c) Selbstverwaltung der Gerichte
aa) Vollständige
Selbstverwaltung?
bb) ,,Aktives
Human Resources Management“
cc) Eigene Mittel
und Stellenbewirtschaftung durch die Gerichte
dd) Gründe
für mehr Selbstverwaltung
(1) Die Gerichte als autonome Einheiten
besonderer Prägung
(2) Planung und bewegliche Umsetzung
(3) Führung durch Delegation der Verantwortung
(4) Die Gerichte als kybernetische Systeme
ee) Gerichtliches
Management - eine Chance
ff) Gerichtliches
Management und Justizverwaltung
gg) Gerichtliches
Management und Richter
hh) Umfassende
Information und Direktvorlage
(1) Länderübergreifende Information
(2) Direktvorlagerecht
c) Selbstverwaltung der Gerichte
Aus diesem Grunde fordert der Gedanke des gerichtlichen Managements
dazu auf, darüber nachzudenken, ob dem Gericht mehr unternehmerische
Gestaltungsmöglichkeiten gegeben werden müssen, um bei den Mitarbeitern
der Organisation mehr Akzeptanz für das gemeinsame Ziel zu erreichen,
d.h. die Grundlage für ein kompetentes und glaubwürdiges Management
zu legen.
aa) Vollständige Selbstverwaltung
Auf dem 40. Deutschen Juristentag im Jahre 1953 wurde darüber engagiert
diskutiert, ob den Gerichten ein "vollständiges Selbstverwaltungsrecht“
zugestanden werden sollte.26 Gegen die Übertragung derart weitgehender
Befugnisse wurden gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht.
Und in der Tat - es geht nicht darum, die Gerichte zu ,,Staaten im Staate“
werden zu lassen. Es geht ausschließlich darum, ob und in welchem
Umfang den Gerichten zum Nutzen der Mitarbeiter und der Rechtsuchenden
mehr Verantwortung übertragen werden kann. Hierbei handelt es sich
weniger um eine Rechtsfrage als vielmehr um die Prüfung, was unter
organisatorischen Gesichtspunkten als zwingend angeraten erscheint.
bb) ,,Aktives Human Resources Management“
Kienbaum27 fordert in diesem Zusammenhang für die Gerichte die Etablierung eines Aktiven Human Resources Management, mit deren Hilfe innerhalb der gerichtlichen Organisation Bedingungen geschaffen werden, „unter denen die Leistungspotentiale der Mitarbeiter voll entwickelt und maximal gefördert werden können.“ Teil eines solchen Management-Gedanken sei es, den Gerichten mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu geben und sie weniger zu reglementieren.
Nach Kienbaum sei nicht einzusehen, warum das einzelne Gericht (Präsident, Direktor, Geschäftsleiter) nicht Fragen wie
"Wenngleich zentrale Beschaffungsverfahren in vielen Bereichen sinnvoll sind, so sollte doch der lokalen Instanz zumindest die Entscheidung darüber zustehen, was sie für ihre Arbeit braucht.
