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Teil XV
- Die Vollendung -

Der Hamburger Anzeiger vom 2. Dezember 1927 berichtete unter der Überschrift "Anbau am Ziviljustizgebäude":

"Um einen Teil der Anlagen an den Stadtgräben hinter dem Ziviljustizgebäude hat man in den letzten Tagen eine Bauplanke gezogen. Das ist der Auftakt für den großen Erweiterungsbau für das Gebäude, für den von der alten Bürgerschaft am 19. Oktober vorläufig 3 Millionen Mark bewilligt worden sind. Man will zunächst die umfangreichen Erdarbeiten, die zur Planierung des Geländes erforderlich sind, bewerkstelligen, um einer größeren Zahl von Arbeitslosen Beschäftigung zu geben. Es ist auf einer Seite Boden auszuschachten und an anderer Stelle wieder aufzuschütten. Um an die Baustelle herankommen zu können, hat man von der Glacischaussee her eine provisorische Zufahrtstraße gepflastert.

Der Anbau, der wie die Mehrzahl der hamburgischen Staatsbauten von Professor Schumacher entworfen worden ist, wird ungefähr ebenso groß werden wie das heutige Gebäude und in seinem Inneren einen geräumigen Hof enthalten. Es wird sich in seiner Farbgebung nach dem alten Gebäude richten, im Stil jedoch modern sein. Damit soll nicht gesagt werden, daß alter und neuer Gebäudeteil so sehr kontrastieren werden wie die Kunsthalle. Man rechnet für das Gebäude eine Bauzeit von 2 -2 1/2 Jahren. Benötigt wird es schon dringend seit längerer Zeit. Besonders das Grundbuchamt, das heute in den Baudeputationsgebäuden an der Bleichen viel Platz wegnimmt, wartet auf die Fertigstellung des Neubaus sehr."

Ein halbes Jahr später, am 27.4.1928, berichtete das Hamburger Fremdenblatt, z.Z. sei die Fundamentierung im Gange. Der Redakteur fuhr fort: "In 4 Wochen soll der Hochbau begonnen werden. Als Bauzeit sind zwei Jahre vorgesehen, man hofft aber, den Neubau schon Ende 1929 fertigstellen zu können.....Der Bau zeigt im Entwurf eine durchaus große Linie und verspricht architektonisch sehr interessant zu werden." Der Anbau zum Ziviljustzigebäude nahm steten Fortgang. Sicheres Indiz war ein heftiges Tauziehen zwischen Amts- und Landgericht um die Verteilung der Räume. Dabei spielte die Frage der Dezentraliserung des Amtsgerichtes eine große Rolle. Eine "Besprechung wegen Raumverteilung" ist überliefert vom 30.1.1928. 10 Uhr. An ihr nahmen Senator Nöldecke, Fritz Schumacher, Landgerichtspräsident Dr. Ewald und Amtsgerichtspräsident Dr. Blunck sowie, vier Rechtsanwälte teil. Die Anwälte sollten im Amtsgerichtstrakt Zimmer erhalten, ferner war dort Raum für die Juristische Lesegesellschaft e.V. vorgesehen.

Ein Aktenvermerk des landgerichtlichen Sekretariats vom 19. Dezember zeigt uns die Größenordnungen, mit denen das Landgericht damals rechnete:

21 Zivilkammern und 19 Kammern für Handelssachen waren unterzubringen. Landgerichtspräsident Dr. Ewald hatte schon 1926 an die Baudeputation - Hochbaudirektion - geschrieben, man habe beim Inkrafttreten der neuen Justizgesetze am 1.10.1879 im Landgericht 3 Zivilkammern und 3 Kammern für Handelsachen eingerichtet. Beim Einzug in das neue Ziviljustizgebäude im Herbst 1903 sei das Gericht bereits angewachsen auf 8 Zivil- und Kammern für Handelssachen. Bei Kriegsausbruch 1914 seien es 13 Zivilkammern und 13 Kammern für Handelsachen gewesen. Zur Zeit des Schreibens waren es 13 Zivilkammern und 15 KfH. Der Landgerichtspräsident rechnete für die Zukunft mit 25 Zivilkammern und 25 Kammern für Handelssachen, "um den voraussichtlichen Bedarf der nächsten 50 Jahre zu decken". Er lag damit gar nicht so falsch, wenngleich er auch die Zahl der Kammern für Handelssachen überschätzte.

