsverband DRiB seine eigenen, nicht delegierbaren Pflichten und Aufgaben derart verkennen sollte.

 

Es bleibt – um diese Schlussbemerkung nicht auszulassen – an sich begrüßenswert und erfreulich, dass der Vorsitzende des DRiB in einer verbandspolitisch nicht ganz belanglosen Angelegenheit sich in Hamburg zu Wort gemeldet hat. Leider muss man nach der Lektüre feststellen, dass er zu starken Worten greift, um schwache Gründe zu vernebeln. Kein förderlicher Beitrag zum Dialog – schade!

 

Günter Bertram