Hier müßte auch durchaus die Möglichkeit der Sachmittel/Personal-Substitution liegen. Gerade in einer Zeit, in der viele Stellen im mittleren und Kanzleidienst unbesetzt bleiben, muß die örtliche Führung auch vor Ort Maßnahmen zur Funktionssicherung der eigenen Einheit im Rahmen bestehender Etats und Stellenpläne treffen können. Voraussetzung dafür ist, daß jedes Gericht im jeweiligen Landeshaushalt mit einer gesonderten Haushaltsstelle geführt wird. Dies ist jedoch aus Beratersicht eher als positiv anzusehen, da hierdurch endlich einmal Klarheit über die tatsächlichen Kosten der Justizgewährung und über die Effizienz der einzelnen Einheit geschaffen wird. Zudem wäre der jeweilige Präsident/Direktor bei Haushaltsüberschreitungen direkt ansprechbar, während heute Ineffizienzen im Gesamthaushalt der Justiz verwischt werden.“
cc) Eigene Mittel- und Stellenbewirtschaftung durch die Gerichte
Tatsächlich ist es unabweisbar, den Gerichten in den Bereichen „Geräte und Ausstattungsgegenstände“, "Bauunterhaltung“ und ,,kleines lnventarium“ Mittel zur eigenständigen Bewirtschaftung zuzuweisen. Zentrale Verwaltungsbehörden und Landesjustizverwaltungen sollten hier lediglich die Rahmenbedingungen unter betriebswirtschaftlich sinnvollen Gesichtspunkten festlegen und sich die Kontrolle effektiver Verwendung der Mittel vorbehalten. Die Bildung von Prioritäten bei der Verwendung der Mittel sollten die Gerichte in eigener Verantwortung vornehmen. Ebenso sollten sie in der Bewirtschaftung von Geräten und Ausstattung einen möglichst großen Spielraum erhalten. Auf diese Weise wird eine sehr viel schnellere, dem Benutzerinteresse besser dienende und in der Ausnutzung der Mittel wirtschaftlichere Beschaffung zu erreichen sein, als dies bei zentralen Beschaffungsmaßnahmen nach einheitlichen und starren Rahmenrichtlinien möglich ist. Auch hier sollte bundeseinheitlich eine Angleichung an die Standards erfolgen, die ein Höchstmaß an eigenständigen Gestaltungsmöglichkeiten der Gerichte auf allen geeigneten Haushaltssektoren gewährleisten.
Dies sollte auch für die Stellenbewirtschaftung gelten. So wie
die Gerichte ihre Geschäftsverteilung in eigener Verantwortung zu
organisieren haben, sollten sie auch in die Lage versetzt werden, in den
übrigen Funktionsbereichen (Geschäftsstellenverwalter, Protokollführer,
Schreibkräfte, Wachtmeister) in eigener Verantwortung über die
Verwendung von Stellen zu disponieren. Zentralbehörden und Landesjustizverwaltungen
sollten die Bedarfmessungen insgesamt vornehmen und insoweit die haushaltsrechtliche
Verantwortung tragen. Die Gerichte sollten jedoch in der Stellenbewirtschaftung
- zumindest über längere Zeiträume - frei von einengenden
starren Bindungen an Verwaltungsgliederungspläne und vergleichbare
Instrumente zentraler Steuerung sein, weil nur so die Gerichtsorganisation
an die sich ständig wandelnden Bedarfe angepaßt werden kann.
Die in weiten Teilen übliche starre Bindung an zentrale Vorgaben verhindert,
zumal sie eingebunden ist in ein ganzes System dienstrechtlicher und tarifrechtlicher
Zwänge, die rechtzeitige Anpassung der Organisation an veränderte
Verhältnisse und führt im Ergebnis zu Reibungsverlusten, die
vermeidbar wären.
dd) Gründe für mehr SelbstverwaItung
Versucht man sich einen Überblick darüber zu verschaffen, ob und in welchem Umfang den Gerichten in den alten Bundesländern eine eigene Sachmittelzuständigkeit übertragen ist, dann ist das Bild verwirrend. In Berlin werden die Haushaltsmittel für die Gerichte beim Kammergericht verwaltet.
In einer Reihe von Ländern haben die Oberlandesgerichte und die Landgerichte eine eigene gewisse Mittelzuständigkeit, nicht dagegen die Amtsgerichte. Im Bremen und im Saarland haben auch die Amtsgerichte eine begrenzte Zuständigkeit zur eigenen Mittelverwaltung. In Hamburg werden die Mittel allein von der Landesjustizverwaltung verwaltet. Die Notwendigkeit, diesen sachwidrigen, überbürokratischen Zustand zu beseitigen, folgt aber auch aus anderen Gründen, welche im wesentlichen in der besonderen Stellung der Gerichte ihre Ursache haben.