Die Planer befaßten sich auch mit der Mitarbeiterfreundlichkeit des Neubaus. Es findet sich in den Akten ein Zeitungsausschnitt unter der Überschrift

 
Ein Gesundheitsprogramm des Reichspostministers.
".........Nur ein gesundes, arbeitskräftiges und arbeitsfreudiges Personal kann Volleistungen erzielen.....Es ist wertvoll, darauf zu halten, daß die Diensträume auch den gesundheitlichen Anforderungen entsprechen...........Bei Ämtern mit zahlreichem Verkehr sollen alle Neubauten mit Brausebadanlagen versehen werden. Gewicht soll ferner gelegt werden auf Kochgelegenheiten zur Erwärmung mitgebrachter Speisen, auf Dachgärten, die während der Pause zum Unterricht oder zum Turnen benutzt werden können...........auf guten Bilderschmuck und Haltung von Blattpflanzen zur Erweckung eines Behaglichkeitsgefühls in den Büro- und Betriebsräumen..............." Diese bemerkenswerten Anforderungen hat man seinerzeit ebensowenig beherzigt wie heute. In den Mitteilungsblättern des Hamburgischen Richtervereins ist schon so häufig vom beklagenswerten Zustand der Diensträume die Rede gewesen, daß die zitierte Passage hier nicht weiter kommentiert werden soll. Sie spricht für sich - die angeschnittenen Fragen bleiben ein weites Feld für Personalräte und Richterräte. Es muß sich ja nicht gleich ein "Behaglichkeitsgefühl" ausbreiten.

Auch die Einrichtung der Diensträume selbst war Gegenstand von Schriftwechsel und Gespräch. Unter dem 21.6.1928 schrieb die Baubehörde - Heiztechnische Abteilung - an die Landesjustizverwaltung, überraschenderweise würden 186 Uhren in den Diensträumen verlangt. Der Kostenvoranschlag sehe aber nur 110 Uhren vor. Man möge die Forderungen einer nochmaligen Durchsicht unterziehen........

Über den Mobiliarbedarf hieß es in einer Anlage zu den Mitteilungen des Senats an die Bürgerschaft vom 25.10.1929:

"Angenommen ist bestes preußisches Kiefernholz, wo nicht anderes Holz ausdrücklich vorgeschrieben, Eichenholz für Tischplatten und Schreibtischplatten Sperrholz mit Linoleumbelag für Sitzungstische und Buchenholz für die Sitzmöbel". Der Schreibtisch des Amts-und Landgerichtspräsidenten (175x100) kostete nach diesen Unterlagen 400.- Mark, der Schreibtischsessel 120.- Mark, der große Bücherschrank 800.- Mark, das Sofa 400.- Mark, die Sessel je 150.- Mark, der Teppich 400.- Mark.

Im Meldezimmer war alles ein wenig preiswerter: Schreibtisch (140x0,75) 125,- Mark, Schreibtischstuhl 15.- Mark, Kleiderschrank 100.- Mark. 210 m Aktenregale für die Aktenräume im Dachgeschoß kosteten 11.550.- Mark. Für 22 Sitzbänke auf den Korridoren wurden je 75.- Mark berechnet, zusammen 1650.- Mark. Richterschreibtische aus Eichenholz gab es für 350.- Mark, Eichenholzsessel für die Richter zu 65.- Mark.

