Eine Richtergruppe ("Wir Hamburger Richterinnen und Richter") rief 2 Tage vor der Bürgerschaftswahl öffentlich auf gegen Schill, den Vorsitzenden einer der zu wählenden Parteien (Wortlaut der Anzeige im Hamburger Abendblatt vom 21.9.01).
In der Presse schrieb dazu Die Welt (22.9.01)
und erschienen folgende Leserbriefe
(hier unten wiedergegeben mit Einverständnis der
Urheber):
von Trotha (RiLG), Hamburger Abendblatt vom 28.9.01
"Richterprotest gegen Richter und Richterinnen (Skandal!) -
Das hat uns noch gefehlt! Am 21.9.2001, zwei Tage vor der Wahl und
noch dazu in einer besonderen Lage, die u.a. dadurch gekennzeichnet war,
daß es vorhersehbar auf jede Stimme ankam, haben "HAMBUGER RICHTERINNEN
UND RICHTER" in einer Anzeige "GEGEN RECHTSPOPULISMUS" Stellung bezogen
und deutlich gemacht, daß sie, "wir Hamburger Richterinnen und Richter",
nicht wie der "Berufskollege" Schill denken. Sie, unter ihnen der Jugendrichter
Katz, haben parteipolitisch Stellung bezogen und haben sich, was gewollt
war, allerdings bemäntelt worden ist, auch in eigener Sache geäußert,
nämlich zu ihrer Rechtsprechung.
Diese Anzeige erfordert es, als Bürger und unabdingbar erkennbar auch als Hamburger Richter, im doppelten Sinne des Wortes betroffen, öffentlich Stellung zu nehmen.
Es macht einen grundsätzlichen Unterschied, ob sich beispielsweise eine Gruppe von Künstlern, wie geschehen, oder eine Gruppe von Angehörigen der rechtsprechenden Gewalt (der Sache nach kann Rechtsprechung 'politisch' sein) in einer Anzeige äußert. Wo jene Richterinnen und Richter, die als solche unabhängig sind und bleiben müssen, ihr Kreuz auf dem Wahlzettel machen, ist ihre private Sache. Als Angehörige der rechtsprechenden Gewalt sind sie allerdings zur Zurückhaltung und Neutralität im politischen Tagesgeschäft verpflichtet.
Die Richterinnen und Richter sind gegen Rechtspopulimus eingetreten ...; sie haben sich ihrer Anzeige zufolge als 'Rechts-Populisten' erwiesen. Sie haben auf Verfassungsprinzipien hingewiesen sowie Schadensvermeidung angemahnt, allerdings - mit Bedacht - auch vermieden, der Wählerschaft ausdrücklich zu empfehlen 'Wählt nicht Schill!' ... Mit ihrer Anzeige haben sie ohne Not (das Auftreten des "Berufskollegen", gegen den sie allerlei Vorwürfe erhoben haben, rechtfertigt die Anzeige nicht) das Ansehen Hamburgs beschädigt, Teile der Hamburger Richterschaft vor vollendete Tatsachen gestellt, die Richterschaft in ihrer Gesamtheit in Misskredit gebracht sowie vor allem Grundlagen des demokratischen Gefüges und Rechtsstaates in Frage gestellt.
Das wird Folgen haben. Ich hoffe übrigens, daß die vierte Gewalt das weitere Geschehen verfolgen und darüber berichten wird.
W. von Trotha
Richter am Landgericht
Hamburg"
Brüggemann (Kaufmann) - Hamburger Abendblatt 28.9.01
"Mäßigung -
Richter Schill ist auch die Hoffnung vieler Hamburger Polizeibeamter,
früher getreue SPD-Wähler. Für diese Berufsgruppe muss die
Anzeige der "Hamburger Richterinnen und Richter gegen Rechtspopulismus"
im Hamburger Abendblatt am 21. September wie Hohn gewirkt haben. Haben
dort doch auch Richter unterschrieben, die jene Verbrecher umgehend auf
freien Fuß zu setzen pflegen, die Polizeibeamte oft unter Einsatz
ihres Lebens festgenommen haben. Mit dieser Anzeige haben die Richter auch
gegen etwas verstoßen, was sie dem Richter Schill vorwerfen: den
Grundsatz der Mäßigung und Zurückhaltung.
Horst Brüggemann, Oststeinbek"
Kränz (RiVG) - Hamburger Abendblatt 29./30.9.01
"Nicht in aller Namen -
Völlig zu Recht missbilligt der Kollege von Trotha die am Freitag
vor der Wahl veröffentlichte Anzeige von Jugendrichter Katz und weiteren
75 Richterinnen und Richtern, mit welcher Wahlpropaganda gegen den Vorsitzenden
einer bei der Bürgerschaftswahl kandidierenden Partei gemacht wurde.
Da im Text der Anzeige von einer Meinung der gesamten Hamburger Richterschaft
die Rede ist ("Wir Hamburger Richterinnen und Richter denken nicht wie
Ronald Schill"), stelle ich mit Nachdruck klar: Herrn Katz und seinen Gesinnungsgenossen
steht nicht das Recht zu, sich im Namen von "uns" hamburgischen Richterinnen
und Richtern in irgendeiner Weise öffentlich zu äußern.
Dies gilt völlig unabhängig von der Frage, ob ich die Kritik
an Herrn Schill inhaltlich vielleicht sogar teile oder nicht. Wenn derartige
Anzeigen Schule machen sollten, wird das Ansehen der hamburgischen Justiz,
welches durch die schallende Ohrfeige des Bundesgerichtshofs im Strafprozess
gegen Herrn Schill ohnehin arg ramponiert ist, noch weiter beschädigt.
Dr. Joachim Kränz (parteilos),
Richter am Verwaltungsgericht,
20097 Hamburg"
zusammengestellt von Wolfgang Hirth (RiLG)
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