(1) Die Gerichte als autonome Einheiten besonderer Prägung
Die Organisation und das Anliegen der „Dritten Gewalt“ unterscheiden sich in vielen Faktoren von denen anderer Behörden: Die Gerichte sind aufgrund ihrer Präsidien jedenfalls zum Teil autonome Einheiten. Angesichts der den Richtern (und Rechtspflegern) anvertrauten Unabhängigkeit haben sie gegenüber dem Bürger eine andere, intensivere Verantwortung, wird doch bei den Gerichten über das Anliegen der Rechtsuchenden rechtskräftig und endgültig entschieden. Die Berufsbilder der bei den Gerichten tätigen Mitarbeiter sind zum Teil mit denen der übrigen Behörden nicht vergleichbar. Entsprechendes gilt für weitere Besonderheiten ihrer Organisation (Umfang des Aktenflusses, Intensität des Schreibwerks, Hinwendung zur Arbeit in kleinen Gruppen, Sitzungssäle, Ordnungsaufgaben zur Sicherung des Sitzungsdienstes).
Angesichts dieser Eigenheiten, die sich aus der besonderen Art gerichtlichen
Handelns ergeben, sind viele Richtlinien, welche andere Behörden für
ihre Verwaltungen herausgeben, für die Gerichte ungeeignet. Das gilt
z.B. für allgemeine, für die öffentliche Verwaltung herausgegebene
Raumrichtlinien, die den besonderen Gegebenheiten bei den Gerichten vielfach
nicht gerecht werden.
(2) Planung und bewegliche Umsetzung von
Organisationsentscheidungen
Auch die von den Gerichten zu leistenden Planungsaufgaben, die sich hieraus laufend ergebenden Organisationsentscheidungen, bestätigen ihre eigenständige Rolle. Im Gegensatz zu manch anderen Behörden und Unternehmen der freien Wirtschaft sind Ein- und Ausgänge nicht kalkulierbar. Gerichtliche Arbeitskraft ist im Gegensatz zu der eines Sachbearbeiters nicht typisierbar und formalisierbar. Richter und Bedienstete der Gerichtsorganisation sind unberechenbaren Konflikten und unterschiedlichsten Anspruchs- und Erwartungshaltungen der sie umgebenden Umwelt ausgesetzt. Die Zunahme der Anwaltschaft, die Expansion der Rechtsschutzversicherer erschwert zusätzlich kurz- oder langfristig die betriebliche Planung. Bei manchen Gerichten lassen neue Strategien der Strafverteidiger die zeitgerechte Bewältigung von Hauptverhandlungen zu einem immer größeren Problem werden. Zu welchem neuen Gesetzesvorhaben der Gesetzgeber sich morgen entschließt, ist heute nicht vorhersehbar.
Der gerichtliche Alltag ist beherrscht von Präsidiumsentscheidungen,
welche Änderungen der Geschäftsverteilung zum Gegenstand haben.
Rechtsprechungsschwerpunkte etwa innerhalb des Strafverfahrens führen
zu einer Vermehrung oder Reduzierung von Kammern etwa im Sektor der BTM-
oder Wirtschaftskriminalität. Ähnliches gilt für den Zivilbereich.
In allen Fällen ergeben sich hieraus
Änderungen in der Geschäftsstellenorganisation, die
schnell und beweglich umgesetzt werden müssen, ohne langwierige Antragsverfahren
bei den Gerichten durchführen zu müssen. Von den Rechtspflegern
als Geschäftsleitern und Gruppenleitern (Dezernatsleitern) werden
tagtäglich managerähnliche Meisterleistungen vollbracht, um
den sich laufend verändernden Gegebenheiten gerecht werden zu können.
(3) Führung durch Delegation der Verantwortung
Das Denken um das Wie des Führens hat sich heute geändert.
