Das Jahr 2001 schenkt uns einen runden Gedenktag für Juristinnen. Vor 100 Jahren am 7. Januar 1901 wurde die Richterin, Politikerin, Frauenrechtlerin und Kirchenrätin Elisabeth Schwarzhaupt in Frankfurt geboren.
Sie wuchs als Tochter eines Oberschulrates und der als Lehrerin ausgebildeten Mutter in einem christlich geprägten, durch die künstlerischen Neigungen der Mutter belebten Haushalt auf. Während des Ersten Weltkrieges mußte Elisabeth Schwarzhaupt mit ansehen, wie durch die Last der immer schwerer werden Familienarbeit aus ihrer heiteren und phantasievollen Mutter eine müde, mürrische und überarbeite Frau wurde. Die Tochter beschloß, niemals Hausfrau zu werden und sich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu engagieren. Die verheiratete Frau brauchte eine neue gesellschaftliche Rolle. Dies war der eine Aspekt, der ihr Leben bestimmen sollte, der andere resultierte aus langen Gesprächen mit ihrem Vater, dessen christlicher Ernst den Keim zu ihrem späteren Engagement als Oberkirchenrätin bestimmen sollte.
Ihr liberales Elternhaus hielt es für selbstverständlich, dem Mädchen eine solide Ausbildung zu geben. Sie besuchte das Gymnasium und bestand 1920 ihr Abitur. Elisabeth Schwarzhaupt wollte Kunstgeschichte, Theaterwissenschaften und Philosophie studieren der Vater war dagegen: "Du kannst später studieren, was Du willst, erst muß Du Boden unter den Füßen haben. Mache vorher Dein Examen als Lehrerin..." Und so tat die brave Tochter und machte ihr Lehrerexamen nicht ohne schon während der Ausbildung mit dem Studium der Rechtswissenschaften zu beginnen......Das Jurastudium habe sie gewählt, weil es ihr die besseren Arbeits-chancen zu bieten schien; die Weimarer Republik habe den Frauen zunehmend mehr Möglichkeiten für eine Berufstätigkeit eingeräumt, erklärte sie ihre Studienwahl.
Von 1921-1925 studierte Elisabeth Schwarzhaupt Rechts- und Staatswissenschaften in Frankfurt und Berlin. Ihr Interesse für Bürgerliches Recht weckte Professor Martin Wolff, und sie entwickelte den Berufswunsch, Vormundschafts- oder Jugendrichterin zu werden.
1930 bestand sie mit Prädikat ihr Assessorexamen und fand eine Anstellung als Gerichtsassessorin bei der Städtischen Rechtsauskunfts- und Rechtsschutzstelle für Frauen in Frankfurt am Main, die auf Drängen der Frauenbewegung in Hamburg und Frankfurt eingerichtet worden war. Sie hatte die Aufgabe, vor allem "minderbemittelte Frauen" in Ehe- und Familienangelegenheiten sowie in Mietsachen zu beraten. Daß diese Tätigkeit die behütete Tochter mit ihr bis dahin unbekannten sozialen Verhältnissen vertraut machte, bedarf keiner Beschreibung. Die erlebten Fällen prägten ihr späteres Engagement.
1932 erhielt Elisabeth Schwarzhaupt ein besoldetes Kommissorium am Amtsgericht Frankfurt, bei dem sie als Vertretungsrichterin für Zivilsachen und zugleich als Beisitzerin am Landgericht tätig war. Unmittelbar nach der Machtübernahme Hitlers verlor sie ihr Richteramt: Frauen sollten nicht Staatsmann, Soldat oder Richter sein und dürften keinesfalls über Männer zu Gericht sitzen.....
Elisabeth Schwarzhaupt kehrte in ihr Elternhaus zurück und entschied sich, in der Hoffnung, dann in der Wirtschaft eine Anstellung zu finden, dazu zu promovieren. Das Thema ihrer Dissertation lautete "Währungsklauseln im deutschen Schuldrecht". Vergebliche Hoffnung! Nicht nur ihre berufliche Laufbahn wurde durch die Nationalsozialisten zerstört, sondern auch ihre private Lebensplanung. Ihr Verlobter, ein Lungenfacharzt jüdischer Abstammung, mußte in die Schweiz emigrieren. Sie sah dort für sich keine Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu finden. In Berlin fand Elisabeth Schwarzhaupt eine bescheidene Anstellung als juristische Mitarbeiterin des Deutschen Rentnerbundes, die es ihr erlaubte, unabhängig von den Zuwendungen des Vaters zu leben.
