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NWVerfGH, Urt. v. 9.2.1999 - VerfGH 11/98 - NJW 1999, 1243 - 1247

Der Nordrhein-Westfälische Verfassungsgerichtshof zur Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium in NRW; hier: Auszüge betreffend die

Bedeutung der Gerichtsorganisation

"III.

In diesem Sinne wesentlich ist die Entscheidung (scil.: die Zusammenlegung) ...

1.

Die hier in Rede stehende Regelung berührt den Grundsatz der Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Gerichte und das Rechtsstaatsprinzip, das auch die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes umfaßt.

a) ... Für die Verwirklichung dieser Verfassungsprinzipien ist die Organisation der Gerichtsverwaltung von erheblicher Bedeutung. ...

b) Die Organisation der Gerichtsverwaltung ist an der Schnittstelle zweier Gewalten angesiedelt. Die Gerichts- und Justizverwaltung ist zwar - wie dargelegt - der Exekutive zuzuordnen. Sie steht aber in unmittelbarem Bezug zu den Aufgaben der Rechtsprechung. Organisatorische Entscheidungen mit Auswirkungen auf den Bereich der rechtsprechenden Gewalt unterscheiden sich ihrem Wesen nach von allen anderen Maßnahmen der Behördenorganisation. Sie berühren die Wirkungsmöglichkeit der Rechtsprechung und können damit mittelbar die vom Grundgesetz sorgfältig gehütete sachliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt betreffen (in diesem Sinne bereits BVerfGE 2, 307 [319] = NJW 1953, 1177; BVerfGE 24, 155 [166] = NJW 1969, 1291).

Die Gerichtsverwaltung muß sich an dem Justizgewährleistungsanspruch orientieren und dessen Erfüllung sichern. Sie muß dazu dienen, die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung in deren einzelnen Zweigen sicherzustellen.

Dazu gehört zunächst, daß den Gerichten qualifiziertes Personal und eine sachliche Ausstattung zur Verfügung gestellt werden, die eine Gewährung effektiven Rechtsschutzes, insbesondere auch eines Rechtsschutzes innerhalb angemessener Zeit, ermöglichen. Der Rechtsprechung fehlt anders als den beiden anderen Staatsfunktionen die Befugnis zur Selbstorganisation im Sinne einer Selbstverwaltung. Die Gerichte als Organe der Rechtsprechung - ausgenommen die Verfassungsgerichte des Bundes und der Länder (vgl. § 1 I BVerfGG und § 1 I NWVerfGHG - haben weder den selbständigen staatsrechtlichen oder haushaltsrechtlichen Status eines obersten Landesorgans noch einen Status vergleichbar den Rechnungshöfen oder der Bundesbahn. Sie nehmen keine Mittel ein, die sie selbst verwalten. Sie haben kein eigenes "Zugangsrecht" zum Haushaltsgesetzgeber. Obwohl sie eine eigenständige Funktion der Staatsgewalt ist, ist die Rechtsprechung in dieser Hinsicht auf eine Gerichtsverwaltung angewiesen. Deren Organisation muß das Fehlen einer Selbstverwaltung der Judikative kompensieren. Die Gerichtsverwaltung muß durch die Art ihrer Organisation, insbesondere an der Spitze, imstande sein, im politischen Kräftespiel der Rechtsprechung die - insbesondere finanziellen - Mittel zu sichern, deren sie für ihre Funktionsfähigkeit und die Erfüllung ihrer Aufgaben bedarf.

Die Gerichtsverwaltung darf zum anderen die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter nicht beeinträchtigen.

2. ... a)

Für die Organisation der Gerichts- und Justizverwaltung, insbesondere für deren Spitze, sind im Laufe der Zeit verschiedene Modelle entwickelt worden. Sie berühren in unterschiedlicher Weise und Intensität verfassungsrechtliche Prinzipien. Nur diskutiert, aber nicht verwirklicht worden ist eine Art Selbstverwaltung der Gerichte mit einem mehr oder weniger selbständigen Status namentlich in haushaltsrechtlicher Hinsicht und hinsichtlich der Personalentscheidungen (vgl. etwa van Husen, AöR 78 (1952/53), 49 ff.). In Deutschland durchgängig verwirklicht worden ist die Zuordnung zu einem Ministerium, bei dem auch der Haushalt und die Personalentscheidungen angesiedelt sind. ...

b)

Mit dieser Tradition bricht der Ag. Er fügt den vorhandenen ein weiteres Modell hinzu, die Zusammenfassung von Innen- und Justizministerium ...

Mit der Verfassung mögen verschiedene Formen der Gerichts- und Justizverwaltung vereinbar sein. ...

Die Entscheidung (scil.: für eine bestimmte Form) definiert dabei nicht zuletzt den Stellenwert, welcher der Rechtsprechung als einer eigenständiger Staatsfunktion im Gesamtgefüge zukommt. ..."

 

(Anm.: Die Hervorhebungen stammen vom HP-Betreuer.)