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Leitlinien für die künftige Arbeit des Hamburgischen Richtervereins

Der Hamburgische Richterverein vertritt die Standesinteressen der Richter und Staatsanwälte. Gleichzeitig gehört es zu seinen Aufgaben, sich für die Sicherung einer geordneten Rechtspflege einzusetzen.

Die nachstehend wiedergegebenen Richtlinien befassen sich vorrangig mit den unsere Kolleginnen und Kollegen in Hamburg besonders bedrängenden Problemen, denen sich der Hamburgische Richterverein mit noch stärkerem Nachdruck zuwenden will. Die Erfüllung der sich aus den Leitlinien ergebenden Forderungen ist gleichzeitig Voraussetzung für eine wirksamere Selbstdarstellung der Justiz in Hamburg. In seinen Forderungen fühlt sich der Hamburgische Richterverein auch den Belangen der Mitarbeiter des nichtrichterlichen Dienstes verpflichtet.

Die Behandlung allgemeiner justizpolitischer Fragen ist in erster Linie Aufgabe des Deutschen Richterbundes, der an allen die Richter und Staatsanwälte berührenden Gesetzesvorhaben auf Bundesebene aktiv mitwirkt. Der Hamburgische Richterverein ist durch seine Mitglieder in den maßgeblichen Gremien des Deutschen Richterbundes, insbesondere im Bundesvorstand und im Präsidium, vertreten. Seine eigenen Vorstellungen und Forderungen an den Gesetzgeber, etwa zur Lösung der Probleme des Zivilverfahrens, wird der Vorstand des Hamburgischen Richtervereins in einem besonderen Papier darstellen.

Der Hamburgische Richterverein sieht in folgenden Bereichen den Schwerpunkt seiner Tätigkeit:

  1. Abbau der Überbelastung
  2. Frauen in der Justiz
  3. Arbeitsbedingungen der Staatsanwaltschaft
  4. Beförderungssituation
  5. Situation der jüngeren Richter und Staatsanwälte
  6. Abschattung der Besoldungsabsenkung
  7. Strukturverbesserungen
  8. Organisatorische Verbesserungen
  9. Verbesserung der Arbeitsbedingungen
      und der äußeren Selbstdarstellung
10. Justiz und Öffentlichkeit
11. Neue Technologien
12. Fortbildung
13. Probleme des nichtrichterlichen Dienstes
14. Öffnung der Justiz
15. Schulpatenschaften
16. Rechtsvergleichung und Rechtstatsachenforschung

1. Abbau der Überbelastung

Der Hamburgische Richterverein fordert, die in weiten Bereichen der hamburgischen Justiz festzustellende Überbelastung der Richter und Staatsanwälte abzubauen, damit ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet ist. Maßstab für den Umfang richterlicher und staatsanwaltlicher Tätigkeit darf nicht die Statistik, sondern muß im Interesse des Bürgers und einer anerkannten und funktionierenden Justiz die hochwertige Leistung sein. Pensenschlüssel könnten allenfalls dann Anwendung finden, wenn sie unter Mitwirkung der Richter und Staatsanwälte erarbeitet werden. Für Stellenvermehrung oder -reduzierung muß ausschlaggebend sein, ob in den jeweiligen Bereichen unter Berücksichtigung der entstandenen Rückstände ein zugleich sorgfältiges und zügiges Verfahren gewährleistet ist.

2. Frauen in der Justiz

Die Situation insbesondere der teilzeitbeschäftigten und beurlaubt Kolleginnen ist unter Beachtung des dazu vom Hamburgischen Richterverein erarbeiteten Forderungskatalogs aus dem sog. Frauenpapier zu verbessern.

3. Arbeitsbedingungen der Staatsanwaltschaft

Bei den Staatsanwaltschaften müssen die in den Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins Nr. 1/1986 im einzelnen vorgestellten Maßnahmen zur Erleichterung der Arbeit der Kollegen (z.B. im Sitzungsdienst, bei der Abfassung von Berichten unter Verwendung aktualisierter Formulare, der Behandlung von Querulantenanzeigen, der Reaktion auf Bagatellkriminalität, Einrichtung einer Bibliothek im Gebäude Karl-Muck-Platz 12-14 u.v.a.m. (jetzt Johannes-Brahms-Platz)) weiter vorangetrieben und ausgebaut werden.

4. Beförderungssituation

Der Hamburgische Richterverein wird sich verstärkt für eine Verbesserung der Beförderungschancen qualifizierter Richter und Staatsanwälte einsetzen; insoweit ist vordringlich die Einrichtung verbesserter Beförderungsschlüssel bei dem Amtsgericht und bei der Staatsanwaltschaft.