1935 erhielt sie die Stelle einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Kirchenkanzlei wurde während des Krieges in das Städtchen Stolberg im Harz verlegt, wo Elisabeth Schwarzhaupt auch das Ende des Krieges erlebt. Sie erhielt 10 Tage vor Einmarsch der russischen Truppen eine Warnung und flüchtete mit der Kirchenkanzlei nach Göttingen. 1947 übernahm sie ein juristisches Referat im Kirchlichen Außenamt in Frankfurt, wo ihre Eltern lebten. Als Referentin für Frauenfragen in der Evangelischen Kirche begann sie mit dem Wiederaufbau der evangelischen Frauenverbände in Deutschland und deren Zusammenfassung in einem Dachverband. Zunächst ging es vor allem um die Hilfe für Flüchtlingsfrauen und Frauen mit Kindern, deren Männer sich noch in Gefangenschaft befanden. Bald gehörten aber auch wieder staatsbürgerliche Tagungen im Rahmen der politischen Bildung von Frauen zu ihrem Arbeitsfeld.
1953 wurde Elisabeth Schwarzhaupt gebeten, der CDU beizutreten und für den Bundestag zu kandidieren. Sie kam dem zögernd nach, weil sie es für wichtig hielt, die parteipolitischen Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten zu überwinden, und hieran wollte sie mitwirken. Ihr errungenes Mandat behielt sie bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 1969. Sie schätzte die Arbeit in den Frauenorganisationen als eine der wichtigsten Bereiche ihrer Aktivitäten ein. So wurde sie, nachdem sie aus dem Bundestag ausgeschieden war, 1972 zur Vorsitzenden des Deutschen Frauenrates und später auch zur Vorsitzenden des Deutschen Akademikerinnenbundes gewählt.
Aus den Jahren ihres Bundestagsmandates stammt das folgende Bild: Eine schmale Figur in dunkler Jacke, am Schreibtisch sitzend, ein Gesicht mit freundlichem aber ernstem Ausdruck, große dunkle Augen, die am Betrachter vorbeisehen, in der Hand eine Lesebrille und vor sich eine Akte das Bild einer feinen, klugen, maßvollen und zugleich unbeugsamen Frau - so zeigt ein Foto Elisabeth Schwarzkopf bei der Arbeit. Kann eine solche Frau hinterlistig handeln?
Genau dies warf ihr eine Fraktionskollegin, die Katholikin Helene Weber 1955 vor. Was war geschehen? Seit dem 1.4.1953 galt der Grundrechtsartikel 3 uneingeschränkt: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Entgegenstehendes Recht durfte nicht über den 31.3.1953 hinaus in Kraft bleiben. Die Familienrechtsreform war dringlich. Der Streit entzündete sich u.a. am Letztentscheidungsrecht des Ehemannes in allen die Ehegatten und die Kinder betreffenden Fragen ("Stichentscheid"). Die überwiegende Meinung in der damaligen CDU-Fraktion befürwortete den Stichentscheid. Die männlichen Fraktionsmitglieder konnten sich gelassen zurücklehnen wie dies auch heute noch in Sachen "Quorum/Quote" gilt die Frauen trugen das Gefecht unter sich aus. Am 12. Februar 1954 lieferten sich Helene Weber und Elisabeth Schwarzhaupt ein aufsehenerregendes Rededuell. Helene Weber plädierte für den Stichentscheid. Sie meinte, "dem Vater müsse man als Haupt der Familie im Recht den Vorrang geben; die Mutter sei das Herz der Familie". Elisabeth Schwarzhaupt stand mit Leidenschaft auf der Seite des Grundgesetzes und focht gegen den Stichentscheid Es kam zur Abstimmung im Rechtsausschuß des Bundestages. 7:7 stand es: SPD, FDP und Elisabeth Schwarzhaupt auf der einen Seite, CDU/CSU und BHE auf der anderen Seite. Die Abgeordnete Margot Kalinke (Deutsche Partei) war gegen den Stichentscheid, hatte sich für die entscheidende Sitzung aber entschuldigt. Ihr Vertreter trat, wie man wußte, für den Stichentscheid ein. Elisabeth Schwarzhaupt setzte ihre ganze Überzeugungskraft ein und erreichte, daß Margot Kalinke doch erschien das Ergebnis im Rechtsausschuß war: Kein Stichentscheid. In dieser Situation soll die Kontrahentin Helene Weber bemerkt haben: "Hinterlistig" sei das "und dat is doch sehr bedenklich für eine Oberkirchenrätin!" Am 3. Mai 1957 plädierte Elisabeth Schwarzhaupt im Plenum des Deutschen Bundestages gegen den Stichentscheid. Bei der Abstimmung gab es schließlich eine Mehrheit gegen den Stichentscheid. Allerdings blieb es beim Letztentscheidungsrecht des Vaters, als am 18. Juni 1957 das "Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts" verkündet wurde. Der Stichentscheid des Vaters wurde durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 29. Juli 1959 für verfassungswidrig erklärt.