Für das Amtsgericht beliefen sich die Gesamtkosten des Mobiliars auf Mark 109.828,75, für das Landgericht auf Mark 68.839.- und für die Hausverwaltung auf Mark 20.156,25, insgesamt also auf 198.822.- Mark. Für die Drucklegung der Verdingungsunterlagen wurden noch 7953.- Mark hinzugerechnet, sodaß sich ein Gesamtbetrag von 206.775.- Mark ergab. Diesen Betrag beantragte der Senat unter dem 25.10.1929. Er wurde in der Bürgerschaftssitzung vom 6.11.1929 bewilligt.

Amtsgerichtspräsident Blunck hatte seine individuellen Wünsche, für die er heftig kämpfte. Er schreibt unter dem 20.10.1928 an die Landesjustizverwaltung. Seine beiden Bücherschränke reichten nicht aus, trug er vor, er brauche einen dritten, großen Eckbücherschrank. Er sei bereit, auf zwei von 10 Polsterstühlen zu verzichten, obgleich er "nicht selten von größeren Abordnungen aufgesucht" werde. Er bitte, sein Verzeichnis um einen Schirmständer zu ergänzen.

Dr. Rothenberger - genau der, späterer Oberlandesgerichtspräsident unter der nationalsozialistischen Herrschaft - begann seinerzeit seine Karriere in der Justizverwaltung, wie verschiedene Schreiben zeigen. Er brachte sich am 27. Juli und am 24. August bei der Finanzdeputation mehrfach in Erinnerung wegen der Einwerbung der Mittel für die Mobiliarbeschaffung. Es ging um jeden Aktenbock.

Ein neuer Notstand tat sich auf. Die Hamburger Nachrichten berichteten am 1. März 1929 unter der Überschrift:

"Telephonmangel im
Ziviljustizgebäude"

"Das Ziviljustizgebäude leidet, wie wir aus Anwaltskreisen erfahren, an einem sehr bedauerlichen Mangel an Telephonen; im Strafjustizgebäude und im Oberlandesgericht sind die Verhältnisse entschieden besser. In dem ganzen Bereich des Ziviljustizgebäudes sind bloß vier oder fünf Telefone vorhanden, die entweder für den Gebrauch durch die verschiedenen Präsidenten bestimmt oder so umlagert sind, daß praktisch kein Ankommen möglich ist. Die großen wie die kleinen Gerichtsschreibereien sind, wie wir hören, ohne Telephone. Wie die Anwälte oder Parteien, die ein dringendes Ferngespräch führen müssen, zu ihrem Recht kommen sollen, ist ganz unerfindlich. Der Justizverwaltung sollte es doch möglich sein, hier einmal schnelle Arbeit zu leisten und eine größere Reihe Telephone in den Gerichtsschreibereien anzubringen. Diese Ausgabe kann nicht besonders groß sein; die Interessenten würden schnelles Handeln mit großer Freude begrüßen."

Am Sonnabend, den 21.6.1930, konnte im Erweiterungsbau des Ziviljustizgebäudes die neue Fernsprechanlage in Betrieb genommen werden. Ob im Altbau schon früher Abhilfe geschaffen wurde, war nicht zu ermitteln.

Am 20. August 1929 meldete der Hamburger Anzeiger unter Abdruck einer Fotografie der rückwärtigen Front des Erweiterungsbaus:

"Der Erweiterungsbau am Ziviljustizgebäude ist seit einigen Tagen gerüstfrei, d.h. man ist mit dem Rohbau fertig. Das neue Gebäude präsentiert sich mit der Vorderfront nach dem Stadtgraben zu als ein Siebeneck, das in halbkreisförmigem Bogen verläuft, flankiert links und rechts von Treppenhäusern, die turmartrig hochgezogen sind. Die im modernen Stil gehaltene Klinkerfassade weist sieben Stockwerke auf. Das Dachgeschoß springt etwas zurück. Vom Erdgeschoß bis zum Dach wird das Siebeneck durch Rinnenschlitze geteilt, die oben in wasserspeieratigen Köpfen auslaufen.

