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Zum selben Thema hier der Abdruck eines Berichtes der Kieler Nachrichten, den uns die Autorin Heike Stüben gestattete:

Deutliche Worte im Roten Elefanten

Führungswechsel beim
Oberlandesgericht

Die neue Präsidentin des Oberlandesgerichtes Konstanze Görres-Ohde wurde von Justizministerin Anne Lütkes (Mitte) und dem ehemaligen Präsidenten Dietrich Mett in den Plenarsaal geleitet.

Schleswig – Es wurde gestern eng im Plenarsaal des Roten Elefanten, der Backsteinresidenz des Oberlandesgerichts in Schleswig: Mehr als 300 Richter, Exzellenzen und Politiker verfolgten die Amtseinführung der neuen Präsidentin des Oberlandesgerichts, Konstanze Görres-Ohde. Während des außergewöhnlich herzlichen Empfangs kam es jedoch zum Eklat, als Vorgänger Dietrich Mett mit deutlichen Worten die Landespolitik kritisierte – und dafür lang anhaltenden Beifall erntete. Gerade noch hatte Justizministerin Anne Lütkes "dem außerordentlich beliebten Behördenleiter" Dietrich Mett für sein Engagement in der Rechtspolitik gedankt und seine Fähigkeit gelobt, stets über den Tellerrand zu blicken. "Dafür danke ich Ihnen und wünsche mir weiter eine gute Zusammenarbeit."

Letzteres wollte Mett zwar nicht aufkündigen, doch seinen Unmut über die Landespolitik wollte der "Mann der klaren Worte" auch nicht hinunterschlucken. Bereits im Sommer 2001 hatte die Amtszeit des 65-Jährigen geendet. Die Verabschiedung jedoch verzögerte sich immer wieder, weil der Landtag noch nicht über die Nachfolgerin abstimmen wollte: Zwar war die hochqualifizierte Juristin Konstanze Görres-Ohde – Wunschkandidatin von Oberlandesgericht und Justizministeriums – auch in den politischen Lagern unumstritten. Doch sie war Teil eines Richter-Pakets, über das sich das Regierungslager nicht mit der CDU einigen konnte. Mett wurde im Ungewissen gelassen und verzichtete ein halbes Jahr lang auf eine lang ersehnte Reise. "Dies ist ein Zeichen dafür, wie dritte und erste Staatsgewalt nicht zusammenarbeiten dürfen. So kann man mit Objekten umgehen, nicht aber mit Menschen", sagte Mett, engagierter Vertreter einer humanen Justiz, unter donnerndem Applaus.

Die Politik insgesamt, so kritisierte Mett anschließend, entwickele immer wieder Gesetze, die wieder einkassiert werden müssten. Allein in den ersten 25 Jahren habe das Bundesverfassungsgericht 400 Gesetze wieder aufgehoben, weil sie nicht verfassungskonform waren. "Mir selbst wurde als jungem Richter zugemutet, Menschen wegen Ehebruchs sechs Monate ins Gefängnis zu schicken und gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu bestrafen. Sein Appell: "Es wäre gut, wenn die Politik vor neuen Gesetzen mehr auf uns hören würde, weil wir in den Gerichtssälen den Daumen am Puls der Zeit haben."

Keinen Zweifel ließ Dietrich Mett, der in seine Heimatstadt Hamburg zurückkehren will, an seiner Freude über die Wahl seiner Nachfolgerin, die er seit langem schätzt. Konstanze Görres-Ohde war nach ihrer Richtertätigkeit am Hamburger Amts- und Oberlandesgericht von 1989 an Präsidentin des Landgerichts Itzehoe. Als sie von dort 1996 als Präsidentin zum Hamburger Landgericht wechselte, war es ausgerechnet Dieter Mett, der ihre Beurteilung schreiben sollte. Er lobte darin unter anderem, dass sie liebeswürdig im Ton sei, aber in der Sache stets klare Standpunkte vertrete, die von breiter Erfahrung geprägt und fachlich fundiert seien. Sie würde auf andere offen zugehen, um durch zielgerichtete Gespräche Probleme zu lösen.

Dass Konstanze Görres-Ohde wie ihr Vorgänger eine Verfechterin deutlicher Worte ist, machte sie gleich in ihrer ersten Rede deutlich. Sie trete nicht als Sparkommissarin an, aber als Verfechterin einer Modernisierung der Justiz, sagte die 59-Jährige. So bezweifele sie, ob die Qualifikation der Juristen heute noch ausreiche. "Weder im Studium noch im Referendariat lernen wir, mit Menschen im Gerichtssaal angemessen umzugehen."

Ein Richter müsse heute mutig, selbstbewusst und konfliktfähig sein, und er müsse in Zukunft mit sozialer Kompetenz und Augenmaß "mehr schlichten als richten". Sie sei ein Verfechterin des Vergleichs, weil dies der ehrenvolle Versuch sei, "Menschen nicht als Sieger oder Besiegte wie von einem Schlachtfeld aus dem Gerichtssaal zu entlassen".

Zunächst aber will die neue Gerichtspräsidentin die technische Ausstattung des Hauses inspizieren. "Es ist unhaltbar, dass Richter nicht ans Internet angeschlossen sind, wenn wir uns Europa öffnen sollen." Zudem werde die E-Justiz kommen und zum Beispiel mündliche Verhandlungen in bestimmten Bereichen durch Videokonferenzen ersetzen.

Auch Metts letzter Amtswunsch, dass sich der Rote Elefant weiter dem Bürger und der Kultur öffne, ist bei der begeisterten Klavierspielerin in guten Händen. "Ich kann mir ein Leben ohne Kunst und Kultur nicht vorstellen", sagte die Mutter zweier Töchter und nahm erst einmal die Geschenke entgegen – darunter ein Buch von Wolfgang Neskovic und einen grauen Elefanten. "Den muss ich wohl selbst rot anmalen", meinte Görres-Ohde.

Heike Stüben

Kieler Nachrichten vom 10.01.2002