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Justiz – kundenfreundlich

Vor kurzem sitz ich im Termin,
Hab dort zu judizieren.
Das Rechtsgespräch wogt her und hin,
Partei-Streit zwecks Prozessgewinn.
Wer mag schon gern verlieren.

Am Ende schaun erwartungsfroh
Zum Richtertisch die beiden:
Man wünscht ein Urteil, weil nur so
Der Hader lasse comme il faut
Sich rechtskonform entscheiden.

Da kommt mir plötzlich in den Sinn
Beim die Verhandlung schliessen,
Die Kundenfreundlichkeits-Doktrin
Und dass ein "Dienstleister" ich bin
(Der Alte Fritz lässt grüssen?).

Komplett blockiert mich das seither,
Ich brüte viele Stunden,
Als ob ich Kaiser Wilhelm wär:
"Parteien" kenne ich nicht mehr,
Ich kenne nur noch "Kunden".

Doch ganz egal, stets sind es zween,
Und einer nur kann siegen,
Der andre wird, was ihm geschehn,
Als unfreundlichen Akt verstehn,
Sich zähneknirschend fügen.
 
Man soll die Sprach-Willfährigkeit
Nicht auf die Spitze treiben.
Wie wär's, wenn mit Bescheidenheit
Es würde wie zu jeder Zeit
Beim Richter-Ethos bleiben?

RiVG Karl-Andreas Hernekamp