Die Familienrechtsreform bot noch zahlreiche andere Kriegsschauplätze. So kämpfte Elisabeth Schwarzhaupt für die Zugewinngemeinschaft, deren Grundidee darin liegt, die Familienarbeit zu würdigen und den nichterwerbstätigen Partner für ihre/seine Leistungen am Vermögenserwerb zu beteiligen. Helene Weber trat sogar für eine Wiederaufnahme der Zölibatsklausel im Beamtenrecht ein, wonach die Entlassung einer Beamtin aufgrund von Eheschließung legalisiert werden sollte. Wo Elisabeth Schwarzhaupt stand, ist klar.
1961 ging es um die Neufassung des Widerspruchsrechts in § 48 Abs. 2 Ehegesetz. Elisabeth Schwarzhaupt trat für ein nicht zu sehr eingeschränktes Widerspruchsrecht des nicht oder minder schuldigen Ehegatten ein. Ihr waren zuviele Fälle bekannt, in denen ältere Ehefrauen nach der Scheidung in demütigender Weise um einen dürftigen Unterhalt hatten kämpfen müssen. Erst als in der Diskussion um die Scheidungsrechtsreform eine finanzielle Besserstellung erreicht wurde, hielt sie das Widerspruchsrecht nicht mehr für erforderlich.
Elisabeth Schwarzhaupts innerparteiliche Gegnerin in der Sache, Helene Weber, war es, die 1961 Konrad Adenauer drängt, endlich eine Frau ins Kabinett aufzunehmen. Sie setzte sich massiv für Elisabeth Schwarzhaupt ein. Die klassischen Ministerien hatte "der Alte" schon vergeben für die Aspirantin wurde ein neues geschaffen, das Bundesgesundheitsministerium. Seinerzeit sprach man nicht von "Quotenfrauen", sondern "Alibifrauen". Elisabeth Schwarzhaupt erfüllte gleich zwei Kriterien: Konrad Adenauer förderte sie auch als Vertreterin der evangelischen Konfession. Die Dame erwies sich aber, wie so etwas ja auch heute noch vorkommen soll, als ihrer Aufgabe gewachsen. Als erstes widersetzte sie sich der Ernennung eines Staatssekretärs, der zwar Mediziner war, aber über keinerlei Verwaltungserfahrung verfügte. Sie sagte dazu, man nehme im Ministerium keine Blinddärme heraus, für medizinische Sachfragen gebe es Fachreferenten. Sie erhielt den gewünschten Juristen, und Konrad Adenauer wußte von Stund' an, daß er eine Ministerin mit Energie und Durchsetzungsvermögen hatte.
10 Tage nach Amtsantritt wurde die "Contergan-Katastrophe" bekannt. Noch im Aufbau des neuen Ministeriums begriffen, war dessen Chefin gefragt, Hilfe für die Eltern und Kinder zu organisieren und zugleich die erforderlichen Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen. Sie meisterte die schwierige Lage.
Das Gesundheitssystem der Bundesrepublik verdankt Elisabeth Schwarhaupt entscheidende Weichenstellungen, so das Bundesseuchengesetz, die Änderung der Ausbildungsordnungen für verschiedene Heilberufe, Verbesserungen des Lebensmittelrechts, Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere und Änderungen im Mutterschutzgesetz. Unter ihrer Führung wurden die ersten Projekte zur Prüfung der Abgasentwicklung von Kraftfahrzeugen, Heizungs- und Industrieanlagen begonnen.
Als Vorsitzende im Sonderausschuß zur Reform des Nichtehelichenrechts nahm sie maßgeblich Einfluß auf die Verbesserung der Rechtsstellung des nichtehelichen Kindes, so durch die Einführung des Erbrechtes gegenüber dem Vater, mit dem es auch rechtlich als verwandt gilt. Die Mutter erhielt das voll Sorgerecht, die Unterhaltsansprüche wurden denen ehelicher Kinder angeglichen.
Rückblende: Schon als junge Frau hatte Elisabeth Schwarzhaupt für die Interessen der Frauen gekämpft. Ihre Vorstellungen standen in krassem Gegensatz zu dem Frauen- und Mutterbild der Nationalsozialisten. In ihrer Referendarzeit beim Berliner Kammergericht hatte sie Adolf Hiltlers "Mein Kampf" und Alfred Rosenbergs "Der Mythos des 20. Jahrhunderts gelesen". Sie sagte dazu später:
Karin Wiedemann