Auf der homepage des DRiB findet man unter dem 06.12.2001 die Schlagzeile:
"DRB: Auch für der "Schill-Partei" nahestehende Richter gilt das Mäßigungsgebot" - nebst der Mitteilung:
"In der gestrigen Ausgabe der Volksstimme Magdeburg wird ein der "Schill-Partei" nahestehender Strafrichter mit den Worten zitiert: " Die harte Linie hat bei der Obrigkeit keinen Anklang gefunden". Weiter soll der Richter geäußert haben, der Rechtsstaat sei in Sachsen-Anhalt heruntergekommen", was dahin kommentiert wird, das Zitierte sei, sofern zutreffend berichtet, wegen Verstoßes gegen § 39 DRiG " nicht hinnehmbar" und gefährde das allgemeine Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz. Zwar sei, so wird alsdann Geert Mackenroth zitiert, der Richter in seiner politischen Betätigung und Meinungsäußerung frei, müsse sich aber aller Beschimpfungen und sonst unangemessener Kundgaben enthalten.
Letzteres trifft natürlich zu; aber bestand hier wirklich eine Veranlassung, Allgemeinkundiges in Erinnerung zu rufen? Der erwähnte Hinweis auf den mangelnden Anklang einer harten Linie bei der Obrigkeit entbehrt ohne weitere Erläuterung eines plausiblen Sinnes: um was dreht es sich dabei, welche Aktionen sollen warum, wie und wo missliebig gewesen sein ? Und der angeblich "heruntergekommene" Rechtsstaat? "Verfassung und Verfassungswirklichkeit" sind ein uraltes Thema. Manche Schriftsteller haben viel Fleiß darauf verwandt zu beweisen, dass seit Mitte der 60er Jahre (Große Koalition, Notstandsgesetze) die staatliche Wirklichkeit der "BRD" ein schleichender oder offener Verrat am Verfassungsideal gewesen sei. Und es fällt nicht schwer, in Teilen der strafprozessualen Literatur das mehr oder minder emphatisch illustrierte Seitenstück dieser Klage zu finden: dass z.B. der Abbau von Verteidiger- und Beschuldigtenrechten pp. seit den 70er Jahren den liberalen (verfassungsmäßigen) in einen autoritären Staat "transformiert" habe udgl.. Unnötig zu bemerken, dass diese Thesen mich nie überzeugt haben. Allerdings bin ich ebenso wenig auf die Idee verfallen, ihre Verbreitung für verbots- oder verhinderungsbedürftig zu halten oder sie, wenn richterlich geäußert, unter § 39 DRiG zu subsumieren. Worüber der Magdeburger Amtsrichter sich geärgert und was er bei seiner Abwertung auf’s Korn genommen hat (oder besser: haben soll; auch die Volksstimme scheint es nicht zu wissen ), erfahren wir nicht. Vielleicht meinte er, der Staat vernachlässige Sicherheit und Ordnung; dafür könnte der zuvor zitierte Satz sprechen. Diese Vermutung wird durch die vom DRiB hervorgehobene Mitteilung genährt, der Mann stehe der Schill-Partei "nahe". Und diese ist ja bekanntlich auf "law and order" eingeschworen. Vielleicht sind wir jetzt bei dem Punkte angelangt, wo die Sache ein gewisses Interesse verdient. Denn was der Richter geäußert hat, ist – sofern man sich auf das unmittelbar und mittelbar Zitierte beschränkt (und wie ginge es auch anders??) – belanglos, dürftig, unerheblich. Wer sich für die in § 39 DRiG gezogenen Grenzen interessiert, dem sei die erneute Lektüre der Überlegungen Kurt Rudolphs: "Öffentliche Äußerungen von Richtern und Staatsanwälten" (DRiZ 1987, 337) empfohlen oder - wenn’s denn aktuell und lokal sein soll – der Erklärung unseres Hamburger Vorstands zu öffentlichen Auslassungen des Amtsrichters Ronald Schill (MHR Nr. 3/1997 S. 2). Ich wüsste indessen nicht zu sagen, dass der DRiB oder auch nur ein Landesverband früher einmal um farblose Äußerungen wie die jetzt dem Magdeburger Amtsrichter zugeschriebenen einen öffentlichen Wirbel entfacht hätten.
Das eigentlich Inkriminierende, wodurch Belanglosigkeiten zur Nachricht werden, dürften hier bei Licht gesehen nicht Worte, sondern das etwas ominöse Nahe-Stehen sein. Was aber ist das? Niemand weiß es, jedenfalls erfährt man es nicht. Äußert der Mensch in seiner Amtsgerichtskantine ähnliche Ansichten, wie man sie von Schill kennt? Findet er die Gründung eines Partei-Ablegers in Sachsen-Anhalt gut ? Betreibt er sie etwa gar mit eigener Hand? Macht er sich für den Brechmitteleinsatz stark? Geht er mit Schill in die Sauna – oder gar auf Drogenparties?...
Um wieder ernsthaft zu werden:
Dass Kollegen, die als " law-and-order-Leute" oder als konservativ gelten und die zuweilen – oft mit distanzierendem Hintersinn - als "rechts" bezeichnet werden, den gleichen Regeln unterliegen wie alle und sich nicht etwa mehr herausnehmen dürfen, ist so gemeinplätzig, dass man sich fragt, ob der DRiB wirklich nur diese Banalität hat aussprechen wollen. Ich glaube, man tut ihm kein Unrecht mit der Vermutung, dass er ein " Zeichen" setzen, ein Signal geben wollte: "Seht her, wir sind ja nicht, wie man unablässig wiederholt, auf dem rechten Auge blind. Wir sehen den Rechten scharf auf die Finger!" Eine durchaus defensive Verbandsstrategie also, für die es nur ziemlich naiven Gemütern an Verständnis dem Grunde nach fehlen kann. Verdienen auch die konkreten Auslassungen des DRiB deshalb Beifall? Dahinter würde ich immerhin ein Fragezeichen setzen.
Günter Bertram