Neskovics und Vézinas "fachliche Eignung wird nicht bejaht" / Goll: Untragbare Entscheidung
Mü. FRANKFURT, 16. Februar. Der Richterwahlausschuß hat zwei neue Bundesrichter gewählt, die vom Bundesgerichtshof für fachlich nicht geeignet gehalten werden.
Der Ausschuß wählte die Richterin am Landgericht Mannheim, Birgit Vézina, und den Vorsitzenden Richter am Landgericht Lübeck, Wolfgang Neskovic. In beiden Fällen lautete das Votum des Präsidialrats des Bundesgerichtshofs: "Fachliche Eignung wird nicht bejaht."
Der baden-württembergische Justizminister Goll (FDP) nannte die Wahl Vézinas "untragbar". Man geniere sich vor den anderen hochqualifizierten Richtern, die nicht zum Zuge gekommen seien. "Ich fürchte um die Qualität des Bundesgerichtshofs", sagte Goll am Freitag dieser Zeitung. Er habe sich nicht vorstellen können, daß Vézina, die von dem rechtspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Hartenbach, vorgeschlagen worden sei, vom Richterwahlausschuß gewählt werde. Er selbst habe an der Wahl wegen eines Termins im ständigen Ausschuß des Landtags nicht teilnehmen können. Aus dem Bundesjustizministerium gab es keine Stellungnahme.
Bei zahlreichen Bewerbungen um eine erste Beförderung sei Frau Vézina bisher nicht zum Zuge gekommen, schrieben der Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Münchbach, und der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, Stilz, am Freitag an Justizminister Goll. Noch am Tag ihrer Wahl zur Bundesrichterin sei ihr ein besser qualifizierter Bewerber für eine Stelle als Vorsitzender Richter am Landgericht vorgezogen worden.
Dem Richterwahlausschuß hätten Vorschläge für andere Richter aus Baden-Württemberg vorgelegen, die überragend beurteilt worden seien, seit Jahren ein Beförderungsamt bekleideten und vom Bundesgerichtshof als besonders geeignet angesehen würden. "Wir können uns nicht erklären, wie die erfolgte Auswahl mit Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes in Übereinstimmung zu bringen ist", schreiben die Gerichtspräsidenten. Danach hat jeder Deutsche "nach seiner Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte".
Der Vorsitzende des Rechtsausschusses der Bundestages, Scholz (CDU), sagte, es sei "relativ selten", daß von dem Votum des Bundesgerichtshofs abgewichen werde. Aber man müsse bei der Richterwahl Kompromisse schließen. Insgesamt sei die Union mit der Neubesetzung der 14 Stellen am Bundesgerichtshof zufrieden.
Dem Richterwahlausschuß gehören die Justizminister der Bundesländer und 16 vom Bundestag gewählte Mitglieder an. 1995 hatten Union und FDP den Ausschuß verlassen und beschlußunfähig gemacht, als es um die Wahl von Richtern am Bundessozialgericht ging. Die SPD hatte darauf bestanden, eine Kandidatin zu wählen, die vom Präsidialrat des Bundesgerichtshofs als nicht geeignet angesehen wurde."
(FAZ 17.02.2001; Abschrift gefertigt von Wolfgang Hirth)
zu Nescovic vgl. auch ein Interview mit ihm von 1990