Politischer Magerquark
Die CDU Hamburg hat sich einen
Fachmann für Fragen der Rechts- und Innenpolitik zugelegt, Roger Kusch,
seines Zeichens Oberstaatsanwalt. Sein Aufgalopp geriet auf unwegsamem
Gelände der inneren Sicherheit zu einem Irrlauf, der deutlich machte,
dass Herrn Kusch der Umstieg aus den Höhen der Politik in die Niederungen
des gerichtlichen Alltags noch nicht gelungen ist. Er blässelt wegen
Praxisferne. Dies alles an dem Tage des Herrn, an dem Herr Kusch überhastet
Medienvertreter zu einer Pressekonferenz in das Rathaus geladen hatte.
Was Herr Kusch dort absonderte, ist von einer derartig grotesken Verzerrung
der Wirklichkeit, dass es eines Eingehens auf diesen fragwürdigen
Auftritt eigentlich nicht bedürfte. Da aber auch substanzlose Beiträge
erfahrungsgemäß irgendwelche Spuren zeichnen und hinterlassen,
in Kürze dieses:
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Das Präsidium des Amtsgerichts
hat selbstverständlich die Sonder-zuständigkeit für Wirtschaftsstrafsachen
nicht aufgehoben. Die Wirtschaftsstrafrichter bearbeiten allerdings nicht
- wie bisher - zusätzlich Betäubungsmittelstrafsachen, sondern
Verkehrsstrafsachen.
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Diese Zuständigkeitsverlagerung
ist nicht etwa - wie Herr Kusch meint - unzumutbar. An einem Gericht gibt
es keine unzumutbaren richterlichen Aufgaben, Aufgaben erster und zweiter
Klasse. Jeder Richter muss grundsätzlich bereit sein, jede Rechtsprechungsaufgabe
in einem Gericht wahrzunehmen. Unter diesen Voraussetzungen werden Richter
eingestellt.
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Es werden im Rahmen der geplanten
Umorganisation keine Richter gegen ihren Willen versetzt. Das Präsidium
ist vielmehr bemüht, Versetzungsgesuchen von Kolleginnen und Kollegen
weitest möglich zu entsprechen.
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Richtig ist, dass zukünftig
die BTM-Strafverfahren von Richtern im allgemeinen Strafdezernat, also
von überaus versierten Strafrichtern verhandelt werden. Dieser Neuzuschnitt
ist sachlich geboten. Herr Kusch möge mir einmal erklären, welchen
inhaltlichen Bezug BTM-Strafsachen mit Wirtschaftsstrafsachen haben sollen.
Ihm wird dies nicht gelingen. Im Gegenteil: Schon wegen der Beschaffungsdelikte
gehört die Bearbeitung dieser Delikte mit den BTM-Strafverfahren in
eine Hand, wie dies im Jugendstrafverfahren, in den Strafverfahren an den
Stadtteilgerichten und nicht zuletzt bei den Berufungskammern, also den
Kleinen Strafkammern am Landgericht bereits der Fall ist. Bislang ist niemand
auf die Idee gekommen, in diesen Bereichen andere Zuständigkeitsregelungen
anzustreben - und dies aus gutem Grund. Es soll hier also zusammenkommen,
was vom Inhalt und vom Verfahren zusammengehört. Dass BTM-Strafverfahren
als haftintensive Verfahren sinnvollerweise im Strafjustizgebäude
verhandelt werden, ist im übrigen ein nicht unwichtiges Zusatzargument.
Man wird Herrn Kusch nicht vorhalten
können, dass sich ihm diese Gesamtproblematik noch nicht erschlossen
hat. Hier ist Nachsicht zu üben. Er ist neu im Geschäft, muss
sich also einarbeiten. Vorwerfen muss ich ihm jedoch, dass er sich, bevor
er seine Backen aufbläst, nicht kundig macht. Er ist schließlich
Vertreter einer ernst zu nehmenden Partei. Ich hätte mir jede Zeit
genommen und keine Mühe gescheut, ihn umfassend und erklärend
zu informieren, gratis et privatissime.
Zu befürchten steht indessen,
dass Herrn Kusch nicht Sorge um die Sache umtrieb und an die Öffentlichkeit
zwang, dass vielmehr nach dem gängigen und immer weiter um sich greifenden
Muster der Politik verfahren wurde, nach dem Politik sich in Symbolen erschöpft
und Parolen und Schlagworte an die Stelle politischer Sachfragen und -aussagen
treten. Mit Sorge ist zu beobachten, dass gerade auf dem sensiblen Gebiet
der inneren Sicherheit unter den Parteien ein Wettkampf zu entbrennen droht,
der durch markige Sprüche und grobes Raster geprägt wird. Da
kommen dann Gerichte und Staatsanwaltschaften als "Watschenmänner"
gerade recht. Und wenn es um die Macht geht, wen schert es da schon, dass
die dritte Staatsgewalt Schaden nimmt. Dies alles wird man - da bin ich
ganz sicher - noch bitter bereuen - und dann fließen die Krokodilstränen,
und ein Wehklagen hebt darüber an, dass staatliche Institutionen nicht
mehr das Vertrauen und die Akzeptanz der Bevölkerung genießen.
Ich sage dies als jemand, der in verschiedenen Funktionen immer wieder
die kritische Auseinandersetzung innerhalb der Gerichte und Staatsanwaltschaften,
die Auseinandersetzung mit der Kritik an der Justiz eingefordert und sich
gegen eine Justiz unter einer Käseglocke ausgesprochen hat.
Der Wettkampf wird uns noch
manche Früchte einbescheren. Wir können dies alles gar nicht
abwarten. Die Jagdzeiten, genannt Wahlkampf, sind eröffnet.
Heiko Raabe (Präsident
des AG Hamburg)
Anm. zu diesem Artikel von G. Bertram, MHR 4/2000, 24