Im Vordergrund steht der Gedanke des Führens durch Delegation der
Verantwortung. Dieser Gesichtspunkt sollte im Verhältnis der Justizverwaltung
zu den Gerichten wirksamer umgesetzt werden. Die diskutierte Notwendigkeit,
gerade bei den Gerichten die Mitarbeiter stärker für das gemeinsame
Ziel gerichtlichen Handelns zu motivieren, zeigt, daß sich Führen
und Organisieren möglichst basisnah vollziehen muß. Dann ist
es aber nur folgerichtig, auch die hierfür erforderlichen Mittel an
der Basis anzusiedeln. Das gilt auch und gerade für technologische
Vorhaben, die nicht fernab als Stangenware produziert werden können,
sondern den Bedürfnissen des jeweiligen Gerichts entsprechend in die
Organisation eingefügt werden müssen, wobei die besondere Rolle
des Richters zu berücksichtigen ist.
(4) Die Gerichte als kybernetische Systeme
Alle diese Aspekte zeigen, daß die Gerichte in sich selbst regulierende kybernetische Systeme darstellen. Betrachtet man das Gericht als einen lebendigen Organismus, so ist der Richter als Repräsentant der Rechtsprechung im inneren Gefüge der Organisation nur als ein Glied von vielen anderen zu sehen. Das gute oder schlechte Zusammenspiel dieses ineinandergreifenden ,,Räderwerks“ ist entscheidend dafür, ob die Arbeitsergebnisse gut oder schlecht sind. Sie sind akzeptabel, wenn die Zusammenarbeit der Mitarbeiter, die Kompetenz und die Ausbildung der Führungspersonen, der ,,Geist des Gerichts“ harmonisch aufeinander abgestimmt sind. Defizite in der einen oder anderen Richtung führen zu Defekten im geordneten Zusammenspiel und führen zu Schäden in der gewünschten, bürgernahen Darstellung der Gerichte im Äußeren und im Inneren.
ee) Gerichtliches Management - eine Chance
Mit der Stärkung des Selbstverwaltungsrechts der Gerichte läßt sich der Gedanke des Managements in der gerichtlichen Organisation erfolgversprechend umsetzen und bietet den Gerichten auch eine Chance.
Zahlreiche der hier angesprochenen Probleme, welche die bessere Außen- und Innendarstellung der Gerichte zum Gegenstand haben. lassen sich in ein neues Managementkonzept einfügen, dessen Lerninhalte umfassend umschrieben werden können:
Mit welchen Lerninhalten derartige Konzepte im einzelnen versehen werden
Mit den vorstehenden Überlegungen wird der justizpolitische Führungsanspruch der Justizverwaltungen nicht bestritten. Die Justizverwaltungen sollten sich jedoch mehr auf ihre eigentliche Aufgabe beschränken, allgemeine Richtlinien zu geben und im Verwaltungssektor koordinierend zu wirken. Das Hineinregieren der Justizverwaltungen in die gerichtlichen Organisationen bis ins Detail hat sich bisher als schädlich erwiesen und hat eine eigenständige Entwicklung der Gerichtsorganisation verhindert.
gg) Gerichtliches Management und Richter
Die Stärkung des gerichtlichen Managements im Sinne eines wirksameren Selbstverwaltungsrechts der Gerichte wird von Richtern allenthalben mit Vorbehalten gesehen. Richter fürchten, daß mit den aus der freien Wirtschaft entlehnten Gedanken zum Management ihre richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt werden könnte.
Genau das Gegenteil ist der Fall.
Es geht ausschließlich darum, die richterliche Arbeit stärker zu unterstützen, sie von Hemmnissen, die ihnen die Gerichts- und Justizverwaltung bereitet, zu befreien. Zahlreiche Defizite in der Geschäftsorganisation belasten die Rechtsprechungstätigkeit des Richters, mag es sich hierbei um eine veraltete Geschäftsstellenorganisation, eine antiquierte Büroausstattung oder um ein unzureichendes Serviceangebot gegenüber dem Bürger handeln. Wenn es z.B. im Kienbaum-Bericht zum "Problemfeld Sach- und Büroausstattung“ heißt:29
Und es ist durchaus nicht so, daß der Richter nur ,,im stillen Kämmerlein“ Entscheidungen entwirft. Im Rahmen der Prozeßordnungen trifft er bei der Terminvorbereitung planende Entscheidungen. Vom Vorsitzenden in einer umfangreichen Strafsache werden bei der Prozeßvorbereitung und Planung managerähnliche Leistungen verlangt, die durchaus die Forderung rechtfertigen, daß sich Gericht und Richter den nicht unvernünftigen Ideen eines modernen Managements erschließen.
