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(FAZ-Leserzuschrift von Günter Bertram, VRiLG a.D., veröffentlicht in FAZ vom 18.02.05, S. 11:)

 

Betr.: FAZ vom 12. Februar 2005

 

Regierung will Strafrecht verschärfen (S.1)

Gegen ”unerträgliche Verherrlichung” (S. 4)

 

Der Theorie nach sind es zwei eherne Grundsätze, die unser Strafrecht bestimmen: Ultima Ratio und Tatbestandsklarheit (Art.103 (2) GG). Für die politische Strafrechtsgesetzgebung gelten beide Prinzipien allerdings schon längst nicht mehr:

 

Ihr Redaktionsmitglied Joachim Jahn schildert in seiner Dissertation von 1998 (Strafrechtliche Mittel gegen Rechtsextremismus – Die Änderungen der §§ 130 und 86 StGB als Reaktion auf fremdenfeindliche Gewalt im Lichte der Geschichte des politischen Strafrechts), wie der alte § 130 StGB auf Grund tagespolitischer Erregungen im Jahre 1960 als “Volksverhetzung” neu aufgelegt und 1994 – wieder wegen (heute längst vergessener) Tagesaktualitäten - zu einem schier grenzenlosen, tatbestandlich bemerkenswert ungenauen Verbot aufgebauscht worden ist: Was alles z.B. läßt sich nicht als ein nunmehr pönalisiertes “Verharmlosen” von NS-Völkermordverbrechen auslegen? Mußte der Historikerstreit vor das Forum der Strafgerichte gezogen werden –“Angeklagter Ernst Nolte”? Jahn hält deshalb schon den alten Tatbestand des § 130 StGB für jedenfalls teilsweise verfassungswidrig - mit einleuchtenden Gründen.

 

Nun soll (und will offenbar) der Bundestag noch einmal nachlegen und den Paragraphen in höchster Eile auf den 8. Mai 2005 zuspitzen. Ein neuer Absatz wird deshalb Strafe bis zu drei Jahren dem androhen, der in friedensgefährdender Weise öffentlich “die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht oder verharmlost”. Es geht nicht mehr um den Holocaust - um dessen Leugnung, Billigung oder Verharmlosung: darum kümmert sich schon das alte Gesetz.

Thema ist nun in einem viel weiteren Sinne das Dritte Reich. Was umfaßt jetzt der Begriff “Verharmlosen”? Hatte der Hitlerfilm (Der Untergang) sich dessen schuldig gemacht, indem er dem Verbrecher auch menschliche Züge zugebilligt hatte? Manche meinen das und machen dafür achtenswerte Gründe geltend. Aber soll der Strafrichter über diese und andere Meinungen entscheiden: richten - nach dem grenzenlosen Tatbestandsmerkmal der Novelle?

 

Die Rechtsextremen, läßt Frau Zypries verlauten, dürften nicht von Strafbarkeitslücken profitieren. Damit verkennt sie die wesensmäßige Begrenztheit, mit der unser liberales Strafrecht sich bescheiden will (ultima ratio!) und muß, um nicht zum Tugendterror zu verkommen. Aber nach einem ernsthaften Schutzgut, dessen Verletzung die Kriminalisierung legitimieren könnte, fragt der Strafgesetzgeber schon allgemein kaum noch, beim politischen Strafrecht schon gar nicht mehr: verbreitete (jedenfalls aber veröffentlichte) Aufregung und Medienwirbel genügen. “Mit Blick darauf, daß die Rechtsextremen verstärkt versuchen, in Schulen für ihre Ideen zu werben, soll die Verschärfung des Strafrechts nicht zuletzt ein Signal vor allem an junge Menschen sein”, heißt es bei Frau Zypries. Schon längst wird, so auch hier, dem Recht aufgehalst, Zeichen zu setzen, Signale auszusenden und was dergleichen Redensarten mehr sind (auch das grün-rote Antidiskriminierungsgesetz, das dem Land bald übergestülpt werden wird, ist vom gleichen volkpädagogischen Belehrungsfuror durchglüht). Am Boden zertreten wird die Bürgerfreiheit,1 und political correctness überwuchert bald jeden freien und offenen Diskurs.

 

Wir sollten unseren Volksvertretern in diesen Tagen und Wochen argwöhnisch auf die Finger sehen und alles tun, ihnen in den Arm zu fallen, wenn sie daran gehen, ihre schnell hingeworfenen Panikgesetze durchzupeitschen. Die würden übrigens doch nur so lange vorhalten, bis die nächste Aufregung sie nach der nächstfälligen Verschärfung greifen ließe.

 

Günter Bertram


 

Der Briefteil nach dieser Stelle wurde nicht abgedruckt.