< home RiV >
Justizsenator Dr. Till Steffen, Hamburg
Selbstverwaltung der Justiz -
Möglichkeiten der politischen Umsetzung
ZRP 2008, 208
(Auszüge ausgewählt von RiLG Wolfgang Hirth)
...
... Auch die von der Judikative ausgeübte Staatsgewalt muss ohne Legitimationslücke vom Volke ausgehen. Daher ist es richtig, wenn die Vorschläge des Deutschen Richterbunds und der Neuen Richtervereinigung einer vollständigen Selbstrekrutierung der Justiz, d.h. der Vornahme von Personalentscheidungen ausschließlich durch die bereits ernannten Richter selbst, eine Absage erteilt haben. ...
... Eine Zentralsteuerung der Gerichte durch den Justizminister, vielleicht noch auf Grund von Vorgaben, die er vom Finanzminister erhält, kann keine gute Arbeitsgrundlage sein. ...
Die Gerichte sind beim Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen selbstverständlich gut beraten, sich die Ideen aus der Verwaltungswissenschaft nutzbar zu machen. Sie sollten das aber eben - wie es bereits an vielen Stellen tadellos funktioniert - selbstständig tun - ohne Vorgaben aus der Zentrale. Das ist ein wichtiger Bestandteil der Autonomie der Justiz, auf den wir aufbauen wollen11.
11Bereits heute gibt es in der Justiz Ansätze für eine eigene Budgetverantwortung. Im Bereich des OLG Braunschweig etwa wird seit 2006 komplett auf Grund von Budgetvereinbarungen gewirtschaftet, vgl. Isermann, RuP 2008, 30 (32). In Hamburg sind im Rahmen des Projekts Justiz 2000 ein großer Teil der Entscheidungen über die Verwendung der Haushaltsmittel auf Gerichte und Staatsanwaltschaft übergegangen; vgl. Moderne Justiz, Abschlussbericht des Projekt Justiz 2000, unter http://www.sgvw.ch. Auch in Schleswig-Holstein gibt es dahingehende Überlegungen, vgl. Presseinformation v. 3. 7. 2008, http://www.schleswig-holstein.de.
... Niemand kann ein Interesse daran haben, dass sich ein Sentiment in der Dritten Gewalt mit dem Tenor weiter ausbreitet: „Die Dritte Gewalt wird bei der finanziellen Ausstattung im Stich gelassen“. Weder „die Politik“, noch die Richterinnen und Richter, nicht die Wirtschaft und nicht die Bürgerinnen und Bürger, um deretwegen der Justizgewährleistungsanspruch am Ende da ist, können hieran interessiert sein. Wenn aus einer solchen Stimmung heraus der Wunsch nach mehr Selbstständigkeit entsteht, sollten Gesetzgeber und Justizminister nicht weghören. Die Einhaltung der Haushaltsdisziplin ist natürlich auch in der Justiz erforderlich. Zu hoffen, dass nach der Implementierung der Selbstverwaltung der Justiz die Haushaltsansätze zügig erheblich ansteigen werden, wäre aus meiner Sicht naiv.
In Wahrheit geht es doch darum: Die unabhängige Justiz will zum einen über die zur Verfügung stehenden Mittel selbst entscheiden. Hierin sehe ich grundsätzlich einen richtigen Ansatz, der auch Möglichkeiten zur effektiveren Ressourcensteuerung einschließt. Die Erfahrung aus anderen Institutionen des Staates lehrt, dass die Verwendung der Mittel effektiver erfolgt, wenn die direkt Betroffenen autonom über die Verwendung entscheiden. Das Ziel muss es hierbei aus meiner Sicht darstellen, dass diese Rationalisierungsgewinne in der Justiz zur Verwendung verbleiben können. Die unabhängige Justiz will sich zum anderen aus ihrer Abhängigkeit von der Exekutive befreien, wenn es um die Entscheidungen der Haushaltsmittel geht. Zwar wird der Haushalt vom Parlament beschlossen, die maßgeblichen Weichen und Vorentscheidungen trifft aber über den Haushaltsplan de facto die Exekutive. Hier kommt es auch auf den Einfluss des für den jeweiligen Bereich verantwortlichen Ministers an. Wenn sich die Justiz von einem Modell der unabhängigen und direkten Verantwortlichkeit ein größeres Gewicht verspricht, so lassen Sie uns hierüber ohne Schranken im Kopf diskutieren. ...
IV. Ausblick
... Am Ende dieses Diskussionsprozesses wird, daran habe ich wenig Zweifel, die Erkenntnis stehen, dass ein Mehr an Selbstverwaltung der Justiz selbst und der auf sie angewiesenen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen wird. Die Debatte hat bisher zu einem großen Teil innerhalb der Justiz selbst stattgefunden. Wir brauchen nun eine lebendige Diskussion über die Rolle der Gerichte, die auch die Menschen außerhalb der Justiz erreicht. ...
Die nächste Hamburgische Bürgerschaft könnte dann durch die gesetzliche Anerkennung den Weg für eine selbstständige Justiz frei machen. Hierfür bringt Hamburg auch gute Voraussetzungen mit. Die bereits genannte mögliche Anknüpfung an die bestehende Praxis der Richterwahlen gehört dazu. Ebenso glaube ich, dass Hamburg als Stadtstaat, als Bundesland ohne zu lange Wege für eine Vorreiterrolle prädestiniert ist. Die Selbstständigkeit der Justiz wird ein noch höheres Maß an Kooperation zwischen den Gerichten - auch fachgerichtsübergreifend - erforderlich machen. ...