hh) Umfassende Information und Direktvorlage
Der Trend zur Stärkung der Selbstverwaltungsmöglichkeiten der Gerichte muß durch ein umfassendes Informationssystem und durch ein parlamentarisches Direktvorlagerecht ergänzt und vertieft werden.
(1) Länderübergreifende Information
Aus der gerichtlichen Selbstverwaltung ergibt sich auch die Notwendigkeit, die für eine eigenverantwortliche Tätigkeit erforderlichen Informationen zu sammeln und bereitzuhalten. Es bedarf also der Entwicklung eines gerichtlichen Management-Informationssystems.
Hierbei geht es zunächst darum, ein zuverlässiges Informationssystem innerhalb der Grenzen zu etablieren, das zu jeder Zeit einen Überblick über die Belastungssituation in den richterlichen Spruchkörpern und den ihnen zugeordneten Geschäftsstellen und Kanzleien erlaubt. Dieses Informationssystem, das auch die Auslastung der Sitzungssäle bei Großgerichten erfaßt, zu erwartende Eingangsentwicklungen z.B. in der Strafgerichtsbarkeit prognostiziert, ist Voraussetzung für eine bewegliche Organisationsführung. Gleichzeitig werden damit den Präsidien der Gerichte mehr verläßliche Daten für ihre Entscheidungen in die Hand gegeben.
Darüber hinaus gehört es aber auch zu den Aufgaben eines sich eigenverantwortlich steuernden Gerichts, über Erkenntnisse und Entwicklungen bei anderen vergleichbaren Gerichten unterrichtet zu sein. Die gesammelten Fakten sind Grundlage für eigene innovative Vorhaben, mögen sich diese auf den Sektor der Außendarstellung (Gerichtsarchitektur, Zeugenbetreuung, intensivere Beteiligung der Schöffen, bessere Zusammenarbeit mit den Anwälten) oder auf die innere Organisation (Anregungen zu Führungskonzeptionen, zentrale oder dezentrale Organisation, Vergleichbarkeit der Vergütungs- und Besoldungsstrukturen, EDV-Projekte) erstrecken.
In diesem Bericht ist mehrfach zum Ausdruck gebracht worden, daß
die Gerichte unter einem beklagenswerten Mangel an Informationen leiden.
Das mag daran liegen, daß die Justizverwaltung ihre Kenntnisse wie
Herrschaftswissen behandeln oder daran, daß bei den Gerichten das
Bewußtsein für die Aufnahme und Verwertung von Informationen
aus anderen Gerichten noch nicht genügend ausgeprägt ist. Das
ändert jedoch nichts daran, daß Informationen Voraussetzung
für eine kreative Organisationsführung sind. Um den Informationsfluß
zu konzentrieren und zu kanalisieren, wird angeregt, auf Bundesebene entsprechend
der für Gemeinden bestehenden kommunalen Gemeinschaftsstelle eine
Gemeinschaftsstelle für gerichtliche Organisation einzurichten. Deren
Aufgabe sollte es sein, Entwicklungen bei den Gerichten aller Bundesländer
zu beobachten, auszuwerten und an die einzelnen Gerichte weiterzugeben.
Wünschenswert wäre auch, daß diese Gemeinschaftsstelle
gegenüber den Gerichten beratende Aufgaben übernimmt.
Daß eine solche Gemeinschaftsstelle für die östlichen
Bundesländer, die erst jetzt mit dem Aufbau ihrer Gerichtsbarkeiten
beginnen, von großer Bedeutung wäre, bedarf keiner besonderen
Begründung.
