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Offener Brief des Hamburgischen Richtervereins an die Justizsenatorin vom 21.10.2020

betreffend Inanspruchnahme von Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft

 

Sehr geehrte Frau Senatorin Gallina,

 

der Hamburgische Richterverein nimmt die Interessen der Hamburger Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wahr und wendet sich heute mittels dieses offenen Briefes, den wir auch unseren Mitgliedern zur Kenntnis geben werden, mit folgendem Anliegen an Sie:

 

Die für das Jahresende 2020 vorgesehene Inanspruchnahme von Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft im 5. Stockwerk des Hauses Kaiser-Wilhelm-Straße 100 durch die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz zur Abwendung eines dort bestehenden Raumproblems haben wir mit großem Erstaunen zur Kenntnis genommen.

 

Die Umsetzung dieser Planung hat unter Berücksichtigung der Raumbedarfe der neuen Hauptabteilungen I, II und VIII zur Folge, dass voraussichtlich Teile der Hauptabteilung IV (Jugend) in das Gebäude Gorch-Fock-Wall 15 umziehen müssen und in beiden Gebäuden Umsetzungen stattfinden werden, nach denen auch Vollzeitdezernentinnen und -dezernenten in Doppelzimmern untergebracht werden müssen. Dies sorgt für erheblichen Unmut bei den Kolleginnen und Kollegen.

 

Abgesehen davon, dass die Einrichtung von Doppelzimmern in Zeiten der Corona-Pandemie kaum nachvollziehbar ist und zumindest höhere Anforderungen des Arbeitsschutzes zu erfüllen sind, stellt diese Entscheidung für die Betroffenen eine zusätzliche Belastung dar und lässt negative Auswirkungen auf deren Arbeitszufriedenheit befürchten.

 

Jeder Umzug, egal ob er innerhalb eines Gebäudes oder zwischen Gebäuden erfolgt, ist zudem mit Reibungsverlusten verbunden, die im Anschluss durch überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz der Kolleginnen und Kollegen unter dann schlechteren Rahmenbedingungen ausgeglichen werden müssen.

 

Auch ist die Staatsanwaltschaft Organ der Strafrechtspflege. Der Hinweis darauf, dass in der „hamburgischen Verwaltung“ Doppelzimmer nicht unüblich seien, verfängt insoweit nicht. Die Tätigkeit einer Vollzeitdezernentin bzw. eines Vollzeitdezernenten bei der Staatsanwaltschaft unterscheidet sich grundlegend von anderen Aufgabenfeldern. Neben Aufgaben, für deren Wahrnehmung ein ruhiges Umfeld erforderlich ist, welches konzentriertes und fokussiertes Arbeiten ermöglicht, sind diverse persönliche und telefonische Gespräche mit Richterinnen und Richtern, Verteidigerinnen und Verteidigern und Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sowie Ausbildungsgespräche mit Referendarinnen und Referendaren zu führen. Hinzu kommt in der Hauptabteilung IV das Erfordernis, mit Jugendlichen und Heranwachsenden Ermahnungsgespräche durchzuführen. Diese vielfältigen Aufgabenstellungen können durch zwei VollzeitdezernentInnen in einem Dienstzimmer nicht in adäquater Weise wahrgenommen werden.

 

Der lapidare Hinweis auf die Unterbringung in der sonstigen „hamburgischen Verwaltung“ verkennt dies und lässt die oft beschworene Wertschätzung für die Arbeit der Staatsanwaltschaft vermissen. Es gilt, diese nicht nur in Reden und Statements hervorzuheben, sondern auch praktisch umzusetzen. Auch vor dem Hintergrund der nach wie vor angespannten Situation im Bereich der Nachwuchsgewinnung wird durch die Unterbringung in Doppelzimmern das falsche Zeichen gesetzt. Die leistungsstarken Bewerber haben in der Regel die Auswahl zwischen mehreren Arbeitgebern und die Attraktivität des Arbeitsumfelds stellt bei der Entscheidung zwischen diesen einen entscheidenden Faktor dar.

 

Der Hamburgische Richterverein würde es daher begrüßen, wenn sich vor dem bereits geplanten erneuten Umzug der Staatsanwaltshaft in das Michaelisquartier im Frühjahr 2022 ein weiterer Umzug von Teilen der Staatsanwaltschaft verhindern ließe und eine anderweitige Übergangslösung gefunden würde.

 

Mit freundlichen Grüßen 

Für den Hamburgischen Richterverein

Der Vorstand

 

Nicole Geffers

- Stellv. Vorsitzende -