Rings um das Gebäude werden Grünflächen gezogen und den vorhandenen Holstenwallanlagen angepaßt. Im inneren Hof erhält der Erweiterungsbau nach dem alten Ziviljustizgebäude zu einen Rundbau, in dem sich außer Diensträumen eine Wandelhalle für das Publikum befindet, die dreistöckig ist. Sie wurde als Eisenbetonkonstruktion aufgeführt, die später mit Edelputz verziert wird. Das alte Haus ist mit dem neuen durch einen Gang verbunden. An den Treppenhäusern zu beiden Seiten sind je eine Uhr sowie weiter unterhalb das Hamburger Wappen angebracht. Im Mittelbau befindet sich der Haupteingang mit einer weiteren großen Treppenanlage.

Der linke Flügel des Neubaus wird Diensträume des Landgerichts, der rechte Flügel solche des Amtsgerichts enthalten. Im Mittelbau werden 14 Abteilungen für das Grundbuchamt untergebracht. Das Dachgeschoß soll zur Lagerung von Akten dienen.

Zur Zeit ist man mit Putzarbeiten beschäftigt; auch die Mechaniker haben ihre Tätigkeit begonnen, Heizungs- und Lichtanlagen werden geschaffen. Der Entwurf des Erweiterungsbaus, der in glücklicher Weise die Anlage am Holstenplatz abschließt, und sich harmonisch dem Ziviljustizgebäude anpaßt, stammt von Oberbaudirektor Schumacher."

Die Vereinigung Hamburger Schwachstromfirmen (Syndikus war Dr. jur. H. Oppenheimer) schrieb am 20.9.1929 an die Landesjustizverwaltung: "Wir gestatten uns mitzuteilen, daß der seit 10. April d.J. währende Streik in der Schwachstromindustrie am 10. September d.J. dadurch beendet wurde, daß die Arbeitnehmer bei sämtlichen Mitgliedern unserer Vereinigung sich zur Arbeit wieder zur Verfügung stellten. Der Arbeitskampf kann nunmehr als erledigt betrachtet werden." Offensichtlich wurden die Arbeiten am Anbau des Ziviljustizgebäudes von diesem Streik behindert. Wie er sich im einzelnen auswirkte, ist den vorliegenden Akten aus den Staatsarchivbeständen der Justizbehörde nicht zu entnehmen.

Im Februar 1930 wurde der Durchbruch zwischen Alt- und Neubau vollzogen, ein wichtiger Schritt im Fortgang der Bauarbeiten.

Eine Ergänzung erfuhren jetzt auch die Außenanlagen am alten Ziviljustizgebäude. Im April 1930 wurde das Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I. mit den Allegorien seiner Gesetzeswerke und der sie zusammenfassenden Marmorbank vom Rathausmarkt an die Ostseite des Ziviljustizgebäudes versetzt, wo das Ensemble bis zur Gartenbauausstellung 1962 verblieb. Die Hamburger empfanden die Umsetzung als herben Verlust eines beliebten Treffpunktes. "Unter dem Schwanz von Wilhelms Pferd" trafen sich zwischen 1903 und 1930 zahllose Hamburger und Hamburgerinnen zum Rendezvous. Die leicht erhöhte, halbkreisförmige Anlage rings um das Reiterstandbild mit Ruhebänken aus Granit bot eine angenehme Sitzgelegenheit. Ob sie auch an ihrem neuen Standort soviel Anklang fand, ist nicht überliefert.

