< home RiV >
Der Sievekingplatz in seiner heutigen Gestalt ist nicht das Ergebnis zielstrebiger Planung. Sowohl die Wahl des Standortes als auch die Anordnung mehrerer Gerichtsgebäude zu einem Ensemble sind das zufällige Ergebnis langjähriger Diskussionen und des Ausgleichs verschiedener Interessen.
Ausgangspunkt der Überlegungen war die seit dem großen Brand im Jahre 1842 bestehende Raumnot in öffentlichen Einrichtungen. Zwar waren die meisten Behörden im neuen Waisenhaus in der Admiralitätsstraße untergekommen. Aber auch in anderen Gebäuden befanden sich Diensträume der Justiz, verstreut über die ganze Stadt.
Anlaß zur Klage bot nicht nur die überall herrschende Enge,
sondern auch der schlechte Erhaltungszustand der Bausubstanz und ihrer
Innenausstattung. Als mißlich empfunden wurde zudem die Behinderung
des Verkehrs der Einrichtungen untereinander durch die großen Entfernungen
innerhalb der Stadt. Alles in allem bestand seit 1842 ein dauerhaftes Provisorium
und das, obgleich die Stadt in den Jahren seither mehr als die doppelte
Zahl an Einwohnern erreicht hatte:
1841 J J
J J J
135.377Einwohner
1861 J J
J J J
J 171.700Einwohner
1875 J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J 388.000Einwohner
1880 J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
J J J
454.000 Einwohner
Insbesondere im Bereich der Strafrechtspflege waren die baulichen Verhältnisse in den Sechziger und Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts außerordentlich bedrückend. 1868 schrieb der Architectonische Verein in seinen Mitteilungen: "Der Neubau ausreichend und zweckmäßig eingerichteter Gefängnisse außerhalb der Stadt ist seit langer Zeit Gegenstand der Berathung der betreffenden Behörden." Daß die Behörden diese Beratungen besonders zügig pflegten, läßt sich den Akten der Baudeputation aus der Planungsphase nicht entnehmen. Lange Diskussionen wurden zunächst über die Standortwahl geführt. Hierbei herrschten nicht etwa die Bedürfnisse der Justiz in der Argumentation vor - immer wieder ging es in erster Linie darum, wie man am billigsten davonkommen könne. Mit dieser Leitlinie verfocht die Finanzdeputation den Plan, im "Garten des Rathauses" zu bauen. Was war das nun? Gemeint ist damit ein Grundstück an der Admiralitätsstraße, das der Stadt bereits gehörte (!) und das sich von der Pulverthurmsbrücke bis zum Schaarthor am Fleet erstreckt. Die Gegend entspricht dem heutigen westlichen Ufer des Alsterfleets, das damals eine breitere Uferzone aufwies. Für diesen Platz sprachen seine Belegenheit inmitten der Stadt und die Nähe zum Rathaus. Der Haupteinwand betraf den geringen Raum. Da nicht nur ein Strafjustizgebäude gebaut werden sollte, sondern das Vorhaben sich auch auf ein danebenliegendes Untersuchungsgefängnis erstrecken sollte, war der Platzbedarf ein wichtiger Punkt. In der Admiralitätsstraße hätte man ein Untersuchungsgefängnis nur für 150 bis 200 Personen bauen können - auch dies nur unter beengten Verhältnissen und ohne einen Gefängnishof. Also kamen andere Standorte ins Gespräch: Am Lübecker Tor, an der Lohmühlenstraße und gegenüber dem Platz, an dem sich heute das Museum für Kunst und Gewerbe befindet. Diese Alternativen wurden verworfen. Einerseits kamen sie wegen zu großer Entfernung von der Stadtmitte nicht ernsthaft in Betracht ("Die geschäftstreibende und arbeitende Bevölkerung würde eine empfindliche Belästigung darin finden, dorthin zu gerichtlichen Terminen mit großem Zeitaufwand sich begeben zu sollen") andererseits verwarf man sie, "weil es bedenklich erscheine, gegenüber einem notorisch überfüllten Krankenhaus ein umfangreiches Gefängnis zu errichten". Allzu viel Verkehr sollte auch nicht herrschen, denn ein Untersuchungsgefängnis, das zwischen zwei lebhaften Verkehrsstraßen liege, sei unzweckmäßig, weil sich der Verkehr unmittelbar längs der hohen Umfassungsmauer bewege.
Nach zweijährigem Hin und Her von 1876-78 fiel schließlich die Entscheidung zugunsten des Platzes zwischen botanischem Garten und Holstentor. Die hier verlaufende Straße "Vor dem Holstenthor" hatte man noch vor Abschaffung der allabendlichen Torsperre am 31.12.1860 durch die ehemaligen Wälle nach Westen hin angelegt und mit einem Tor versehen, das am 1.6.1859 eröffnet wurde. Die Vorteile dieses Standortes sah man insbesondere im großzügigen Terrain, das langfristig Raum für zwei Gebäude bot und Erweiterungen ermöglichte. Die Verkehrslage betrachtete der Senat als günstig, da sich der Hafen in der Nähe befand. Positiv wurde auch vermerkt, daß das (Seite 26 für Abb. 14)Untersuchungsgefängnis "vor einer engeren Bebauung sichergestellt werden könne". Zur Beschleunigung seines Vorhabens setzte der Senat nun ein neues Argument ein. Dazu heißt es in der Mittheilung des Senats an die Bürgerschaft vom 30. Mai 1877:
Die Kostenvoranschläge Zimmermanns vom 10. September 1877 und 10. März 1878 erschreckten die Stadtväter nicht wenig , beliefen sie sich doch auf 3 Millionen Mark (Abb. 15).
Die Bürgerschaft faßte den endgültigen Beschluß zum Bau des Strafjustizgebäudes und eines Untersuchungsgefängnisses in ihrer Sitzung vom 26. Juni 1878 (Abb. 16).
Der Bau begann im Jahre 1878. Die Baupolizei vermerkte unter dem 28.7.1879: "Der Senat hat durch Herrn Baudirektor Zimmermann den Bau des Strafjustizgebäudes vor dem Holstenthore angezeigt." Fertiggestellt wurde das Untersuchungsgefängnis im September 1881, das Strafjustizgebäude genau ein Jahr später.
Einweihungsfeiern für das neue Justizgebäude - immerhin das erste nach dem großen Brand - fanden nicht statt. Diese Frage wurde in der Sitzung des Senats vom 6. September 1882 erwogen. Bürgermeister Weber als Vorstand der Verwaltungsabteilung für das Justizwesen referierte über die Einweihungen öffentlicher Gebäude in früherer Zeit, und man gelangte zu dem Entschluß, von einem feierlichen Einweihungsakt unter "obwaltenden Umständen" abzusehen. Die Veranlassung einer dem Senat der Bürgerschaft und den Behörden zu gewährenden Besichtigung und das Weitere sollte dem Präses der Baubehörde überlassen bleiben. Die Baudeputation schwang sich zu folgender Anzeige im Hamburgischen Korrespondenten vom Freitag, dem 29.9.1882 auf:
Die Baudeputation.
(hier erste Hälfte der Abb. 15; ohne Bildunterschrift)
Abb. 16