Gibt es eine Tätigkeit, zu der man sich mit schmerzlicherer Willenskraft aufraffen muss als zur Aktualisierung einer Loseblattsammlung? Wenn schon wieder drei oder gar vier der roten Päckchen aus dem Hause BECK ungeöffnet auf dem Tisch herumliegen, dann muss man endlich ran - will man nicht hoffnungslos in überholtem Text versinken. Diese Not der Kundschaft scheint einem Serviceteam der Firma SCHÖNFELDER einen Brainstorm wert gewesen zu sein:
Die trockene Information über die pure Abfolge formeller Normgeltung mit der kalten Anweisung: "dies raus! das rein!" - so offenbar das Resultat - müsse endlich durch Zusatz-Elemente der Meinungs- und Diskurskultur auf ein modernes Niveau gehoben werden. Man will also, so scheint es, dazu übergehen, künftig nicht einfach mitzuteilen, was neuerdings gilt, sondern gleich in dicken Lettern hinzusetzen, was von der chose zu halten sei. Das bringt Leben in die Bude, versüßt die subalterne Tätigkeit des Aus- und Einordnens durch interaktiven Charme, indem es den Kunden motiviert, sofort: noch während des "Raus" und "Rein" dem Hause BECK begeisterte oder wütende e-mails nach München zurück zu schicken. ...
Wer die neueste (104.) Schönfelder-Ergänzungslieferung aufschneidet, kann schon einen Testlauf der neuen interaktiven Diskurskultur in Augenschein nehmen, der sich zunächst auf ein zukünftiges Gesetz beschränkt. Die "Vorschau" (... Ausblick auf wichtige Gesetzesvorhaben) stellt den "Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG - Inkrafttreten geplant für Ende 2000)" vor.
Der erste Absatz fasst das Wesentliche des Entwurfs knapp zusammen zum Fazit:
"Eine weitgehende Gleichstellung mit der Ehe soll sich auf nahezu sämtliche Rechtsgebiete beziehen. ... Zur Umsetzung dieser Vorhaben sieht der Entwurf den Erlass eines Gesetzes über die Eingetragene LP, mehrere Änderungen im BGB und in der ZPO sowie in weiteren 111 (einhundertelf) Rechtsvorschriften vor."
Soweit, so interessant - und zu memorieren nützlich. Über das Projekt lässt sich bekanntlich streiten, und wird gestritten: In der wissenschaftlichen Literatur (z.B. Diederichsen NJW 2000, 1841; Krings ZRP 2000, 409, Pauly NJW 1997, 1955, Roelleke NJW 96, 3261 einerseits, Ott NJW 98, 117, Röthel ZRP 99, 511, Bruns ZRP 96, 6 andererseits), in der Presse (kontrovers selbst innerhalb der Redaktionen: z.B. FAZ: K. Adam am 29.6.2000:
"Kinderlandsverräter"/Patrik Bahners am 10.07.2000: "Traut euch endlich!") und vor allem - jetzt und demnächst weiter - im Deutschen Bundestag. ...
Dieses berichtende Entree ist zwar mehr als nichts, reicht aber noch lange nicht aus, der Sache den neuen pep zu geben. Deshalb fährt Schönfelders Unbenannter in wärmerem Ton, ja sozusagen mit brausendem Herzblut fort:
"Der Gesetzentwurf wird nach Beseitigung der strafrechtlichen Verfolgung gleichgeschlechtlich orientierter Personen, die nicht unter dem NS-Regime, sondern auch in den ersten 20 Jahren der Bundesrepublik Deutschland mit über 50.000 als menschenrechtswidrig einzustufenden Urteilen nachhaltige Formen angenommen und noch bis 1994 fortgewirkt hat, als weitgehende Beendigung einer nach wie vor bestehenden gesetzlichen Diskriminierung der auf Dauer zusammenlebenden gleichgeschlechtlich empfindenen Mitbürger aufgefasst. Das Vorhaben stellt damit die seit langem bedeutendste Entwicklung des Rechts im Geist der für alle Menschen geltenden Menschenrechte dar und entfaltet eindrucksvoll das auch gleichgeschlechtlich orientierten Mitbürgern in Art. 2 I GG garantierte Grundrecht auf Entfaltung der Persönlichkeit, das sich ebenfalls im Zusammenleben mit einem Partner äußert."
Nun gibt es bekanntlich ein paar Einwände. Indessen gebietet moderner Service, den sortierenden Leser (oder lesenden Sortierer) mit solcherweise geweckten Skrupeln nicht sich selbst zu überlassen, sondern ihn fest an die Hand zu nehmen:
"Gegen das Gesetzesvorhaben wird eingewandt, es verstoße gegen den besonderen Schutz der Ehe aus Art. 6 I GG. Der verfassungsrechtliche Ehebegriff bedarf aber ... der Ausformung durch den Gesetzgeber ... Die Erstreckung des Ehebegriffs auf gleichgeschlechtlich orientierte Partner bewirkt keine Abstriche am Schutz von Ehen zwischen Mann und Frau. Partiell verabschiedet wird lediglich ein tradiertes Vorverständnis, das als solches keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt, weil es im Hinblick auf die Erweiterung des Ehebegriffs kein tatsächliches Rechtsgut schützt, sondern allein der Ausgrenzung gleichgeschlechtlich orientierter Person dient. ... Art. 6 GG ... begrenzt die Definitionsgewalt des Gesetzgebers gegenüber gleichgeschlechtlich orientierten Partnern nicht ... ",
... so dass nach alledem die vorsichtshalber mitgeteilte conclusio wie überflüssig klingt: dass gegen das LPartG. verfassungsrechtlich "erst recht" keine Bedenken erhoben werden könnten.
Wie gesagt: ein vielversprechender Auftakt zu kundenfreundlichem Infotainment. Oder sollte die Bundesministerin der Justiz ihre PR-Agenturen inzwischen bis in den BECK'schen Verlag hinein vorgeschoben haben ?
Günter Bertram