Es ging also voran. Baurat Riedel schrieb am 1.7.1930 an die Landesjustizverwaltung, der Neubau werde bis Ende der Woche fertiggestellt sein - die Übergabe solle am Sonnabend, den 5. Juli 10.30 vormittags stattfinden. Der Vorstand der Landesjustizverwaltung mit Sitz in der Welckerstraße 9 teilte unter dem 3. Juli 1930 dem Landgerichtspräsidenten mit, daß sie den Erweiterungsbau am Sonnabend, den 5. Juli 1930, 10 1/2 Uhr übergeben wolle und bat ihn, die Feierstunde zu leiten. Dr. Ewald kam diesem Auftrag nach. Er hielt an Stelle des verhinderten Vorstandes der Landesjustizverwaltung, Senator Nöldeke, eine Rede an den "Hochverehrten Herrn Oberbaudirektor und die sehr geehrten Herren". Er danke allen, die an dem Bau mitgewirkt hatten. Neben Schumacher sprach er den Dank der Stadt auch Baurat Riedel für die zügige Ausführung aus:

"Wir werden die bevorstehenden Gerichtsferien benutzen, um auch tatsächlich von den neuen Räumen Besitz zu ergreifen. Die während der Gerichtsferien einsetzende geringere gerichtliche Tätigkeit wird es mit Hilfe der Baubehörde ermöglichen, daß der Umzug ohne Störungen für die Rechtssprechung vor sich geht. ...Es sei dies Haus stets ein Hort des lauteren Rechts und der Gerechtigkeit!", sagte Dr. Ewald. Das Hamburger Fremdenblatt vom 6.7.1930 kommentierte das Ereignis freundlich unter der Überschrift
"Ziviljustiz in neuem Rahmen":
.....Der Bau wurde Ende 1927 begonnen. Es wurden mit Nebenarbeiten im Altbau 3.045.000 RM für ihn bewilligt, eine Summe, mit der die Bauleitung ausgekommen ist. Sie lag in den Händen der 4. Hochbauabteilung (Oberbaurat Ebeling) unter besonderer Führung von Baurat Riedel, der auch die Räume der Anwälte ausgestattet hat. Die Gesamtpläne und Einzelzeichnungen sind entworfen von Oberbaudirektor Dr. Schumacher, die heiz- und maschinentechnischen Arbeiten leitete Oberbaurat Block. Der ausführliche Bericht schließt wie folgt: "Die Ausführung ist solide, wie bei allen unseren Staatsbauten, aber erkennbar sparsam und schlicht, wie es unserer Zeit und unserer Finanzlage entspricht. Die ästhetischen Gesichtspunkte haben darunter trotzdem nichts zu leiden gehabt. Schon die Art, wie der ganze Bau in die herrlichen Anlagen am Holstenwall hineinkomponiert ist, und wie diese Lage für die Räume ausgenutzt wurde, hebt das Ganze in die künstlerische Atmosphäre hinein" Die Arbeiten am Denkmal Kaiser Wilhelms machten sich jedoch immer noch unangenehm bemerkbar. Am 15.8.1930 schrieb die Landesjustizverwaltung (gez. Dr. J. Meyer) an die Baubehörde wie folgt: "Mit der Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus des Ziviljustizgebäudes hat sich am Haupteingang zum Altbau ein ungewöhnlich reger Verkehr entwickelt. Dieser Eingang wird durchweg von allen Besuchern des Gerichtsgebäudes Alt- uund Neubau benutzt. Obgleich das am Haupteingang postierte Aufsichtspersonal verstärkt worden ist, ist es diesem in den Hauptverkehrszeiten nicht immer möglich, das Publikum mit der für einen Gerichtsbetrieb unbedingt zu fordernden Schnelligkeit abzufertigen. Es kommt daher deshalb hier des öfteren zu Stockungen, was naturgemäß leicht zu Reibereien und unliebsamen Störungen Anlaß gibt. Eine alsbaldige Änderung dieses Zustandes ist deshalb dringend geboten.

Die Entlastung des Haupteinganges wird aber erst dann zu erreichen sein, wenn die Zugänge nach dem Seiteneingang im Verbindungsbau am Holstenwallflügel fertiggestellt sein werden. Daran hindern zur Zeit noch die Arbeiten an der Denkmalsanlage.

Ich wäre daher für eine größtmögliche Beschleunigung dieser Arbeiten und weiter für eine Äußerung darüber dankbar, ob es möglich sein würde, vom Sievekingplatz her einen Zugang nach dem Seiteneingang unmittelbar hinter dem Denkmal an der Gebäudefront entlang zu führen. Hier wäre alsdann eine Richtungstafel mit entsprechender Aufschrift anzubringen."

