Dresden, den 17.9.00, Leserbrief (an Dresdner Neueste Nachrichten und an die Sächsische Zeitung) zum Artikel:
„Hähle: Faule Westrichter betrieben infame Kampagne gegen Heitmann“
in der Ausgabe vom 16./17.9.00Die Aktuelle Stunde des Sächsischen Landtags zum Thema „Gewaltenteilung“ anlässlich der Vorwürfe gegen Herrn Heitmann hätte Veranlassung geben können, einige für das Funktionieren des Rechtsstaats wesentliche Fragen zu erörtern: Zum Umfang der Eingriffsmöglichkeiten und (kurz zuvor mit Recht) zurückgeschraubten Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften, zum Verhältnis von Dienstaufsicht und richterlicher Unabhängigkeit insbesondere zwischen Justizverwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Die Chance wurde, Ihrem Bericht zufolge, vertan. Der inhaltliche Kern der Vorwürfe kam offensichtlich nicht zur Sprache. Vielmehr wurden die Urheber der Vorwürfe – insbesondere durch den CDU-Fraktionsvorsitzenden – mit persönlichen und an eine Ehrenkränkung heranreichenden Werturteilen überzogen. Diese Methode ist für eine Sachdebatte gänzlich ungeeignet; denn die Antwort auf die Frage, ob die Vorwürfe ganz oder teilweise zutreffen oder nicht, hängt nicht von der Qualität der Kritiker ab.
Ebenso wenig kann es auf die Herkunft der Kritiker ankommen. Dass diese sich überdies nicht immer eindeutig bestimmen lässt (auch ich verfüge über ein Stück „DDR-Vergangenheit“, was bin ich nun ?), macht die Kategorie „Westrichter“ nicht tauglicher.
Der Vorwurf der „Faulheit“, im Landtag erhoben und in der Presse wiedergegeben, könnte, so bizarr er ist, dennoch unter der Richterschaft Verärgerung und Empörung auslösen. Er zeugt in seiner Undifferenziertheit nicht nur vom mangelnden Respekt vor der rechtsprechenden Gewalt, sondern auch von Unkenntnis der Verhältnisse. Er steht schließlich in Widerspruch zu den vom Justizministerium mit Recht und Stolz verbreiteten hervorragenden Erledigungszahlen in der sächsischen Justiz, die sich nicht „auf Dresdens Prachtstraßen“, sondern nur durch erhebliche Mehrarbeit erzielen ließen.
Dass der personelle Wechsel an der Spitze des Justizministeriums auch eine Chance zur Lösung der Probleme ist, hat der neue Minister betont. Das sieht die sächsische Richterschaft sicher nicht anders und wird mit Hoffnung und Erwartung in die angebotenen Gespräche gehen.Wolfgang Howald, Vizepräsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts, Dresden/Chemnitz