5. Situation der jüngeren Richter und Staatsanwälte

Der Hamburgische Richterverein verwendet sich dafür, daß auch den jüngeren Richtern im Rahmen eines ,,Assessorendezernats" eine Einarbeitungszeit gewährleistet wird. Der junge Richter muß für die Dauer eines halben Jahres in einem bis zur Hälfte reduzierten Pensum in die praktische Arbeit eingeführt werden; die Einführungsphase des jungen Staatsanwalts ist auf ein halbes Jahr auszuweiten. Diese Einführung ist durch begleitende Fortbildungsmaßnahmen zu ergänzen. Zudem sind aus dem Kreise der erfahrenen Richter und Staatsanwälte als Ansprechpartner für die jungen Kollegen Tutoren zu stellen.

6. Abschattung der Besoldungsabsenkung

Der Hamburgische Richterverein setzt sich dafür ein, daß die Absenkung der Eingangsbesoldung für junge Richter und Staatsanwälte wieder aufgehoben wird ( § 19a Bundesbesoldungsgesetz).

7. Strukturverbesserungen

Die Einwirkungsmöglichkeiten der Richter und Staatsanwälte im personellen und organisatorischen Sektor müssen verbessert werden.
a)
Der Hamburgische Richterverein fordert die Stärkung der Selbstverwaltungsmöglichkeiten der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Hierzu gehören u.a. ein eigenes Budgetrecht und ein Anhörungsrecht vor den parlamentarischen Ausschüssen.
b)
Die Rechte des Richterrats sind zu verstärken und zumindest den Rechten der Personalvertretung anzupassen. Dabei sind die besonderen Belange der Richterschaft zu berücksichtigen.
c)
Die Repräsentanz und Stimmberechtigung der Fachgerichtsbarkeiten im Richterwahlausschuß muß mindestens in den sie berührenden Personalentscheidungen gewährleistet werden. Bis zur gesetzlichen Regelung sind bei den sie berührenden Personalentscheidungen Vertreter der Fachgerichtsbarkeiten anzuhören.

8. Organisatorische Verbesserungen

Die organisatorische Verfassung der Gerichte und Staatsanwaltschaften muß verbessert werden. Der Hamburgische Richterverein fordert die Entwicklung sachbezogener Vorstellungen zu einer neuen ,,Gerichtsgeographie" in Hamburg. Die räumliche Situation am Sievekingplatz muß entspannt und verbessert werden. Als Möglichkeiten bieten sich an: Weitere Dezentralisierung des Amtsgerichts (Amtsgericht Hamburg-Nord), Neubau eines Justizgebäudes, Übernahme der ehemaligen Albrecht-Thaer-Schule, Einrichtung organisatorischer Blöcke (Block Wirtschaftsstrafverfahren, Block Jugendgerichtsverfahren).

9. Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der äußeren Selbstdarstellung
a)
Die Sitzungssäle und Gerichtsflure müssen modern und für den Rechtsuchenden ansprechend gestaltet werden (Einrichtung von Wartezonen für Zeugen, Parteien und Anwälte, deutliche Hinweiszeichen, dekorative Gestaltung der Gebäudeflure).
b)
Für Richter, Staatsanwälte und Bedienstete in den Geschäftsstellen sind angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dazu gehört:

c)
Es sind ausreichende Parkflächen im Bereich des Sievekingplatzes zur Verfügung zu stellen für Verfahrensbeteiligte, insbesondere ehrenamtliche Richter, Rechtsanwälte, Parteien, Zeugen und Justizangehörige. Zu denken ist hierbei auch an eine Tiefgarage unter dem Heiligengeistfeld.

10. Justiz und Öffentlichkeit

Der Hamburgische Richterverein wird künftig verstärkt sein Augenmerk darauf richten, daß sich die Justiz in der Öffentlichkeit noch intensiver darstellt. Dies ist nur durch eine Verstärkung der aktiven Öffentlichkeitsarbeit möglich. Gerichte und Staatsanwaltschaften bedürfen dafür mehr personeller und sächlicher Mittel, als sie derzeit den auch mit anderen Aufgaben belasteten Pressestellen zur Verfügung stehen.

11. Neue Technologien

Im Sektor neuer Technologien sind Planungen in enger Zusammenarbeit. mit Richtern und Staatsanwälten durchzuführen. Die Erkenntnisse anderer Bundesländer müssen transparent gemacht werden. Bei der Planung ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß neue Technologien menschengerecht in die Organisation integriert werden. Der Rat außenstehender fachkundiger Experten ist in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Das gilt z.B. auch für Forschungsprojekte des Bundesministeriums für Forschung und Technologie.