Die Juristische Wochenschrift meldete schließlich im Oktober 1931: "Am 15. September 1930 ist ein großer Anbau an das Hamburger Ziviljustizgebäude in Betrieb genommen worden, der der Raumnot der hamburgischen Zivilgerichte hoffentlich auf Jahrzehnte Abhilfe gebracht hat, insbesondere ist nunmehr nach Verhandlungen, die Jahrzehnte gedauert haben, das Grundbuchamt in einer allen Ansprüchen genügenden Weise untergebracht worden. Wir dürften damit wohl zur Zeit das modernste Grundbuchamt in Deutschland besitzen. Von allgemeiner Bedeutung ist diese Baufrage für die hamburgische Justiz dadurch, daß nunmehr die wiederholt in der Öffentlichkeit aufgeworfene Frage, ob die für die Stadt Hamburg erforderlichen Gerichte dezentralisiert werden sollen, endgültig in negativem Sinne entschieden ist. Hierauf ist nicht ohne Einfluß gewesen, daß nach der wohl als allgemein zu bezeichnenden Erfahrung die Berliner Dezentralisation der Gerichte sich in keiner Weise bewährt hat und die Wünsche nach einer Zusammenlegung der Berliner Gerichte immer stärker werden." Der Stadtarzt Dr. Versmann gab am 24. September eine gutachterliche Stellungnahme über den Zustand des Neubaus ab. Er meinte - nach sorgfältigem Anbohren des Putzes - es lägen keine Gründe vor, warum ein in der Rekonvaleszenz nach Ischias befindlicher Beamter, den er persönlich gesprochen und dessen Raum er besichtigt habe, dort nicht arbeiten solle. Es sei nicht nötig, diesem Mitarbeiter einen Raum im Altbau zuzuweisen. Mit diesem medizinischen Votum war der Neubau nun endgültig zum Gebrauch tauglich befunden worden.

Zu dieser Zeit, im Spätsommer 1930, befand sich Hamburg schon auf dem Weg in den Nationalsozialismus.

Der Einbruch der Weltwirtschaftskrise traf die Hamburger Wirtschaft durch die internationale Depression im Winter 1929/1930 besonders schwer. Die Arbeitslosigkeit wurde zu einem immer drückenderen menschlichen, gesellschaftlichen und politischen Problem. Die Zahl der Arbeitssuchenden wuchs in Hamburg von rund 50.000 Ende 1928 auf knapp 100.000 Ende 1930. Die Reihenuntersuchungen in den Schulen zeigten, daß der Gesundheitszustand der Kinder wieder ebenso schlecht war wie nach den Hungerjahren des Ersten Weltkrieges. Die NSDAP hatte seit 1930 überall Erfolge zu verbuchen. Sie suggerierte auch Fernerstehenden den Glauben an die Kraft der NSDAP, aller Schwierigkeiten Herr werden zu können. Sie wuchs just zur Zeit der Fertigstellung des Anbaus zum Ziviljustizgebäude bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 zur zweitstärksten Partei. In Hamburg hatte sie ihren Durchbruch bei den Bürgerschaftswahlen am 27. September 1931. Sie wurde nach der SPD zweitstärkste Partei. Aus den Neuwahlen am 24. April 1932 ging die NSDAP mit 31,2 % der Stimmen als die stärkste Partei hervor. Gauleiter war seit dem 15. April 1929 Karl Kaufmann. Welche Veränderungen sich für die Hamburger Justiz anbahnten, ahnten im September 1930 die wenigsten. "Ein Hort des lauteren Rechts und der Gerechtigkeit", hatte Dr. Ewald gewünscht, möge das Ziviljustizgebäude sein. Was mit den Justizgebäuden in der Folgezeit geschah, soll in späteren Folgen dieser Artikelserie untersucht werden.