Aber auch ein parlamentarisches Direktvorlagerecht der Gerichte ist Bestandteil eines mit Leben und Verantwortung ausgefüllten Selbstverwaltungsrechts- und Managements-Konzepts.
Die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Justizgewährungspflicht ist von den Gerichten wahrzunehmen. Für die Parlamente ergibt sich hieraus gleichzeitig die Verpflichtung, den Gerichten die erforderlichen sächlichen und personellen Mittel zur Erfüllung dieses Auftrags zur Verfügung zu stellen.
Der grundsätzlich bestehende Vorrang des parlamentarischen Budgetrechts kann dann zu Konflikten mit den Gerichten führen, wenn diesen zur Erfüllung ihrer Aufgabe ausreichende sächliche und personelle Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden. Das ändert nichts an der Verpflichtung des Gerichts und des einzelnen Richters, dem Anspruch auf Rechtsgewährung zu genügen.
Das Spannungsverhältnis zwischen dem parlamentarischen Haushaltsbewilligungsrecht und der gerichtlichen Justizgewährungspflicht30 wird nicht dadurch aufgehoben, daß der Justizminister die Gerichte mit politischer Verantwortung in Regierung und Parlament vertritt. Die Gerichte (die Richter) haben eine eigene politische Verantwortung. Dieser Verantwortung kann nur in der Form Rechnung getragen werden, daß Haushaltsanforderungen der Gerichte, falls die Regierung sie sieh nicht zu eigen macht, dem Parlament mitzuteilen sind und daß die gerichtlichen Organe an den Beratungen der parlamentarischen Haushaltsausschüsse zu beteiligen sind.
Eine entsprechende Forderung war bereits auf dem zitierten 40. Deutschen Juristentag 1953 - ohne Resonanz im politischen Raum - erhoben worden.31 Sie hat heute an Aktualität gewonnen.
Die Rolle des Richters auch in seinem politischen Bewußtsein wird heute anders gesehen, als es damals der Fall war. Hierbei kann es durchaus Richterpflicht sein, für die ungeschmälerte Erhaltung des Anspruchs auf Justizgewährung zu streiten. Justizminister, Regierungen und Parlamente neigen - in legitimer Weise - dazu, Personalstellen nach "justizpolitischen Prioritäten“ zu bewilligen. Hierbei kann heute die Priorität im Strafverfahren, morgen im Zivilverfabren liegen, heute im BTM-Sektor, morgen im Wirtschaftsstrafbereich, obgleich andere Verfahrenssektoren viel dringender der Hilfe bedürfen. Der sich hieraus ergebende Konflikt muß ausgetragen werden, notfalls gegenüber dem Parlament, den zuständigen
Haushaltsausschüssen, wenn sich der Justizminister und die von ihm vertretene Justizverwaltung den Anträgen der Gerichte (Präsidien, Richterräte, Personalräte, Präsidenten) nicht anzuschließen vermögen.
Der Kampf ums Recht ist ein Kampf um die Rechte der Bürger. Diesen Kampf, wenn erforderlich, vor den parlamentarischen Gremien auszutragen, entspricht mehr dem Gebot der „Waffengleichheit“ der Gewalten, als von einem Sachbearbeiter der Justizverwaltung die Mitteilung zu erhalten, daß ein Haushaltsantrag nicht weitergegeben worden sei. Auch im Falle des Unterliegens wäre damit für die Motivation eines Gerichts mehr getan als resignierend hinzunehmen, daß das Engagement für die Sache des Gerichts im Vorstadium bürokratisch versandet.
_____________________
26 Verhandlungen des vierzigsten Deutschen Juristentages, Hamburg 1953,
Band 1 (Gutachten), Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, Gutachten
Ridder S. 91 ff. Referat lpsen S. C 6 ff.; Koreferat Arndt S. C 41 ff.;
Diskussion S. c 61ff.
27 Abschlußbericht S. 173
28 Abschlußbericht S. 191
29 S. 82
30 BayVerfGH NJW 86/1326
31 Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentages, a.a.O. S. C
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