Bei einem Einsatz von EDV in der internen Personalverwaltung der Gerichte und Staatsanwaltschaften, insbesondere bei Verwendung von Personalcomputern zur Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Richtern und Staatsanwälten sind die betroffenen Richter und Staatsanwälte bzw. ihre Vertretungen bereits im Planungsstadium über jede beabsichtigte EDV-Maßnahme umfassend zu informieren und an dem Entscheidungsprozeß über die Einführung zu beteiligen.

Der Hamburgische Richterverein setzt sich dafür ein,
a)
daß die Arbeit in den Geschäftsstellen und Kanzleien der Gerichte und Staatsanwaltschaften sachgerecht und unter Beachtung einer humanen Arbeitsorganisation mit zeitgemäßer EDV unterstützt wird. Da diese neuen Techniken die richterliche und staatsanwaltliche Arbeit zunehmend beeinflussen werden, wird neben einer frühen Beteiligung an Planung und Durchführung insbesondere ein Ausbildungsangebot in diesen Techniken auch für Richter und Staatsanwälte gefordert;
b)
daß die Justizbehörde den Richtern und Staatsanwälten, die für die sachgerechte Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben EDV-Unterstützung benötigen, entsprechende Arbeitsmittel und Ausbildungsmöglichkeiten an diesen zur Verfügung stellt;
c)
daß im Bereich der Bagatell- und Massenkriminalität zur Entlastung der Richter und Staatsanwälte die vorhandenen Möglichkeiten der elektronischen Datenspeicherung und - verarbeitung unter Beachtung datenschutzrechtlicher Gesichtspunkte verstärkt genutzt werden.

12. Fortbildung

Im inneren Gefüge der Gerichte und Staatsanwaltschaften sind die kommunikativen Beziehungen der Richter und Staatsanwälte zu verdichten. Bei den erforderlichen Maßnahmen sind auch die Beziehungen des Richters und Staatsanwalts zu anderen gesellschaftlichen Bereichen zu berücksichtigen.

Der Hamburgische Richterverein fordert die Entwicklung eines Fortbildungsprogramms für Hamburg, das folgenden Schwerpunkten Rechnung trägt:

Schulung von Verhandlungstechnik und Verhandlungspsychologie, intensive Fortbildung in fachspezifischen Bereichen (Wirtschaftsstrafsachen, Jugendsachen etc.). Bei der Fortbildung sind weiterhin die Erkenntnisse der Managementlehre zu berücksichtigen. Seminare, die der kritischen Reflektion über die Arbeit und das eigene Berufsbild dienen, sind zu intensivieren.

Durch geeignete organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, daß in das Fortbildungsprogramm künftig verstärkt auch die Staatsanwälte einbezogen werden können.

13. Probleme des nichtrichterlichen Dienstes

Die Lösung der erheblichen Probleme des nichtrichterlichen Dienstes muß vorangetrieben werden. Soweit neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen werden, müssen entsprechende Stellen im nichtrichterlichen Dienst eingerichtet werden. Die zum Teil miserablen Räumlichkeiten, die ungenügenden Arbeitsbedingungen und die unbefriedigende Besoldungssituation der Mitarbeiter sind zu verbessern. Der Hamburgische Richterverein fordert darüber hinaus die Einrichtung einer Justizschule, damit - wie in anderen Bundesländern - eine Angestelltenausbildung in Form eines Lehrberufes erfolgen und die Ausbildung der Beamten verbessert werden kann.

14. Öffnung der Justiz

Veranstaltungen, die den Kontakt zu anderen Berufsgruppen und Institutionen fördern, sind in größerem Umfang anzubieten. Beispielhaft wird auf die bisherigen Bemühungen des Hamburgischen Richtervereins hingewiesen: ,,Hamburger Justiztage 1983", Veranstaltungsreihe "Kultur und Justiz", Ausstellungen in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer, der Handelskammer und anderen Institutionen.

15. Schulpatenschaften

Der Kontakt zu den Hamburger Schulen ist zu vertiefen. Dem Modell des Hamburgischen Richtervereins, im Rahmen von Schulpatenschaften die Betreuung von Schulklassen zu übernehmen, sollte bei den Schulen mehr Beachtung geschenkt werden.

16. Rechtsvergleichung und Rechtstatsachenforschung

Rechtsvergleichung und Rechtstatsachenforschung sollte zu einem Anliegen der Richter und Staatsanwälte gemacht werden. Hierzu gehört eine Intensivierung der Kontakte des Richters und Staatsanwalts mit dem Ausland. Der Hamburgische Richterverein setzt sich dafür ein, daß Richter und Staatsanwälte die Möglichkeit erhalten, zu ausländischen Institutionen abgeordnet zu werden, um ihren Blickwinkel zu erweitern und die im Ausland gewonnenen Erkenntnisse der eigenen Arbeit nutzbar zu machen.

Hamburg, 26. August 1987